Das 2018 gegründete „Bündnis kommunal & selbstverwaltet Wohnen“, kurz kusWo, setzt sich für die demokratische Mitbestimmung der Mieter bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen ein. Das MieterMagazin sprach mit Lisa Vollmer von der Initiative „Stadt von Unten“ und Björn-Arne Eisermann aus der Lottumstraße 10 A, einem 1990 besetzten Haus, das heute in Selbstverwaltung ist.
MieterMagazin: Was war die Initialzündung zur Gründung des Bündnisses?
Lisa Vollmer: Zum einen das Konzept „Rekommunalisierung Plus“ von Kotti & Co sowie das Modellprojekt „selbstverwaltet und kommunal“ von Stadt von Unten. Denn Rekommunalisierung allein reicht nicht. Die Erfahrungen zeigen, dass das nicht vor Mietsteigerungen und Zwangsräumungen schützt. Zum anderen gibt es immer mehr Häuser, die über das bezirkliche Vorkaufsrecht in öffentliches Eigentum gelangt sind. Bei diesen Hausgemeinschaften ist durch den politischen Kampf ein ganz neuer Zusammenhalt entstanden. Die wollen mitbestimmen. Dazu kommt, dass bei einer Reihe von ehemals besetzten Häusern demnächst die Pachtverträge auslaufen.
MieterMagazin: Wie sind die Erfahrungen bisher? Zeigen sich die städtischen Wohnungsunternehmen aufgeschlossen?
Lisa Vollmer: Es wird fast alles abgeblockt mit dem Argument, das es nicht machbar sei. Oder es wird behauptet, die Mieterinnen und Mieter hätten gar kein Interesse daran. Zwar wurde im Herbst 2018 erstmals ein Kooperationsvertrag zwischen dem Mieterrat Neues Kreuzberger Zentrum und der Gewobag abgeschlossen. Doch auch hier läuft es sehr schwierig. Klar ist, dass sich die Strukturen der landeseigenen Wohnungsunternehmen erst darauf einstellen müssen.
Björn-Arne Eisermann: Schon in den 90er Jahren, als wir mit der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg verhandelt haben, hieß es: „Das geht doch nicht, wie stellt ihr euch das vor?“ Nach fast 30 Jahren in Selbstverwaltung haben wir bewiesen: Es funktioniert wunderbar. Wir sind die gelebte Mietpreisbremse. Wir können selber entscheiden, wie teuer und wie bequem wir es haben wollen und ob wir beispielsweise selber das Treppenhaus streichen oder eine Firma beauftragen. Trotzdem wird immer noch so getan, als ob das völlig unrealistisch wäre. Die Gewobag hat es in all der Zeit nicht einmal geschafft, ihre Verwaltung darauf einzustellen.
MieterMagazin: Ist es nicht unrealistisch, dass sich Mieter in dieser Weise einbringen? Das kostet doch viel Zeit und Energie.
Lisa Vollmer: Es ist ein Recht, keine Pflicht. Unser Konzept sieht ein abgestuftes Modell der Mitbestimmung vor, je nach Wunsch und Organisationsgrad der Häuser. Die komplette Selbstverwaltung ist der am weitestgehende Schritt. Es kann sich aber auch, um es am Beispiel Modernisierung deutlich zu machen, auf die Offenlegung der Kosten und Mitsprache bei den Bauabläufen beschränken. Bei einer höheren Stufe können die Mieterinnen und Mieter Maßnahmen mit ihrem Veto verhindern. Bei einer Selbstverwaltung würden sie dann die Modernisierung in Eigenregie durchführen. Bei der Wohnungsbelegung geht es vom Vorschlagsrecht bis hin zur eigenverantwortlichen Vergabe durch die Mieterschaft. Soziale Belegungsrechte müssen natürlich in jedem Fall eingehalten werden. Je nach Größe und Bedarf könnte das über ein Gesamtplenum oder über repräsentative Strukturen organisiert werden. All das wollen wir jetzt beim Modellprojekt auf dem Dragonerareal in die Praxis umsetzen.
MieterMagazin: Aber ist es kein Widerspruch, sich einerseits für die Rekommunalisierung stark zu machen und andererseits den landeseigenen Wohnungsunternehmen mit einem solchen Misstrauen zu begegnen?
Lisa Vollmer: Die Unternehmen waren 15 Jahre lang auf Gewinnmaximierung getrimmt. Uns hingegen geht es um die Demokratisierung der Strukturen. Die Wohnungsunternehmen müssen stärker hinsichtlich ihres sozialen Auftrags und der Gemeinwohlorientierung kontrolliert werden. Nur so kann verhindert werden, dass wieder privatisiert wird, wenn sich der politische Wind eines Tages dreht.
Interview: Birgit Leiß
Selbstverwaltet bei der Deutsche Wohnen
Zum „Bündnis kommunal & selbstverwaltet Wohnen“ gehören neben stadtpolitischen Initiativen wie „Kotti & Co“ und „Stadt von Unten“ auch mehrere Vorkaufshäuser, etwa die Wrangelstraße 66, sowie ehemals besetzte Häuser, die heute in Selbstverwaltung sind, darunter die Bülowstraße 52. Hier obliegen sämtliche Belange des Wohnens inklusive Miethöhe und Instandhaltung dem Hausverein. Auch die Deutsche Wohnen ist durch den Verkauf der GSW zu vier komplett selbstverwalteten Mietshäusern gekommen: Block 89 zwischen Fraenkelufer und Kohlfurter Straße in Kreuzberg.
bl
https://kommunal-selbstverwaltet-wohnen.de/
Lesen Sie auch:
09.07.2019