Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hat gegen die Deutsche Wohnen ein Bußgeld in Höhe von 14,5 Millionen Euro verhängt. Der Wohnungskonzern hat über Jahre massenhaft sensible Mieterdaten gespeichert und damit gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen.
Gehaltsbescheinigungen, Selbstauskunftsformulare, Auszüge aus Arbeits- und Ausbildungsverträgen, Steuer-, Sozial- und Krankenversicherungsdaten sowie Kontoauszüge – die Deutsche Wohnen hat Unmengen von Daten zu den persönlichen und finanziellen Verhältnissen ihrer Mieter jahrelang gespeichert, ohne zu überprüfen, ob eine Speicherung zulässig oder überhaupt erforderlich ist. Schon im Juni 2017 kam bei einer Vor-Ort-Prüfung heraus, dass die Deutsche Wohnen für die Speicherung personenbezogener Daten ein Archivsystem verwendete, das keine Möglichkeit vorsah, nicht mehr erforderliche Daten zu entfernen. Auch nach der dringenden Empfehlung der Datenschutzbeauftragten, das System umzustellen, wurden bei einer erneuten Überprüfung im März 2019 keine wesentlichen Verbesserungen festgestellt.
Darum hat die Behörde der Deutschen Wohnen Ende Oktober einen Bußgeldbescheid über 14,5 Millionen Euro geschickt. Es ist das bisher höchste Bußgeld, das nach der seit Mai 2018 geltenden DSGVO verhängt wurde. Die Höhe bemisst sich nach dem Umfang des Verstoßes und nach dem Umsatz des Unternehmens. Die Deutsche Wohnen, die über 165.000 Wohnungen bewirtschaftet, davon 110.000 in Berlin, kommt dabei sogar noch glimpflich davon – der Strafrahmen wurde nur etwa zur Hälfte ausgeschöpft.
„Datenfriedhöfe, wie wir sie bei der Deutschen Wohnen vorgefunden haben, begegnen uns in der Aufsichtspraxis leider häufig“, erklärt Maja Smoltczyk. „Die Brisanz solcher Missstände wird uns leider immer erst dann deutlich vor Augen geführt, wenn es, etwa durch Cyberangriffe, zu missbräuchlichen Zugriffen auf die massenhaft gehorteten Daten gekommen ist.“
Missbräuchliche Verwendung nicht auszuschließen
Der netzpolitische Sprecher der Berliner SPD-Fraktion Sven Kohlmeier macht auf eine weitere Gefahr aufmerksam: „Die Speicherung dieser Daten könnte auch missbräuchlich verwendet werden, zum Beispiel um anhand des Einkommens der Mieter Klagerisiken zu kalkulieren oder die Einkommenssituation für Mietpreiskalkulationen zu verwenden.“ Er kündigte an, die Deutsche Wohnen in den Datenschutzausschuss des Abgeordnetenhauses vorzuladen.
Die Deutsche Wohnen beteuert, „dass keinerlei Daten von Mietern datenschutzwidrig an unternehmensfremde Dritte gelangt“ seien und bereits 2017 „Veränderungen eingeleitet“ worden seien, um dem Datenschutz gerecht zu werden. Den Bußgeldbescheid will das Unternehmen nicht akzeptieren.
„Wer auf die Hinweise der Datenschutzbehörde nicht oder nicht hinreichend reagiert, ist offensichtlich zu einer ordentlichen Geschäftsführung nicht bereit“, stellt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), fest. Er fordert die Durchsetzung des Datenschutzes und Konsequenzen für die verantwortlichen Vorstandsmitglieder der Deutschen Wohnen. „Denn letztendlich zahlen die Mieter auch für diese Schlamperei der Deutschen Wohnen“, so Wild. „Keine Frage, die Deutsche Wohnen schürt selbst die Debatte um die Vergesellschaftung an.“
Jens Sethmann
Anonyme Umfragen?
Der Berliner Mieterverein hat schon früher vor Datenschutz-Mängeln bei der Deutschen Wohnen gewarnt. So riet er im Jahr 2017 Mietern von der Teilnahme an einer Mieterbefragung ab, weil einerseits sehr persönliche Fragen gestellt wurden und andererseits auf den Fragebögen die Kundennummern der Mietparteien vermerkt waren, die eine Rückverfolgung der Antworten ermöglicht hätten. Auch in einer in diesem Jahr erneut vorgenommenen Umfrage erschien die zugesicherte Anonymität fraglich: Die Fragebögen waren diesmal mit einer Zufallsnummer versehen. „Diese dient dazu, zu verhindern, dass wir Mieter an die Teilnahme erinnern, die die Befragung bereits abgeschlossen haben, sowie zu dem Zweck, im Falle notwendiger Maßnahmen das richtige Wohngebäude zu identifizieren, sofern mindestens fünf Mieter teilgenommen haben“, erklärt das von der Deutschen Wohnen beauftragte Unternehmen AktivBo. Vertrauenerweckend klingt das nicht gerade. Zwingende Gründe für die Nummerierung der Fragebögen sehen anders aus.
js
06.12.2021