Leitsatz:
Zur Frage, welche Anforderungen an den substanziierten Vortrag des Mieters zu stellen sind, der sich auf eine Mietminderung wegen Gebrauchsbeeinträchtigungen aufgrund umfangreicher Sanierungsmaßnahmen am Nachbarhaus beruft.
AG Mitte vom 16.9.2013 – 20 C 126/13 –
Mitgeteilt von RAin Ute Malinowski
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging um die Darlegung der Voraussetzungen für eine Mietminderung wegen umfangreicher Baumaßnahmen in dem der Mietwohnung gegenüberliegenden Gebäude. Das Amtsgericht kam in dem Verfahren unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Mieter der Darlegungslast, wie sie vom BGH in der Entscheidung vom 25.10.2011 (VIII ZR 125/11) gefordert wird, genügt hatten.
Die Mieter hätten für das Bauvorhaben K.-Straße 37 eine Komplettsanierung mit Umbaumaßnahmen angegeben, die mit Vorbereitungsmaßnahmen im Februar 2011 begannen und ab Mai 2011 tagtäglich beginnend morgens spätestens um 7.00 Uhr bis mindestens abends 17.30 Uhr durch Emissionen infolge Hämmern, Bohren, Bauschuttumschaffungen gekennzeichnet waren. Teilweise sei an kompletten Samstagen gearbeitet worden, und damit seien Staub- und Schmutzbelastungen einhergegangen, die zu einer Unbenutzbarkeit des Balkons und dessen eingeschränkter Bepflanzung ebenso geführt hätten wie das Öffnen des Fensters zur Straßenseite über notwendige Lüftungsmaßnahmen hinaus, bei denen eindringender Staub zusätzliches Säubern erforderlich gemacht habe, ausgeschlossen gewesen sei. Auch bei geschlossenen Fenstern habe eine Lärmbelastung geherrscht, die ein normales Wohnverhalten von Ruhezeiten, Mediennutzung und Gesprächen eingeschränkt beziehungsweise ausgeschlossen habe. Darüber hinaus wurden für Juni und Juli 2011 unter anderem Fassadenarbeiten, Fenstereinbau, Container- und Baukranaufstellung sowie Flex- und Bohrarbeiten angegeben, ebenso die Anbringung einer Wärmedämmung.
Dieser nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügender Beschreibung von der Baustelle ausgehender Sachmängel war die Vermieterin nicht hinreichend entgegengetreten. Das pauschale Bestreiten sei unzureichend, weil die Vermieterin oder ihre Hausverwaltung, deren Kenntnis von der Baustelle die Vermieterin sich zurechnen lassen muss, sich hätte informieren und zu den aufgeführten Arbeiten im Juni und Juli und den sich hieraus resultierenden Beeinträchtigungen ausdrücklich hätte erklären können und müssen.
Die Vermieterin hätte deshalb konkret darzulegen gehabt, weshalb von der unstreitig vorhandenen Baustelle hier (ausnahmsweise) keinerlei üblicherweise anzunehmende Beeinträchtigungen in Form von Schmutz und Lärm (mehr) ausgegangen sein sollen. Diesen erforderlichen konkreten Gegenvortrag blieb die Vermieterin vorliegend schuldig, sodass mit dem benachbarten Bauvorhaben eine nicht unerhebliche Lärm- und Schmutzbeeinträchtigung in den hier maßgeblichen Monaten Juni und Juli 2011 einhergegangen sei und gemäß § 138 ZPO als unstreitig zu behandeln sei.
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Urteilstext
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist überwiegend begründet.
Unstreitig steht den Klägern aus der Nebenkostenabrechnung vom 26. November 2012 ein Guthabenbetrag in Höhe der Klageforderung zu, der fällig ist.
Dieser fällige Zahlungsanspruch ist nicht durch mit Schriftsatz vom 12.06.2013 aufgezeigte Aufrechnung gem. § 389 BGB erloschen, denn die Beklagte hat für die Monate Juni und Juli 2011 keinen Gegenanspruch auf Zahlung ausstehenden Mietzinses in Höhe von 122,61 €. In beiden Monaten war die monatliche Miete von 557,49 € um 75,37 € bzw. 47,34 € gemäß § 536 BGB kraft Gesetzes gemindert.
Mit den Baumaßnahmen in dem gegenüberliegenden Gebäude in der K. Straße 37 ist eine nicht unerhebliche Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit der Mietsache der Parteien einhergegangen, die die geltend gemachte Mietminderung von ca. 13,51 % rechtfertigt. Für diese nicht unerhebliche Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit sind die Kläger darlegungs- und beweispflichtig und genügen mit den dargestellten Tatsachen ihrer Vortragslast nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes mit Beschluss vom 25. Oktober 2011 – VIII ZR 125/11 (zitiert nach juris). Danach genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung oder einen bestimmten Minderungsbetrag braucht er hingegen nicht vorzutragen. Von ihm ist auch nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen hinaus die – ihm häufig nicht bekannte -Ursache dieser Symptome bezeichnet. Für einen substantiierten Vortrag ist es nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht erforderlich, dass die Kläger die Dauer der Beeinträchtigungen im Einzelnen schildern und zudem darlegen, ob dadurch auch die von ihnen benutzte Wohnung betroffen war. Mittels eines beschriebenen und ggf. mit Lichtbildern belegten Zustandes kann ein Mieter den in dem hiervon ausgehenden Beeinträchtigungen liegenden Sachmangel hinreichend darlegen (zitiert nach juris; Rd Nr. 24). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Kläger. Sie geben für das Bauvorhaben K. Straße 37 eine Komplettsanierung mit Umbaumaßnahmen an, die mit Vorbereitungsmaßnahmen im Februar 2011 begannen und ab Mai 2011 tagtäglich beginnend morgens spätestens um 7.00 Uhr bis mindestens abends 17.30 Uhr durch Emissionen infolge Hämmern, Bohren, Bauschuttumschaffungen gekennzeichnet waren. Teilweise sei an kompletten Samstagen gearbeitet worden und damit seien Staub- und Schmutzbelastungen einhergegangen, die zu einer Unbenutzbarkeit des Balkons und dessen eingeschränkte Bepflanzung ebenso geführt hätten wie das Öffnen des Fensters zur Straßenseite über notwendige Lüftungsmaßnahmen hinaus, bei denen eindringender Staub zusätzliches Säubern erforderlich gemacht habe, ausgeschlossen gewesen sei. Auch bei geschlossenen Fenstern habe eine Lärmbelastung geherrscht, die ein normales Wohnverhalten von Ruhezeiten, Mediennutzung und Gesprächen eingeschränkt bzw. ausgeschlossen habe. Aus der Anlage 6 zum Schriftsatz vom 15. Juli 2013 werden für Juni und Juli 2011 u.a. Fassadenarbeiten, Fenstereinbau, Container- und Baukranaufstellung sowie Flex- und Bohrarbeiten angegeben ebenso wie die Anbringung einer Wärmedämmung. Dieser nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügender Beschreibung von der Baustelle ausgehender Sachmängel tritt die Beklagte im Rahmen des § 138 ZPO nicht hinreichend entgegen. Das pauschale Bestreiten ist unzureichend, weil die Beklagte bzw. ihre Hausverwaltung, deren Kenntnis von der Baustelle die Klägerin sich zurechnen lassen muss, sich hätte informieren und zu den aufgeführten Arbeiten im Juni und Juli und den sich hieraus resultierenden Beeinträchtigungen ausdrücklich hätte erklären können und müssen. Zumal ihre Hausverwaltung mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 konkrete Informationen und Kenntnisse gehabt haben muss, um mitteilen zu können, dass die Arbeiten Ende Dezember 2011 in der Außenanlage beendet sein würden. Beklagtenseits wäre deshalb konkret darzulegen gewesen, weshalb von der unstreitig vorhandenen Baustelle hier (ausnahmsweise) keinerlei üblicherweise anzunehmenden Beeinträchtigungen in Form von Schmutz und Lärm (mehr) ausgegangen sein sollen. Diesen erforderlichen konkreten Gegenvortrag bleibt die Beklagte schuldig, so dass mit dem benachbarten Bauvorhaben eine nicht unerhebliche Lärm- und Schmutzbeeinträchtigung in den hier maßgeblichen Monaten Juni und Juli 2011 einhergegangen und gem. § 138 ZPO als unstreitig zu behandeln ist.
Die vorgenommene Mietminderung von ca. 13,51 % in den Monaten Juni und Juli 2011 stellt sich im Rahmen des § 287 ZPO als angemessen dar. Gerade in den Sommermonaten ist die mietvertraglich geschuldete Benutzung des Balkons nahezu aufgehoben gewesen ebenso wie eine Öffnung der Wohnung nach draußen zu einer milden Witterung. Jedenfalls bedurfte es für diese Monate auch keiner weiteren Differenzierung, denn bei umfangreichen Bauarbeiten ist es zulässig, selbst ohne konkrete Darlegung des Mieters bezüglich des qualitativen und quantitativen Ausmaßes der jeweiligen Bauarbeiten eine feste Minderungsquote für die gesamte Dauer des Bauvorhabens zuzusprechen, auch wenn in einzelne Zeiten keine besonders starken Störungen stattfinden ( so KG GE 2001, 620 f). Diese feste und gem. § 287 ZPO angemessene Quote ist mit der von den Klägern geltendgemachten Minderung nicht überschritten.
Entgegen der von der Beklagten vertreten Auffassung sind die Kläger mit der geltend gemachten Mietminderung im Falle von Bauarbeiten im Innenstadtbereich nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Mieter im Regelfall ohnehin damit rechnen muss, dass es im weiteren und näheren Umfeld seiner Wohnung – etwa durch Neubau, Umbau oder Sanierung von Gebäuden , Straßen oder ähnlichem, durch Wechsel oder Zuzug von neuen (Gewerbetreibenden) Nachbarn etc. – zu Veränderungen kommt, die sich auf die Mietsache nachhaltig auswirken können. Ein Ausschluss der Minderung kommt vielmehr nur in Betracht, sofern bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses konkrete Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten vorgelegen haben, wie z.B. bei einer Lage im ausgewiesenen Sanierungsgebiet oder bei baufälligen Gebäuden, erneuerungsbedürftigen Fassaden oder bei nahe gelegenen Baulücken (vgl. LG Berlin GE 2013, 552). Entsprechende konkrete Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 22. Juni 1991 sind nicht vorgetragen. Die Beklagte verweist insoweit mit Schriftsatz vom 05. August 2013 darauf: „Das Haus in der K.straße 37 wies bereits bei Einzug der Kläger in ihre jetzige Wohnung erkennbare Beschädigungen auf. Es war für die Kläger daher klar erkennbar, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, wann dieses Haus einer Grundsanierung zugeführt werden würde. Es wäre auch völlig lebensfremd anzunehmen, dass ein Haus in einer solchen Lage dauerhaft dem Verfall ausgesetzt sein würde. Aufgrund der bereits im Jahre 1999 absehbaren Entwicklung der Stadt Berlin ist und war es demnach für die Kläger erkennbar, dass es nicht kommenden Jahren auf dem Grundstück der K. Straße 37 zu Bauarbeiten kommen wird….“ Dieser Vortrag ist in seiner Pauschalität ohne konkrete Beschreibung der „erkennbaren Beschädigungen“ zu pauschal, um damit die erforderlichen „konkreten Anhaltspunkte“ und zwar für „bevorstehende Bauarbeiten“ in naher Zukunft und nicht irgendwann darzutun. Der erforderliche substantiierte Sachvortrag zu Art, Umfang und Intensität solcher „konkreter Anhaltspunkte“ wird durch die fotografischen Abbildungen der Anlage B 2 nicht zureichend ersetzt, ohne dass vorgetragen wird, wann diese fotografischen Abbildungen gefertigt worden sind. Da es bereits an dieser Angabe fehlt kommt es auf das Bestreiten der Kläger, dass die Abbildungen den Zustand des Nachbargebäudes in der K. Straße 37 am 22. Juni 1999 wiedergäben, nicht an, so dass rechtliches Gehör darauf der Beklagtenseite nicht mehr zu gewähren gewesen ist. Darüber hinaus müssen die erkennbaren Schäden und Baumängel einen solchen Umfang und eine solche Intensität haben, dass sie bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bevorstehende Bauarbeiten hinreichend wahrscheinlich machen und das muss bedeuten, dass sie zeitnah zu erwarten stehen. Andernfalls würde die Regelung des § 536 BGB ausgehöhlt, weil für jedes Bauwerk zu irgend einer Zeit mit etwaigen Instandsetzungsmaßnahmen bzw. Modernisierungsmaßnahmen gerechnet werden muss, die sich auf jedes davon betroffene Mietverhältnis gebrauchsbeeinträchtigend auswirken können. Der Zeitablauf von ca. 11, 5 Jahren seit Mietvertragsschluss bis zum Beginn der Baumaßnahmen spricht deshalb dafür, dass das Nachbargebäude in der K. Straße 37einem üblichen Verfall ausgesetzt und noch nicht so baufällig war, dass seine umgehende und zumindest zeitnahe Sanierung in wenigen und nicht erst nach 10 Jahren notwendig wurde.
Die geltend gemachten Verzugszinsen sind nach der Mahnung vom 5. März 2013 unter Fristsetzung bis zum 30. März 2013 gemäß §§ 286, 288 BGB begründet und im übrigen unbegründet.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
30.06.2017