Leitsatz:
In einem tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall bedarf ein durch eine Hausverwaltung vertretener Vermieter für die Abfassung einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung eines Wohnungsmietvertrags keiner anwaltlichen Hilfe. Die Kosten für einen gleichwohl beauftragten Rechtsanwalt sind dann vom Mieter nicht zu erstatten.
LG Berlin vom 28.9.2018 – 65 S 97/18 –
Mitgeteilt von RA Norbert Wilke
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter wollte vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 650,34 Euro vom Mieter erstattet haben. Unstreitig befand sich der Mieter mit der Miete für die Monate September und Oktober 2017 in voller Höhe sowie mit der Augustmiete in Höhe von 404,34 Euro im Rückstand. Das anwaltliche Kündigungsschreiben enthielt neben dem einleitenden Hinweis auf die Vertretung des Vermieters die Erklärung der fristlosen, hilfsweise der ordentlichen Kündigung wegen der Mietrückstände in Höhe von 2255,92 Euro sowie die Aufforderung zur geräumten Herausgabe der Räume und schließlich den Widerspruch gegen eine stillschweigende Vertragsfortsetzung nebst Klageandrohung für den Fall, dass nicht fristgerecht geräumt werde.
Das Landgericht verneinte den Schadensersatzanspruch des Vermieters.
Zwar umfasse ein Schaden im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen und adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten. Doch habe der Schädiger nicht schlechthin sämtliche durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
Dabei gelte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei der Kündigung wegen Mietzahlungsverzugs, dass in einfach gelagerten Fällen, bei denen mit rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten nicht zu rechnen sei, der Vermieter eine erstmalige Geltendmachung seiner Rechte grundsätzlich selbst vornehmen könne, und dass es unter diesen Umständen zur sofortigen Einschaltung eines Rechtsanwalts zusätzlicher Voraussetzungen in der Person des Vermieters, wie etwa – eines Mangels an geschäftlicher Gewandtheit oder einer Verhinderung zur Wahrnehmung seiner Rechte bedürfe. Hiernach sei vorliegend ein Mitverschulden des Vermieters gegeben. Denn es liege hier mit der Kündigung wegen Zahlungsverzuges ein einfacher Fall vor.
Der Vermieter habe vorliegend für die Verwaltung des Objekts eine Hausverwaltung eingeschaltet, die ausweislich der mit der Kündigung überreichten Vollmachtsurkunde nicht nur zur Einziehung von Mieten, sondern darüber hinaus auch zur gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung der Rechte im Zusammenhang mit der Verwaltung und Bewirtschaftung des Objekts bevollmächtigt war. Die Verwaltung sei zudem zu Änderungen und Abschluss von Mietverträgen und – ausdrücklich – auch zur Kündigung bevollmächtigt.
Eine irgendwie erkennbare Schwierigkeit der hier betroffenen Rechtssache lasse sich dem Text der anwaltlichen Kündigung nicht entnehmen. Insbesondere sei weder vorgetragen noch erkennbar, dass eine umfassend bevollmächtigte Hausverwaltung zu der Erklärung dieser Kündigung wegen Zahlungsverzuges mit mehr als zwei Monatsmieten nicht in der Lage gewesen wäre.
Urteilstext
Gründe:
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form-·und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist unbegründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte – wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt – kein Anspruch auf Zahlung der mit dem Berufungsantrag weiterverfolgten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 650,34 € zu; §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 249 ff BGB.
Zwar liegen die Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs vor, weil die beklagte Mieterin sich – unstreitig – mit der Zahlung der Miete für die Monate September und Oktober 2017 in voller Höhe sowie mit der Augustmiete in Höhe von 404,80 € im Rückstand befand. Im Hinblick auf den im Mietvertrag vereinbarten Leistungszeitpunkt für die Mietzahlungen (§ 5 Nr. 1 des Mietvertrages) befand sich die Mieterin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung vom 24.10.2017 auch im Zahlungsverzug im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Vorliegend befand sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung – im Oktober 2017 – mit mehr als zwei vollständigen Monatsmieten im Verzug.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung umfasst ein Schaden im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen und adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten (BGH Urteil vom 18.07.2017- VI ZR 465/16, zitiert nach juris; dort Rn. 6; BGH Urteil vom 10. Januar 2006 – VI ZR 43/05, zitiert·nach juris; dort Rn. 10). Dabei hat der Schädiger nicht schlechthin sämtliche durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH aaO).
Es ist höchstrichterlich geklärt, dass ein Schädiger dabei nur solche Kosten zu ersetzen hat, die aus der ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person in der Situation des Geschädigten nach den Umständen des Falles zur Wahrung und Durchsatzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteile vom 6. April 1976 – VI ZR 246/74, BGHZ 66, 182, 192; vom 30. April 1986 – VIII ZR 112/85, WM 1986, 1056 unter IV; vom 8. November 1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350 f; vom 6. Oktober 2010 – VIII ZR 271/09, aaO Rn. 9). Dabei obliegt die Prüfung der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der ergriffenen Maßnahme – die nicht generalisierend beantwortet werden kann – dem Tatrichter unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 – VIII ZR 277/11 -, Rn: 4, juris; BGH, Urteile vom 6. April 1976 – VI ZR 246/74, aaO S. 193; vom 9. März 2011 – VIII ZR 132/10, WuM 2011, 214 Rn. 23). Dabei gilt dies auch hinsichtlich der Anforderungen an die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Mietzahlungsverzugs (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2010 – VIII ZR 271/09, aaO Rn. 10), dass in einfach gelagerten Fällen, bei denen mit rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten nicht zu rechnen ist, der Geschädigte eine erstmalige Geltendmachung seiner Rechte grundsätzlich selbst vornehmen kann, und dass es unter diesen Umständen zur sofortigen Einschaltung eines Rechtsanwalts zusätzlicher Voraussetzungen in der Person des Geschädigten, wie etwa – eines Mangels an geschäftlicher Gewandtheit oder einer Verhinderung zur Wahrnehmung seiner Rechte bedarf (BGH, Urteil vom 8. November 1994 – VI ZR 3/94, aaO S. 352 mwN).
Vorliegend ist ein Mitverschulden des Klägers gegeben. Es liegt mit der Kündigung wegen Zahlungsverzuges ein einfacher Fall vor.
Nach § 254 BGB hängt – sofern bei der Entstehung des Schadens – ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dies gilt nach dessen Absatz 2 auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern.
Der Kläger hatte vorliegend für die Verwaltung des Objekts eine Hausverwaltung eingeschaltet, die ausweislich der mit der Kündigung überreichten Vollmachtsurkunde nicht nur zur Einziehung von Mieten, sondern darüber hinaus auch zur gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung der Rechte im Zusammenhang mit der Verwaltung und Bewirtschaftung des Objekts bevollmächtigt war und ist. Die Verwaltung ist zudem zu Änderungen und Abschluss von Mietverträgen und – ausdrücklich – auch zur Kündigung bevollmächtigt.
Das anwaltliche Kündigungsschreiben vom 24.10.2017 enthält neben dem einleitenden Hinweis auf die Vertretung des Vermieters die Erklärung der fristlosen, hilfsweise der ordentlichen Kündigung wegen der Mietrückstände in Höhe von 2.255,92 € sowie die Aufforderung zur geräumten Herausgabe der Räume und schließlich den Widerspruch gegen eine stillschweigende Vertragsfortsetzung nebst Klageandrohung für den Fall, dass nicht fristgerecht geräumt wird.
Eine irgendwie erkennbare Schwierigkeit der hier betroffenen Rechtssache lässt sich dem Text der anwaltlichen Kündigung nicht entnehmen. Insbesondere ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass eine – entsprechend den vorstehenden Ausführungen umfassend bevollmächtigte – Hausverwaltung zu der Erklärung dieser Kündigung wegen Zahlungsverzuges mit mehr als zwei Monatsmieten nicht in der Lage gewesen wäre.
Insbesondere bestand zu diesem Zeitpunkt keine Schwierigkeit in Bezug auf die Rechtsprechung der Zivilkammer 66 zum Verhältnis von fristloser und fristgemäßer Kündigung. Soweit hier erkennbar, stammen die Entscheidungen der Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin, die dem BGH vorlagen, vom 13.10.2017 sowie vom 15.11.2017. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im Berufungstermin unbestritten angegeben, dass seine Bevollmächtigung am 17.10.2017 erfolgt sei. Die Pressemitteilung des Kammergericht bezogen auf die Entscheidung vom 13.10.2017 datiert vom 19.10.2017 (15.23 UH), so dass vor der Vollmachtserteilung an den Rechtsanwalt schon keine Irritation in Bezug auf die von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Entscheidung der Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin entstehen konnte. Dass der BGH inzwischen unter Hinweis auf seine dazu stets so bestehende Rechtsprechung entschieden hat, konnte seinerzeit selbstverständlich nicht berücksichtigt werden (wie der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 19.09.2018 zu VIII ZR 261/17 – entnommen werden konnte).
Letztlich tritt hinzu, dass die aus der Entscheidung der Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin zu ziehende Konsequenz – auch seinerzeit – nur sein konnte, wie bisher -·insoweit in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – zu verfahren und neben der fristlosen hilfsweise die ordentliche Kündigung zu erklären und die höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten. Nicht anders ist auch der beauftrage Rechtsanwalt verfahren.
Der Umstand, dass – wie die Klägerin in der Berufung anführt – die Erwiderungsschriftsätze im Prozess hervorgebracht hätten, dass ein ungewöhnliches Zahlungsverhalten der Mieterin bestanden habe, führt zu keiner anderen Bewertung. Auch dieses spätere prozessuale Verhalten der Mieterin war bei Kündigungsausspruch noch nicht bekannt und konnte daher die gegebene Sachlage – das Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung – nicht zu einer schwierigen Sachlage machen.
Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
17.06.2019