Best-Practice-Beispiele
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Mieter:innen-Geschichte Alte Schönhauser:
„Stellt uns unter Denkmalschutz!“
Die Mieter:innen in der Alten Schönhauser Straße 26 bilden seit Jahrzehnten eine lebendige Hausgemeinschaft. Die sehen sie durch den Verkauf der Hinterhäuser an einen Kapitalanleger bedroht und fordern, dass der Bezirk von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht.
Mara, Patricia, Dirk, Lima und die anderen Mieterinnen und Mieter der Alten Schönhauser Straße 26 haben uns zu einem ihrer abendlichen Planungstreffen eingeladen. Ein privater Kapitalanleger hat das Quergebäude und das Gartenhaus gekauft. Die Mieterinnen und Mieter befürchten, dass sie ihr Zuhause verlieren. Zwölf Bewohner:innen verschiedener Generationen sitzen an diesem Abend des 11. Juni 2021 in ihrem Berliner Hinterhof im Alexanderplatzviertel zusammen.
Sie sind Auszubildende, Architekt:innen, Selbstständige und Lebenskünstler:innen. Wir, Franziska und Vera vom BMV, sind auch dabei. Im Hintergrund steht noch die rostig-weiße Hollywoodschaukel, die wir bereits von den Fotos der Hausgemeinschaft „Alte Schönhauser 26“ aus den 1990er-Jahren kennen. Vom Bolzplatz hinter der Gartenmauer hören wir hin und wieder Geschrei und Jubel, von Ferne dringen Musik und das Quietschen der Straßenbahnen bis in den zweiten Hinterhof.
„Ich bin hier groß geworden und erinnere mich an viele wichtige Momente.
Hier habe ich Radfahren gelernt, meine Geburtstage gefeiert. Der Hof mit der knarzenden Hollywoodschaukel und dem hohen Bambus ist mein Zuhause.“
Lima aus dem Gartenhaus
„Es muss ein Hoffest für die Presse her“, sagt Mara in die Runde. Und die Versammelten sind sich einig, dass sie mit einem Mailing die Unterstützung von Politiker:innen einfordern wollen, damit der Bezirk Mitte sein Vorkaufsrecht tatsächlich ausübt. Dann will die Hausgemeinschaft in der Einwohnerfragestunde der kommenden Bezirksverordnetenversammlung mehr Transparenz in das entsprechende Prüfungsverfahren bringen.
Die Zeit für die Vorkaufsprüfung ist knapp
Denn Stadträte und Parteien in Mitte – so erleben es viele Hausgemeinschaften – sind aus ihrer Sicht nicht sonderlich engagiert bei der Suche nach einer städtischen Wohnungsgesellschaft oder Genossenschaft zu deren Gunsten der Bezirk sein Vorkaufsrecht ausüben kann. Sie kritisieren zudem, dass die Vorkaufsprüfung vollkommen intransparent abläuft. Die Mieter:innen der „Alten Schönhauser 26“ haben erst nach 20 Tagen von der zuständigen Abteilung des Bezirksamtes vom Verkauf ihrer Häuser erfahren. „Jetzt bleibt uns nur noch kurze Zeit, den Vorkauf zu erreichen“, sagt Patricia.
In nur zwei Monaten läuft die Frist für die Vorkaufsprüfung ab. Bis dahin muss der Bezirk den Vorkauf erklärt und einen gemeinwohlorientierten Käufer oder Käuferin gefunden haben. Oder der aktuelle Erwerber unterzeichnet eine Abwendungsvereinbarung, die die Mieter:innen zumindest 20 Jahre vor der Umwandlung ihrer Wohnungen in Eigentumswohnungen schützen soll. Allerdings ist der Käufer nicht verpflichtet so eine Vereinbarung zu unterzeichnen. Und die Inhalte sind frei verhandelbar.
„Ich will in Ruhe gelassen werden und ich will zurück zur WBM.
Von denen habe ich vor 30 Jahren meinen Mietvertrag bekommen.
Da war noch alles gut.“
Dirk aus dem Quergebäude
Die Hausgemeinschaft will keine Abwendungsvereinbarung, sie will zur Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte zurück, der die Häuser nach der Wende zunächst gehörten. „Am liebsten würden wir selbst kaufen“, da sind sich alle einig. Verständlich, doch nach den Leitlinien des Senats für Stadtentwicklung hat die Abwendungsvereinbarung Vorrang gegenüber dem Vorkauf. Ein Pokerspiel, dass die Bezirke in den vergangenen Jahren allzu oft verloren haben. Sie haben meist schlicht kein Druckmittel gegen die Käufer:innen.
Der Milieuschutz sollte die Mieter:innen eigentlich schützen
Aufgeben wollen die Mieter:innen trotzdem nicht. Die Hausgemeinschaft „Alte Schönhauser 26“ besteht schon seit Jahrzehnten, ist kunterbunt, feierfreudig und nachbarschaftlich. Das 1895 erbaute Haus, in dem sie leben, steht heute unter Denkmalschutz. Es ist eines der wenigen Mietshäuser im Scheunenviertel, das die Eigentümer:innen bislang weder luxussaniert noch umgewandelt haben.
Notgedrungen haben die Mieter:innen die Initiative ergriffen, als sie vom Verkauf ihrer Wohnungen erfuhren, und fordern den Bezirk Mitte sowie den Berliner Senat auf, ihr Zuhause zu schützen und in eines der landeseigenen Wohnungsunternehmen zu überführen. „Stellt uns unter Denkmalschutz“, fordern sie.
„Wir Mieter:innen in den beiden Hinterhäusern sind ein lebendiges Museum,
eine Gemeinschaft von 30 Jahren gemeinsam erlebten Geschichten.
Stellt uns unter Denkmalschutz.“
Friedemann aus dem Gartenhaus
Wir kennen das: Seit Jahren werden Häuser in Berlin von ihren alten Eigentümer:innen an private Kapitalanleger oder geheimnisvolle ausländische Firmengeflechte verscherbelt. In der Alten Schönhauser 26 hat ein Berliner Zahnarzt bereits vor einigen Jahren das Vorderhaus und nun auch das Quergebäude und das Gartenhaus gekauft. Für die Mieter:innen ist klar, dass sie keine Umwandlung ihrer Mietwohnungen in Eigentumswohnungen wollen. Im Vorderhaus sind Umwandlungen bereits Realität, weshalb sie umso entschlossener kämpfen wollen.
Die Hausgemeinschaft versteht ihr Zuhause als einen Ort der gelebten und diversen Kiezkultur. Ihr Haus repräsentiert genau das, was das Land Berlin eigentlich als schützenswert erachtet. Immerhin erklärte der Senat das Alexanderplatzviertel 2019 zum Milieuschutzgebiet.
„Ich habe hier die Wende miterlebt, den Umbruch in den anliegenden Straßen beobachten dürfen. Nun liegen wir im Milieuschutzgebiet Alexanderplatzviertel. Dieses Milieuschutzgebiet soll Mieterinnen wie mich vor Verdrängung schützen.
Tut es das wirklich?“
Mara, die in 30 Jahren in verschiedenen Wohnungen des Hauses gelebt hat
Uns hat der gemeinsame Abend mit der Hausgemeinschaft „Alte Schönhauser 26“ gezeigt, wie wertvoll so eine lebendige Gemeinschaft sein kann. Gemeinsam mit den Mieter:innen fordern wir den Bezirk Mitte auf, die Sorgen der Mieter:innen ernst zu nehmen, das Versprechen aus der Milieuschutzgebieterklärung einzulösen und alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Bewohner:innen vor der Verdrängung aus ihrem Zuhause zu schützen.
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Interview mit Elena Poeschl am 19.12.2018 in der Thiemannstraße 19 von der Hausgemeinschaft „BoeThie“ (Böhmische und Thiemannstraße) in Neukölln
Elena und Simone haben zusammen mit ihrer Nachbarschaft 140 Wohnungen vor dem Verkauf an einen dänischen Pensionsfonds gerettet. Mit einem ausgeklügelten Kommunikationskonzept, durchzechten Nächten und viel Herz haben sie erreicht, dass der Bezirk Neukölln für ihre Häuser in der Neuköllner Thiemannstraße, Ecke Böhmische Straße („Boe-Thie“) sein bezirkliches Vorkaufsrecht zugunsten einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft ausgeübt hat. Die beiden Frauen haben die Kommunikation der „BoeThies“, eine Pressekonferenz, eine Demo und die Vernetzung mit vielen anderen Berliner Initiativen organisiert. Wir haben sie begleitet. Das Interview führte Franziska Schulte.

Foto: Adrian Garcia-Landa
Wenn ein Mietshaus verkauft werden soll, schrillen bei den Bewohnern mittlerweile sämtliche Alarmglocken. Angesichts der horrenden Kaufpreise droht die Verdrängung durch höhere Mieten oder gar die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Immer mehr Mieter setzen daher all ihre Hoffnungen auf ein Instrument, das in Berlin erst seit einigen Jahren Anwendung findet: das bezirkliche Vorkaufsrecht in den Milieuschutzgebieten. 39 Häuser konnten dadurch bislang vor dem Zugriff von Spekulanten gerettet werden. In all diesen Fällen geschah das nur durch erheblichen Druck der Mieter. Monatelang haben sie Transparente gemalt, Ausschusssitzungen besucht, Mieterversammlungen organisiert und Politiker persönlich kontaktiert. Das MieterMagazin stellt fünf Hausgemeinschaften vor, die es geschafft haben.
Artikel aus MieterMagazin 4/2019: Erfolgsgeschichte(n): Wie Mieter ihre Häuser mit dem bezirklichen Vorkaufsrecht vor Spekulation bewahren

Die Mieterinitiative Lobeckstraße 64 setzt sich gegen die Modernisierungspläne ihres Vermieters, die Deutsche Wohnen, zur Wehr. Die zwei Aktiven Ulrich Maichle und Peter Bohlemann sprechen über ihre Arbeit.
Artikel aus MieterMagazin 4/2019:
Mieterinitiative Lobeckstraße 64:
„Rumjammern hilft nicht“
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Neuköllner Mieter_innen wehren sich gegen den Verkauf Ihres Hauses
„Alles muss man selber machen!“ Mit Herz und Seele stemmen sich die Mieter_innen der Schöneweider Sztr. 20 gegen den Verkauf ihres Hauses an einen Investor. Neukölln als Place to be für undurchsichtige Investoren und Firmengeflechte, die zu überteuerten Kaufpreisen die Kieze aufkaufen. Zahlreiche Hausgemeinschaften, Mieter_innen-Initiativen sowie Stadtteilinitiativen haben sich vor allem in den vergangenen zwei Jahren gegründet. Gemeinsam veranstalten die Initiativen und Nachbarschaften Kundgebungen, Solipartys, Hoffeste und Ausstellungen. Vor allem entwickeln sie immer wieder neue kreative Formate, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Menschen in der Schöneweider20 haben ein Video produziert und einen eigenen Song geschrieben. Seht und hört selbst! #allesmussmanselbermachen
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Inhalt laden: Das ist unser Haus – Schöneweider20
In 7 Schritten zur aktiven Mieter-Initiative
- Wozu dient dieser Leitfaden?
- 1 Kontakt zum Berliner Mieterverein
- 2 Mieterversammlung – Rechtslage ermitteln, Ziele definieren
- 3 Baurechtliche Genehmigungen von Behörden
- 4 Kontaktaufnahme mit Bezirksverwaltung und Bezirkspolitik
- 5 Informationsfluss zu relevanten Akteuren des Berliner Senats und Berliner Abgeordneten der Wohnungspolitik
- 6 Vernetzung und Erfahrungsaustausch mit anderen Berliner Mieter-Initiativen
- 7 Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Protestaktionen
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07.07.2021