Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ verstößt nicht gegen die Verfassung. Das hat der Wissenschaftliche Parlamentsdienst (WPD) des Berliner Abgeordnetenhauses bestätigt.
Angerufen wurde der Parlamentsdienst von der AfD-Fraktion, die wohl ein anderes Ergebnis erwartet hat. Doch das Gutachten ist eindeutig: Eine Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes ist zwar noch nie vorgenommen worden, doch sie wäre verfassungsgemäß und auch mit dem Europarecht vereinbar. Das Ansinnen des Volksbegehrens sei nicht unverhältnismäßig und verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es sei auch sachgerecht, Firmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu vergesellschaften und öffentliche sowie genossenschaftliche Vermieter davon auszunehmen. Die zu zahlende Entschädigung dürfe auch unterhalb des Verkehrswerts liegen, müsse sich aber an ihm orientieren.
Die Entschädigungssumme ist bekanntlich der Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Die Initiative zum Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ hat ausgerechnet, dass sie mit 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro deutlich unter dem Verkehrswert liegen kann, während die Kostenschätzung des Senats von 28,8 bis 36 Milliarden Euro reicht.
Noch günstiger als das WPD-Gutachten fällt eine Studie des Verfassungsrechtlers Joachim Wieland aus. Beauftragt von den Bundestags- und Abgeordnetenhausfraktionen der Linken kommt der ehemalige Rektor der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer zu dem Schluss, dass eine Vergesellschaftung verfassungsgemäß ist und die Höhe der Entschädigung sich nicht am Verkehrswert orientieren müsse. Es sind lediglich die Interessen der Allgemeinheit und der Wohnungskonzerne gerecht abzuwägen. Die Sozialisierung verstoße auch nicht gegen die Schuldenbremse, weil für diese enteigneten Wohnungen eine Anstalt öffentlichen Rechts gegründet werden soll.
Für das Anliegen, profitorientierte Immobilienkonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen in Gemeineigentum zu überführen, hat die Initiative in nur drei Monaten 58.000 gültige Unterschriften gesammelt. Betroffen wären zehn Unternehmen mit zusammen 243.000 Wohnungen.
Das WPD-Gutachten setzt auch Berlins Innensenator Andreas Geisel unter Druck. Seit Juni prüft seine Behörde die rechtliche Zulässigkeit des Volksbegehrens und verzögert so den Start der zweiten Stufe.
Jens Sethmann
30.09.2019