Neben den Stimmzetteln zu den Bundestags-, Abgeordnetenhaus- und Bezirksverordnetenwahlen bekommen Berlins Wählerinnen und Wähler am 26. September auch den Abstimmungsbogen zum Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Der Berliner Mieterverein (BMV) unterstützt die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen, denn Wohnraum gehört nicht in die Hände profitorientierter Konzerne und nicht an die Börse.
„Deutsche Wohnen & Co enteignen“
Am 26. September 2021 wird über den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ abgestimmt – ein wichtiger Schritt zur Vergesellschaftung von 240.000 Wohnungen und um mittelfristig 50 Prozent der Wohnungsbestände in gemeinwohlorientierte Hand zu bekommen.
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Große renditeorientierte Wohnungsunternehmen, die in Berlin mehr als 3000 Wohnungen haben, sollen dem Volksbegehren nach auf der Grundlage von Artikel 15 des Grundgesetzes vergesellschaftet werden. Das beträfe rund 240.000 Wohnungen, die in eine gemeinwohlorientierte Anstalt öffentlichen Rechts („AöR“) überführt werden sollen. Öffentliche Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften sind davon ausgenommen. Fast 360.000 Berlinerinnen und Berliner haben das Volksbegehren unterschrieben. Das sind doppelt so viele wie nötig waren, um den Volksentscheid herbeizuführen.
Es steht kein konkretes Gesetz zur Abstimmung, vielmehr wird der Senat aufgefordert, alle Maßnahmen zur Vergesellschaftung von Grund und Boden einzuleiten. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ hat gleichwohl einen Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz vorgelegt, in dem festgeschrieben wird, was zu welchem Preis in Gemeineigentum überführt werden soll.
Der Senat, der zu anstehenden Volksentscheiden immer eine offizielle Stellungnahme abgibt, bezog diesmal keine eindeutige Position. Die Koalitionsparteien sind sich in dieser Frage nicht einig. Die SPD lehnt das Volksbegehren ab, die Linke ist dafür und die Grünen befürworten es nicht vollständig. „Das grundsätzliche Ziel, den gemeinwirtschaftlichen Anteil an Wohnungen zu erhöhen, unterstützen Senat und Land Berlin“, heißt es in der Stellungnahme. In der Folge führt der Senat aber vor allem Argumente an, die gegen die Vergesellschaftung sprechen. Ein Vergesellschaftungsgesetz wäre „politisch umstritten“ und „juristisches Neuland“. Bei der Schätzung der Entschädigungskosten geht der Senat von 29 bis 39 Milliarden Euro aus und rechnet mit gerichtlichen Auseinandersetzungen über die tatsächliche Höhe. Ohne das Volksbegehren weiter zu bewerten, zählt der Senat seine bisherigen wohnungspolitischen Aktivitäten auf und weist auf sein Ziel hin, den kommunalen Wohnungsbestand durch Neubau und Ankauf auf 400.000 Wohnungen zu vergrößern.
Entschädigung gedeckt durch Mieteinnahmen
Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ nennt die Stellungnahme des Senats eine „dreiste Desinformation“. „Es ist völlig unklar, wie der Senat auf seine Entschädigungssummen kommt“, sagt Sprecher Moheb Shafaqyar. „Eine Entschädigung nach Artikel 15 ist eben kein Kauf nach Verkehrswert.“ Die Initiative hat eine Entschädigungssumme von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro errechnet – ein Betrag, der durch die Mieteinnahmen zu finanzieren sei und somit den Berliner Landeshaushalt nicht belasten würde.
Das Volksbegehren hat jetzt schon erreicht, dass das Wohnen ein ganz zentrales Wahlkampfthema geworden ist. Alle Parteien müssen Antworten liefern, wie sie den sozialen Zusammenhalt in der Mieterstadt Berlin absichern wollen. Am 26. September haben es die Wählerinnen und Wähler in der Hand.
Jens Sethmann
Gute Enteignung, schlechte Vergesellschaftung?
Nach Artikel 15 des Grundgesetzes können „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“. Dies wurde noch niemals angewandt. Enteignungen nach Artikel 14 werden hingegen fast alltäglich vorgenommen, denn damit wird meist der Bau von Autobahnen oder der Braunkohletagebau ermöglicht.
js
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28.08.2021