Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen, haben sich Neuköllner Mieter gedacht. Um sich gegen die Verdrängung durch einen profitorientierten Investor zur Wehr zu setzen, haben sie sich zu einem äußerst professionellen Vorgehen entschlossen. Doch das Bezirksamt ließ die Mieter im Regen stehen.
Das Gebäude Lenaustraße 23, Ecke Hobrechtstraße 62 war lange in Familienbesitz und wurde 2014 an eine Investorengruppe verkauft. Durch intensive Recherchen fanden die Mieter heraus, mit welchem Investor sie es zu tun haben. Der „Richert Group“, ein undurchsichtiges Firmengeflecht mit wechselnden Objektgesellschaften, gehört unter anderem die Hobrechtstraße 28 – ebenfalls im Reuterkiez –, wo die einschlägig bekannte Firma „Pro Saluta“ durch das Haus geht und den Mietern Abfindungen anbietet. Seit Jahren stehen etliche Wohnungen leer. Davon alarmiert, beschlossen die Mieter der Lenau-, Ecke Hobrechtstraße, frühzeitig aktiv zu werden.
Zwar haben sie bis heute nicht einmal eine Modernisierungsankündigung, doch im November 2015 gründeten sie den Verein „LeBrecht 23/62 e.V.“. „Ein Verein bietet einen größeren rechtlichen Schutz und hat eine größere Außenwirkung als eine lose Mietergemeinschaft“, erklärt der geschäftsführende Vorstand Sven Theinert. Er betont, dass man gegen eine Modernisierung nichts einzuwenden habe. Allen sei klar, dass die Mieten steigen werden. Derzeit werden die Wohnungen noch ofenbeheizt und sind entsprechend preiswert. „Aber wir wehren uns gegen Luxuseigentumswohnungen, und wir möchten hier wohnen bleiben“, erklärt er. Noch ist die Hausgemeinschaft bunt gemischt, auch eine Glaserei, ein Weinladen und die Kneipe „Lenaustuben“ gehören dazu.
Dass die Sorgen vor Verdrängung berechtigt sind, steht mittlerweile fest. Das Eckhaus wurde bereits in Eigentumswohnungen umgewandelt – und das trotz der Zusicherung des Bezirksstadtrats Thomas Blesing (SPD), dass eine Umwandlung ausgeschlossen sei. Der Bezirk Neukölln hatte den Reuterkiez im November 2015 zum Milieuschutzgebiet erklärt. Allerdings trat der Milieuschutz erst im Juni 2016 in Kraft. In der Zwischenzeit hatte der neue Eigentümer eine Genehmigung für die Umwandlung erhalten. Er habe dies beim Gespräch mit den Mietern im Februar nicht gewusst, sagt der damalige Baustadtrat.
Die 30 Mietparteien wollen weiter kämpfen. Mittlerweile hat der Fall einigen Wirbel ausgelöst. „Wir haben es geschafft, dass die Weste des Investors nicht mehr weiß ist“, sagt Theinert. Die Mieter werden alle von einer Anwaltskanzlei vertreten und haben sich eine professionelle Kalkulation für die Sanierung erstellen lassen. Zu einem direkten Gespräch war der Eigentümer bislang nicht bereit, doch nun will das Bezirksamt zum Runden Tisch einladen. An diesem werde man „sehr gern“ teilnehmen, so Rico Richert, Geschäftsführer der „Richert Group Immobilien Investments“, in einer Stellungnahme. Was man genau mit dem Haus vorhabe und wann es mit der Sanierung losgehe, könne man noch nicht sagen: „Wir sind noch in der Abstimmung.“
Birgit Leiß
03.03.2018