Leitsätze:
1. Zieht der Vermieter irrtümlich über einen Zeitraum von drei Jahren einen geringeren als den mietvertraglich ausgewiesenen Mietzins ein, so reicht dieser Umstand allein noch nicht für eine Verwirkung des vollständigen Mietzinsanspruchs aus. Treten während dieses Zeitraums Mängel auf, beruft sich der Mieter aber nicht auf sein Mietminderungsrecht, kann er dieses auch nicht mehr dem Anspruch des Vermieters auf Nachzahlung der Mietzinsdifferenz entgegenhalten.
2. Die gesamte Kautionsvereinbarung ist nichtig, wenn die Kaution in Höhe von drei Monatsmieten mit Vertragsabschluss in einer Summe zu leisten ist. Der Mieter hat dann schon während des laufenden Mietverhältnisses einen Anspruch auf Rückzahlung der ohne Rechtsgrund erbrachten Kautionssumme.
LG Potsdam, Urteil vom 13.2.03 – 11 S 177/02 –
Mitgeteilt von RA Friedrich-Wilhelm Lohmann
Urteilstext
Aus den Gründen:
… Die Höhe des Mietzinsanspruchs der Klägerin richtet sich nach dem in § 2 Ziffer 1 a – d des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages festgelegten Mietzins und nicht nach dem in den Mietvertrag einbezogenen Fördervertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Klägerin. In dieser Klausel wurde die Höhe des Mietzinses und der Staffel unter Angabe eines genauen Betrages festgelegt. Zwar wurde in dem Mietvertrag auch auf den Fördervertrag Bezug genommen. Eine Unklarheit, die zu Lasten der Klägerin geht, ergibt sich angesichts der genauen Bezifferung der Miethöhe im Vertrag aber nicht. Im Übrigen wird auch in dem Fördervertrag zwischen Mietern, die Bundesbedienstete sind und solchen, die es nicht sind und zu denen auch die Beklagten gehören, unterschieden und werden unterschiedliche Mieten ausgewiesen.
Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung der Mietzinsen ist auch nicht verwirkt. Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Die Beklagten durften vorliegend nicht darauf vertrauen, dass die Klägerin Nachzahlungen unter Zugrundelegung des tatsächlich vereinbarten Mietzinses nicht mehr geltend machen werde. Zwar hat die Klägerin mehr als drei Jahre lang einen zu geringen Mietzins eingezogen. Auch entspricht der eingezogene Betrag summenmäßig dem Mietzins, den ein Bundesbediensteter unter Zugrundelegung des Fördervertrages nach Ablauf von zwei Jahren zu zahlen hätte. Dies allein reicht ohne weiteres Verhalten der Klägerin aber nicht aus, um einen Vertrauenstatbestand dahingehend zu begründen, dass die Beklagten davon ausgehen durften, die Kläger zögen gerade deshalb den geringeren Mietzins ein, weil sie sie wie Bundesbedienstete behandeln wollten. Die Beklagten wussten, dass sie keine Bundesbediensteten waren und dass sie einen Mietvertrag abgeschlossen hatten, der eine betragsmäßig genau bezifferte Miete auswies. Angesichts dessen mussten sie auch in Betracht ziehen, dass der Einzug der Miete, die nicht der bezifferten vertraglichen Vereinbarung entsprach, versehentlich erfolgte und die Klägerin mit Nachforderungen auf sie zukommen werde, sobald der Fehler bemerkt werde.
Die Beklagten sind auch nicht zur Minderung des Mietzinses berechtigt. Sie sind angesichts des Umstandes, dass sie über drei Jahre lang keine Mängel gegenüber der Klägerin geltend gemacht und sich nicht auf ein Minderungsrecht berufen haben, mit Gewährleistungsrechten ausgeschlossen.
§ 539 BGB a.F. ist entsprechend anwendbar, wenn der Mieter während der Mietzeit einen Mangel erkennt, den Mietvertrag aber dennoch ohne Vorbehalt seiner Gewährleistungsrechte ohne jeden Widerspruch fortsetzt, insbesondere den Mietzins in voller Höhe vorbehaltlos weiter bezahlt. In einem solchen Fall sind Minderungsrechte auch für die Zukunft verwirkt. Zwar liegt hier eine vorbehaltlose Zahlung des Mietzinses nicht vor, denn der volle Mietzins wurde auf Grund des fehlerhaften Einzugs seitens der Klägerin nie gezahlt. Insofern konnten die Beklagten durch ihr Zahlungsverhalten auch nur zum Ausdruck bringen, dass ihnen die Wohnung die gezahlte beziehungsweise die von der Klägerin eingezogene Miete Wert war. Es ist aber nicht allein die vorbehaltlose Zahlung des Mietzinses Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 539 BGB a.F. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit dem Verhalten des Mieters ein Verzicht auf die Gewährleistungsrechte zu entnehmen ist (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. III Rn 1412 ff). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier von einer Verwirkung der Gewährleistungsrechte auszugehen. Die Beklagten, die nach ihrem eigenen Vortrag selbst davon ausgingen, die richtige Miete werde eingezogen, haben drei Jahre lang ohne Widerspruch das Mietverhältnis fortgesetzt. Sie haben der Klägerin gegenüber zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, sich Gewährleistungsrechte wegen Mangelhaftigkeit der Mietsache offenhalten zu wollen oder auch nur etwaige Mängel angezeigt. Aus diesem Verhalten ist auf einen Verzicht der Minderungsrechte zu schließen.
Die Forderung der Klägerin ist durch die Hilfsaufrechnung der Beklagten in Höhe der geleisteten Kaution von 1964,89 Euro zuzüglich der unstreitig bis zum 7. Oktober 2002 aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 366,78 Euro, insgesamt also in Höhe von 2331,67 Euro erloschen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die mietvertragliche Kautionsabrede insgesamt unwirksam, so dass den Beklagten hinsichtlich der geleisteten Kaution ein aufrechenbarer Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zustand.
Nach § 3 Abs. 3 des Mietvertrages war die Kaution in Höhe von drei Monatsmieten mit Vertragsschluss in einer Summe zu leisten. Eine solche Klausel läuft der insoweit zwingenden Regelung des § 550 b Abs. 1 S. 3 BGB a.F., nach der der Mieter zu drei gleichen monatlichen Teilleistungen berechtigt ist, zuwider und ist dementsprechend unwirksam (LG Potsdam MM 2002, 54; OLG Hamburg WM 1991, 385). Die Unwirksamkeit der Klausel erfasst diese auch insgesamt. Insoweit folgt die Kammer nicht der zum Teil vertretenen Auffassung (zum Beispiel Münchener Kommentar/Voelsko, 3. Aufl. § 550 b Rn 16), dass lediglich Teilunwirksamkeit dergestalt eintritt, dass nur der von § 550 b abweichende Teil der Vereinbarung nichtig sei, der Mieter jedoch weiterhin zur Kautionszahlung verpflichtet bleibt. Folgte man dieser Ansicht, so würde der Zweck der Vorschrift jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Mieter die Kaution zu Beginn des Mietverhältnisses geleistet hat, ins Leere gehen. Der Vermieter wäre in diesem Fall rechtlich so gestellt wie bei wirksamer Vereinbarung einer Einmalzahlung, da er ja durch die Kaution voll abgesichert wäre. Den Mieter in diesem Fall auf einen Schadensersatzanspruch zu verweisen, entspricht nicht dem Schutzzweck der Norm. …
Anmerkung
Siehe Beitag Anmerkung zum Urteil des LG Potsdam vom 13. Februar 2003
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09.05.2017