Eine schillernde Figur drängt auf den Berliner Wohnungsmarkt. Der norwegische Abenteurer und Milliardär Ivar Tollefsen kauft mit seiner schwedischen Firma Heimstaden 6000 Wohnungen. Ein ungewöhnlicher Schritt in Zeiten des Mietendeckels und eines aussichtsreichen Enteignungs-Volksbegehrens.
Er hat in der Antarktis 3000er-Berge bestiegen und ist bei der Rallye Dakar durch die Atacama-Wüste gerast. Ivar Tollefsen lässt sich auch nicht vom Berliner Mietendeckel und einer drohenden Enteignung abschrecken. Heimstaden hat rund 6000 Mietwohnungen gekauft, anfangs in kleinen Schritten über den Aufkäufer Skjerven, dann ein großes Paket mit 3902 Wohnungen für 830 Millionen Euro in eigenem Namen. Heimstaden arbeitet mit eigenem Kapital und Einlagen schwedischer Pensionsfonds.
Betroffen sind 146 Häuser vor allem in der Berliner Innenstadt. Rund 55 davon liegen in einem Milieuschutzgebiet. Dort haben die Bezirke ein Vorkaufsrecht. Allein in Neukölln sind es 27 Häuser, in Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg je elf. Schon die Menge der innerhalb von zwei Monaten zu prüfenden Fälle macht den Bezirksämtern Schwierigkeiten. Aber auch die Preise liegen höher, als es der teilweise vernachlässigte Instandhaltungszustand vermuten ließe. Die Bezirke prüfen deshalb, ob sie bei einem Vorkauf den Preis reduzieren können – was dann der Fall ist, wenn er mehr als 25 Prozent über dem Verkehrswert liegt. Für die ersten 16 Häuser lief die Frist für den Vorkauf am 20. Oktober ab. In drei Fällen haben Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln das Vorkaufsrecht ausgeübt, bei einem Kreuzberger Haus zum reduzierten Preis.
Abwendungsvereinbarungen hat Heimstaden bisher nicht unterschrieben. Damit kann der Eigentümer den Vorkauf des Bezirks abwenden, wenn er sich verpflichtet, die Regeln des Milieuschutzes einzuhalten und auf lange Sicht keine Luxusmodernisierungen und Eigentumsumwandlungen vorzunehmen.
Garantien für Mieter gefordert
„Heimstaden ist ein langfristig orientierter Eigentümer mit einem kundenzentrierten Geschäftsmodell“, erklärt Geschäftsführer Patrik Hall. Der Firmen-Slogan lautet „Friendly Homes“. Deutschland-Chefin Caroline Oelmann beteuert, gesetzliche Vorgaben wie den Mietendeckel strikt einzuhalten. „Wir nehmen unsere soziale und ökologische Verantwortung ernst“, schreibt sie in einem Brief an die Mieterinitiative „Fünf Häuser“. Diese von den Mietern der ersten fünf verkauften Häuser gegründete Initiative fordert für alle Mieter eine schriftliche Zusicherung, dass Umwandlungen und Eigenbedarfskündigungen ausgeschlossen werden und nicht-erforderliche, aber mietpreissteigernde Sanierungen unterbleiben.
Der Berliner Mieterverein (BMV) sieht die Gefahr, dass auch bei einer längerfristigen Bewirtschaftungsstrategie die Mietwohnungen in Einzeleigentum umgewandelt und am Ende an Kapitalanleger oder Selbstnutzer verkauft werden. BMV-Geschäftsführer Reiner Wild: „Wir appellieren daher an die Bezirke, in den Milieuschutzgebieten umfassend vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.“
Zumindest Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln sind dazu fest entschlossen: „Wenn keine Abwendungsvereinbarung vorliegt, setzen wir alle Hebel in Bewegung, um das Vorkaufsrecht auszuüben“, sagt Neuköllns Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne).
Jens Sethmann
Europäischer Expansionskurs
Heimstaden, das größte private Wohnungsunternehmen Skandinaviens, ist auf Expansionskurs. 2018 besaß die Firma mit Sitz im schwedischen Malmö noch knapp 32.000 Wohnungen in Schweden, Norwegen und Dänemark. Nach Einkaufstouren in den Niederlanden, Tschechien und Deutschland sind es mittlerweile nach eigenen Angaben 100.000 Wohnungen. So „freundlich“ wie die Firma sich selbst sieht, wird sie zumindest in Tollefsens Heimatstadt Oslo nicht wahrgenommen. Dort hat sie versucht, das Vorkaufsrecht der Stadt zu vereiteln, indem sie einen Kauf einfach verschwiegen hat. Zudem hat Heimstaden kürzlich seine Mietshäuser der Osloer Polizei als Übungsgelände für Drogenspürhunde angeboten.
js
30.03.2024