Schritt 6: Vernetzung und Erfahrungsaustausch mit anderen Berliner Mieter-Initiativen
Einige Mieterinnen-Initiativen haben sich bereits bezirklich, teilweise auch überbezirklich vernetzt und tauschen Erfahrungen, Presseverteiler sowie Kontakte aus und planen gemeinsame Aktionen. Die Initiatoren und Sprecherinnen der bereits bestehenden Initiativen und Netzwerke laden regelmäßig ein zu Veranstaltungen, Demos, Kundgebungen und stadtpolitischen Hearings, auf denen häufig auch Bezirks- und Landespolitiker anwesend sind. Es gibt Raum für die eigenen Erfahrungen und ausreichend Beteiligungsmöglichkeiten in Bezug auf weitere Veranstaltungen.
Mindestens eine Mieter-Initiative in Berlin gibt es sicher, deren Ursprung ähnlicher oder sogar gleicher Natur ist. Sobald die Initiative aktiv ist, kommt dem Erfahrungsaustausch mit anderen Mieterinnen-Initiativen eine wichtige Rolle zu. Viele Fragen rechtlicher und politischer Natur können über die Ansprechpartnerinnen der Koordinationsstelle des Berliner Mietervereins geklärt werden. Aus den Erfahrungen anderer Initiativen lassen sich zahlreiche wertvolle Informationen darüber gewinnen, welche weiteren Schritte nötig sind, um den – leider oft notwendigen – Druck auf Vermieter, Bezirksämter etcetera auszuüben.
Berliner Mieterinitiativen
In diesen Leitfaden sind die Erfahrungen verschiedener Berliner Mieterinnen-Initiativen eingeflossen. Die arbeitsame und nervenaufreibende Zeit lohnt sich nicht nur für sich selbst, für Nachbarn, Freunde und den Heimatkiez, sondern für eine neue solidarische Kultur in Berlin, die wir uns zurückerobern wollen.
Wir vom Berliner Mieterverein wollen Sie dabei unterstützen.
Gemeinsam sind wir stark!
Die Liste der aktiven Mieter-Initiativen in Berlin ist lang. Wir danken hiermit allen Mieterinnen und Mietern dieser Stadt für ihre Solidarität und ihr großes Engagement.
Wir stellen hier einige Initiativen vor.
Braunschweiger51 e.V., Neukölln
Im September 2017 erfuhren die Mieterinnen und Mieter der Braunschweiger Straße 51, dass der alte Hauseigentümer ihr marodes Mietshaus für knapp 4 Millionen Euro an einen luxemburgischen Investor verkauft hatte. Mit Unterstützung der Neuköllner Bezirkspolitik gelang es der Hausgemeinschaft, die Anwendung des Vorkaufsrechts in Aussicht zu stellen. Der neue Eigentümer verpflichtete sich deshalb in einer Abwendungsvereinbarung, in den nächsten 20 Jahren nach den Zielen und Auflagen des sozialen Erhaltungsgebietes als Immobilieneigentümer zu handeln. Die „Braunschweiger 51“-Bewohner sind als Hausgemeinschaft zusammengewachsen und haben einen Verein gegründet, der künftige Maßnahmen des Vermieters frühzeitig prüfen und begleiten wird.
Bündnis Otto-Suhr-Siedlung und Umgebung
[BOSS&U],
Friedrichshain-Kreuzberg
Im September 2016 wurde das Mieterbündnis Otto-Suhr-Siedlung & Umgebung gegründet. Die Bewohnerinnen und Bewohner sahen sich einem hohen Verdrängungsdruck ausgesetzt, als der Vermieter – die Deutsche Wohnen AG – energetische Modernisierungsmaßnahmen für circa 3000 Wohnungen ankündigte. Mit spektakulären Protestaktionen, systematischer Vernetzung sowie gezielter Pressearbeit konnte der Druck auf Vermieter und Politik stetig erhöht werden. Die Initiative setzt sich für die vielen älteren Nachbarinnen und Nachbarn mit Rat und Tat ein und konnte insgesamt drei Modernisierungsvereinbarungen mit der Deutsche Wohnen unterzeichnen, die eine Deckelung der Umlagekosten (Mieterhöhung nach Modernisierung) und einen verbindlichen Umgang mit den sogenannten Härtefällen beinhalten.
Mieter-Initiative Gontermannstrafle 10b-60,
Tempelhof-Schöneberg
Im Februar 2017 erhielten die Bewohner der 232 Wohnungen in den Siedlungsbauten der Gartenstadt Neu-Tempelhof eine Modernisierungsankündigung. Umfassende energetische Modernisierungsmaßnahmen waren darin aufgeführt mit einem Gesamtvolumen von 6 Millionen Euro. Das hätte zu Mieterhöhungen von knapp 3 Euro pro Quadratmeter geführt. Es gelang über die Bezirkspolitik sowie mit Unterstützung aus der Landespolitik, Druck auf den Vermieter – ein börsennotiertes Wohnungsunternehmen – aufzubauen und einen Runden Tisch mit Stadtrat und Mieterinnen zu initiieren. Nach drei zähen Verhandlungsrunden, kam eine Modernisierungsvereinbarung zustande. Zusammenhalt, Protestaktionen, Einbindung der Landespolitik sowie Pressearbeit haben sich gelohnt!
Initiative der Siedlung am Steinberg,
Reinickendorf
Die denkmalgeschützte Reihenhausanlage sollte luxussaniert werden. Die Mieterinnen und Mieter sollten dafür Steigerungen ihrer Mieten von bis zu 600 Prozent in Kauf nehmen. Was die Reinickendorfer bislang nur aus den Berliner Bezirken Kreuzberg, Neukölln und Mitte kannten, traf im Jahr 2012 auch auf sie zu. Es handelt sich offenkundig um Maßnahmen, die zur „Herausmodernisierung“ der Altmieter führen sollen. Die 34 Bewohnerinnen beschlossen sich zu wehren. Ihr Protest konzentriert sich auf die möglichen Rechtswege. Mutig und unermüdlich kämpfen sich die Mieter von Gerichtstermin zu Gerichtstermin – in rund 90 Urteilen hat die Initiative Recht vor den Amts- und Landgericht bekommen. Auf ihren schwarzen Shirts steht „kein Bock auf Luxus“. Der Kampf der Mieterinnen geht weiter!
In 7 Schritten zur aktiven Mieter-Initiative
- Wozu dient dieser Leitfaden?
- 1 Kontakt zum Berliner Mieterverein
- 2 Mieterversammlung – Rechtslage ermitteln, Ziele definieren
- 3 Baurechtliche Genehmigungen von Behörden
- 4 Kontaktaufnahme mit Bezirksverwaltung und Bezirkspolitik
- 5 Informationsfluss zu relevanten Akteuren des Berliner Senats und Berliner Abgeordneten der Wohnungspolitik
- 6 Vernetzung und Erfahrungsaustausch mit anderen Berliner Mieter-Initiativen
- 7 Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Protestaktionen
- Best-Practice-Beispiele
13.03.2019