Leitsatz:
Für eine formell ordnungsgemäße Begründung einer Eigenbedarfskündigung reicht es aus, die Eigenbedarfsperson zu benennen und das Interesse darzulegen, das diese an der Erlangung der Wohnung hat. Ob dieses Interesse wirklich besteht, ist keine formelle, sondern eine inhaltliche Frage.
BGH vom 9.2.2021 – VIII ZR 346/19 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 6 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter hatte den Mieter aufgrund einer Eigenbedarfskündigung auf Räumung der ihm im Jahr 2016 vermieteten Wohnung mit einer Fläche von 62 qm (monatliche Nettokaltmiete 750 Euro) in Anspruch genommen. In dem Kündigungsschreiben vom 30.7.2017 wurde ausgeführt, der Sohn des Vermieters benötige die Wohnung, weil er einen größeren Wohnraumbedarf habe und insbesondere für seine regelmäßigen Home-Office-Tätigkeiten ausreichend Platz brauche.
Amtsgericht und Landgericht wiesen die Räumungsklage ohne Beweisaufnahme mit der Begründung ab, die Kündigung sei bereits mangels ausreichender Begründung nach § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB aus formellen Gründen unwirksam.
Die Angabe, dass der Sohn des Vermieters eine größere Wohnung benötige und deshalb in die Wohnung des Mieters einziehen wolle, genüge nicht. Vielmehr seien konkrete Angaben zu der bisherigen Wohnung des Sohnes nach Größe und Anzahl der Zimmer erforderlich. Denn der Mieter müsse in die Lage versetzt werden, den geltend gemachten Bedarf anhand der Angaben im Kündigungsschreiben zumindest überschlägig zu überprüfen; insoweit genügten die mitgeteilten und nicht durch ausreichende Tatsachen belegten „Leerformeln“ nicht.
Im Zuge des Verfahrens über die von den Vermietern eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH erklärten die Parteien den Rechtsstreit für erledigt. Der BGH hatte noch über die Kosten zu entscheiden.
Für die Kostenentscheidung kam es darauf an, ob die Nichtzulassungsbeschwerde zu einer Zulassung der Revision geführt hätte und wie der Rechtsstreit im Anschluss ausgegangen wäre. Der BGH ging davon aus, dass die Nichtzulassungsbeschwerde voraussichtlich zur Zulassung der Revision geführt hätte, weil das Landgericht die Anforderungen an eine formell ordnungsgemäße Begründung einer Eigenbedarfskündigung deutlich überspannt habe.
Das Berufungsgericht habe nicht auf den entscheidenden Gesichtspunkt abgestellt, ob der Kündigungsgrund in dem Kündigungsschreiben ausreichend individualisiert worden sei, so dass er von anderen Kündigungsgründen unterschieden werden könne.
Eine solche Individualisierung des Kündigungsgrundes werde vorliegend durch das Kündigungsschreiben jedoch offensichtlich ermöglicht. Denn es werde sowohl die Bedarfsperson, der Sohn des Vermieters, benannt als auch das Interesse, das letzterer an der Wohnung habe, nämlich dass er aufgrund von Home-Office-Tätigkeiten größeren Raumbedarf habe. Das genüge als Begründung. Denn eine solche Individualisierung ermögliche es dem Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen wolle, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund auszurichten, dessen Auswechselung dem Vermieter durch das Begründungerfordernis gerade verwehrt werden solle. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts diene das Begründungserfordernis nicht dazu, dem Mieter durch Angabe von Details eine Überprüfung des vom Vermieter geltend gemachten Bedarfs zu ermöglichen oder ihn schon im Vorfeld eines etwaigen späteren Kündigungsprozesses auf rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten hinzuweisen. Vielmehr sei die Frage, ob der identifizierbar angegebene Kündigungsgrund tatsächlich bestehe, eine Frage der materiellen Begründetheit der Kündigung, die im Falle eines Bestreitens durch den Mieter im Prozess im Rahmen einer Beweisaufnahme zu klären sei.
27.03.2022