Das Verdrängungskarussell dreht sich weiter, auch in Milieuschutzgebieten. Fast wöchentlich wechseln Mietshäuser zu spekulativen Kaufpreisen den Besitzer. Die einzige Hoffnung der Mieter: die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Bezirk. Zwei Beispiele aus Neukölln und Prenzlauer Berg.
„Ich habe ganz wunderbare Nachbarn, und ich möchte hier wohnen bleiben, bis man mich rausträgt“, so Ingeborg Krause bei einer Protestaktion der Hausgemeinschaft Sanderstraße 11/11a. Seit 1934 wohnt die mittlerweile 90-Jährige in dem Altbau im Reuterkiez.
Im Mai erfuhren die 34 Mietparteien, dass ihr Haus für rund 6 Millionen Euro von einer tschechischen Erbengemeinschaft an einen privaten Erwerber verkauft worden war. Die Mieter wissen: Das rechnet sich nur, wenn ihre Wohnungen luxusmodernisiert und in Eigentum umgewandelt werden. Doch die Hausgemeinschaft ist gut vernetzt und wehrt sich.
Nachdem die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land es wegen des hohen Kaufpreises abgelehnt hatte, das Haus auf dem Weg des Vorkaufsrechts zu übernehmen, schöpften die Mieter Hoffnung, als das Wohnungsunternehmen Gewobag an sie herantrat. Wie mittlerweile üblich in solchen Fällen, sollten die Mieter freiwillige Selbstverpflichtungen für Mieterhöhungen unterschreiben. Fast alle haben das getan. Doch am letzten Tag der Frist ging doch noch eine Abwendungserklärung des Käufers ein, die derzeit im Bezirksamt geprüft wird. Über Inhalte der Erklärung könne man noch nichts sagen, so Neuköllns grüner Baustadtrat Jochen Biedermann.
Auch in der Gleimstraße 56 müssen die Mieter um ihr Zuhause bangen. Mit viel öffentlichem Druck haben sie es geschafft, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht ausüben will. Es wäre eine Premiere, denn Pankow als Bezirk mit den meisten Milieuschutzgebieten hat bisher kein einziges Mal von diesem Instrument Gebrauch gemacht. Hauptproblem auch hier: der hohe Kaufpreis, der städtische Wohnungsbaugesellschaften oder Stiftungen zurückschrecken lässt. Für 7,9 Millionen Euro wurde der Gründerzeitbau verkauft. Ob die Bezirke zum – weit niedrigeren – Verkehrswert kaufen dürfen, ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Birgit Leiß
www.facebook.com/Sanderstrasse11
21.08.2018