Stand: 3/13
Mit großer Sorge sehen die Mieter eines Hauses häufig einem bevorstehenden Dachausbau entgegen. Besonders zu leiden haben in der Regel die Mieter des obersten Stockwerks, weil sie den Folgewirkungen am dichtesten ausgesetzt sind. Beim Dachausbau verbleiben die Mieter in der Regel in ihren Wohnungen. Die Auswirkungen der Bauarbeiten (Lärm und Dreck) belasten daher besonders. Im obersten Geschoss ist herabstürzender Deckenputz eine normale Begleiterscheinung ebenso wie eindringendes Wasser, weil das offene Dach nicht korrekt abgedeckt wurde.
Die gängigsten Probleme werden kurz vorgestellt:
- Besitzrechte an den Dachräumen
- Kündigung von Mietwohnungen im Zusammenhang
mit dem Ausbau von Dachräumen - Ist der Dachgeschossausbau gegen den Willen der Mieter des Hauses möglich?
- (teilweise) Umlage der Baukosten auch auf die übrigen Mieter des Hauses
- Gewährleistungsrechte der Mieter während der Bauphase (Mängelbeseitigung)
- Gewährleistungsrechte der übrigen Mieter nach Fertigstellung der Dachwohnung
- Wohnwertänderung durch Dachgeschossausbau –
Berücksichtigung bei Mieterhöhung nach § 558 BGB - Neuer Umlegungsmaßstab für die Abwälzung der Betriebskosten
nach Fertigstellung der Dachwohnung
1. Besitzrechte an den Dachräumen
Vielfach steht der Dachboden ungenutzt leer und es hat niemand ein Nutzungs- oder Mietrecht an Teilen desselben. Kündigungen sind somit nicht erforderlich.
Anders ist dies in folgenden Fällen:
Unentgeltliche Nutzungsrechte
Wird dem Wohnungsmieter zur unentgeltlichen Nutzung ein Wirtschaftsraum zur Verfügung gestellt, der nicht vom Mietvertrag erfasst wird, so besteht neben diesem Mietverhältnis ein als Leihvertrag anzusehendes unentgeltliches Nutzungsverhältnis. Auch kann die lange Nutzung eines nicht gemieteten Abstellraumes durch den Mieter ein Besitzrecht für ihn begründen. Solchermaßen genutzte Räume kann der Vermieter – vorbehaltlich anderslautender vertraglicher Vereinbarungen – jederzeit zurückfordern. (vgl. § 605 Nr. 1 BGB; ggf. § 812 BGB ff.).
Separater Mietvertrag über den Dachraum oder dessen Teile
Ist ein eigenständiger Mietvertrag über den Dachboden oder Teile davon (zum Beispiel Holzverschlag) abgeschlossen, so ist der Mietvertrag bis zum Ablauf der vereinbarten Mietzeit durch den Vermieter nicht kündbar. Hier wäre ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag Voraussetzung für den Beginn der Bauarbeiten. Ist ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen, so ist die Kündigung dieses Mietverhältnisses – vorbehaltlich anderslautender mietvertraglicher Regelungen – mit den kurzen Kündigungsfristen des § 580 a BGB jederzeit möglich.
Dachboden oder Teile desselben als mitvermieteter Nebenraum
Wird der Dachboden – oder Teile desselben – im Rahmen des Mietvertrages über eine Wohnung im Hause überlassen, so ist eine Teilkündigung nur des Dachbodens grundsätzlich (!) nicht möglich. Im Übrigen muss der Mieter sein Recht zur Benutzung des Dachbodens glaubhaft machen, wenn der Vermieter behauptet, die Benutzung zum Beispiel nur aus Gefälligkeit (dann Fall oben) gestattet zu haben. Entzieht der Vermieter einen solchermaßen genutzten Raum dem Mieter, indem er zum Beispiel ein neues Schloss einbaut, stellt dies verbotene Eigenmacht dar und kann überdies den Straftatbestand des § 240 StGB (Nötigung) erfüllen. Bei widerrechtlichem Entzug des Dachbodens besteht ein Anspruch des Mieters auf Wiedereinräumung des Besitzes gegebenenfalls im Wege der einstweiligen Verfügung. Sind „vollendete Tatsachen“ geschaffen worden, besteht gegebenenfalls ein Anspruch gegen den Vermieter auf Zurverfügungstellung von Ersatzraum.
Die Möglichkeit der Teilkündigung – auch von Dachräumen – unter den Voraussetzungen des § 573 b BGB erläutert unser Info Nr. 108 „Teilkündigung“.
2. Kündigung von Mietwohnungen im Zusammenhang mit dem Ausbau von Dachräumen
Kommt eine Teilkündigung des Dachraumes nach § 573 b BGB nicht in Betracht, so ist zu fragen, ob dann vielleicht die Kündigung des gesamten Mietvertrages (Wohnung und Dachraum) nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB („Hinderung wirtschaftlicher Verwertung“) möglich ist. Dies ist eindeutig zu verneinen: Die Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dürfte spätestens an dem Tatbestandsmerkmal „Nachteil“ scheitern, wenn der Mieter auf die weitere Nutzung der Dachräume und auf das Besitzrecht daran verzichtet. Das weitere Verfolgen der Kündigung durch den Vermieter in einem solchen Falle wäre dann rechtsmissbräuchlich.
Sonderfall: „Maisonnette-Wohnung“
Anders stellt sich der Fall dar, wenn der Vermieter den ausgebauten Dachraum zusammen mit der darunterliegenden Wohnung zu einer so genannten Maisonnette-Wohnung zusammenlegen will. Es ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass die Zusammenlegung von Wohnraum grundsätzlich ein Kündigungsgrund nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB darstellen kann. Allein der Wunsch des Vermieters, eine Maisonnette-Wohnung im Hause anzulegen, reicht aber für eine wirksame Kündigung nicht aus. Vielmehr muss der Vermieter nachweisen, dass der derzeitige Zustand für ihn unrentabel ist; dazu bedarf es im Zweifel einer Wirtschaftlichkeitsberechnung hinsichtlich der nach dem Umbau erzielbaren Einnahmen und entstehenden Ausgaben, die den ohne Umbau erzielbaren Einnahmen und entgegenstehenden Ausgaben gegenübergestellt werden müssen. Der Vermieter erleidet keinen erheblichen Nachteil, wenn ohne Umbau des Hauses bei Fortsetzung der bisherigen Nutzung eine – wenn auch geringe – Rendite erwirtschaftet wird.
Sonderfall: „Umsetzung“
Muss die unter dem Dachraum liegende Wohnung zum Zwecke des Dachgeschossausbaus aus technischen Gründen vorübergehend geräumt werden, so liegt hierin kein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Auflösung des Mietverhältnisses. Eine Kündigung nach § 573 BGB aus diesem Grunde scheidet aus.
3. Ist der Dachgeschossausbau gegen den Willen der Mieter des Hauses möglich?
Im Prinzip schon. Auf den Willen oder die Einstellung der Mieter braucht ein bauwilliger Vermieter (leider) keine Rücksicht zu nehmen. Jedoch gelingt kein Dachgeschossausbau ohne die Mitwirkung mindestens einzelner Mietparteien: So müssen Versorgungsleitungen meistens durch vermietete Wohnungen gezogen werden. Die Frage lautet also richtigerweise: Muss ein Mieter dulden, dass durch seine Wohnung Leitungen gezogen werden, die der Versorgung des ausgebauten Dachraums dienen?
Das Gesetz hat diese Streitfrage in § 555 b Nr. 7 2 BGB i.V.m. § 555 d Abs 1 BGB entschieden. Danach sind auch „Maßnahmen zur Schaffung neuen Wohnraums“ wie normale Modernisierungen der modifizierten Duldungspflicht des § 555 d BGB unterworfen. Wohnwertverbesserungen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Dachgeschosses, die auch den übrigen Mietern des Hauses zugute kommen (z.B. Einbau eines Aufzuges, Verstärkung der Steigleitungen), müssen ja ohnehin geduldet werden, soweit – es sich um wertverbessernde oder energieeinsparende Maßnahmen handelt, – die Maßnahmen ordnungsgemäß angekündigt wurden und – keine individuellen Härtegründe in der Person des Mieters oder seiner Familie gegeben sind . Zu den Einzelheiten der Duldungspflicht, der Ankündigungserfordernisse des Vermieters, der unzumutbaren Härten für den Mieter, dem Aufwendungsersatzanspruch des Mieters und seinem Sonderkündigungsrecht finden Sie mehr in unserem Info Nr. 13 „Modernisierung“.
Sonderproblem: Mangelnde „Vermieter-Identität“ bei Eigentumswohnungsanlagen
Hinter diesem Problem verbirgt sich folgender Sachverhalt: Bei dem Haus handelt es ich um ein in Wohnungseigentum aufgeteiltes Mehrfamilienhaus, wobei Eigentümer des Dachgeschosses und der darunterliegenden vermieteten Eigentumswohnung zwei verschiedene Personen sind. Mietrechtliche Ansprüche (§ 555 d BGB) kann der das Dachgeschoss ausbauende Eigentümer gegenüber dem die darunterliegende Wohnung bewohnenden Mieter mangels mietvertraglicher Beziehungen nicht geltend machen. Der Eigentümer der Wohnung wiederum kann Ansprüche aus § 555 d BGB deshalb nicht geltend machen, weil § 555 c BGB voraussetzt, dass die Baumaßnahmen vom „Vermieter“ angekündigt werden. Das Recht des Vermieters auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen gem. § 555 d BGB ist nicht abtretbar (vgl. LG Berlin MM 99, 169). Somit ergibt sich: Auch wenn der Eigentümer der unteren Wohnung aus Wohnungseigentumsrecht verpflichtet ist, den Anschluss der Dachgeschosswohnung an die Hausleitungen zu ermöglichen, kann er dies faktisch nur im Wege einvernehmlicher Regelung mit dem Mieter erreichen. Möglicherweise wäre er gezwungen, den sich sträubenden Mieter gem. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu kündigen, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen (siehe oben unter 2.).
4. (teilweise) Umlage der Baukosten auch auf die übrigen Mieter des Hauses
Wohnwertverbesserungen
11 Prozent der Baukosten können jährlich nach Maßgabe des § 559 BGB auf diejenigen Mietparteien anteilig umgelegt werden, die in den Genuss von Wertverbesserungen gekommen sind. Im Zusammenhang mit dem Dachgeschossausbau ist hier vor allem an die Anlage eines Aufzugs und an die Installation von verstärkten Steigleitungen zu denken. Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte unserem Info Nr. 13 „Modernisierung“.
Sonstige Baumaßnahmen
Baumaßnahmen in der Wohnung des Mieters, die keine Wertverbesserung darstellen, führen auch zu keiner Mieterhöhung. Dies gilt zum Beispiel für die Durchführung von Versorgungsleitungen der Dachgeschosswohnung durch die Wohnung des Mieters.
5. Gewährleistungsrechte der Mieter während der Bauphase (Mängelbeseitigung)
Bei während der Bauphase auftretenden (Bau)-Mängeln oder Lärmbelästigungen stehen den Mietern des Hauses die Rechte aus den §§ 535 ff. BGB zu. Voraussetzung ist die unverzügliche Anzeige der Mängel durch den Mieter (§ 536 c BGB). Bei schwerwiegenden Mängeln kann auch das Berliner Wohnungsaufsichtsgesetz Schutz bieten.
Mängelbeseitigungsanspruch
Wohl folgende Sachverhaltsgruppen sind es, die im Rahmen von Dachgeschossausbaumaßnahmen den im Hause wohnenden Mietern Sorge bereiten und wo ein Instandsetzungs- = Mängelbeseitigungsanspruch gegeben ist:
- Die widerrechtliche Entfernung von bisher genutzten und mietvertraglich zugesicherten Einrichtungen löst einen Wiederherstellungsanspruch des Mieters aus. Beispiele: Anspruch auf Wiederherstellung des abgerissenen Schornsteins, um weiterhin die in der Wohnung installierten Kachelöfen benutzen zu können; Wiederanbringung der vom Vermieter entfernten Antennenanlage; einstweilige Verfügung.
- Grobe Verschmutzungen des Treppenhauses durch die Bauhandwerker geben dem Mieter einen Anspruch auf regelmäßige Reinigung.
- Baulärm in den Ruhezeiten stellt einen Mietmangel dar und kann gegebenenfalls durch einstweilige Verfügung gerichtlich untersagt werden.
- Wasserschäden oder Putzschäden an der Decke der Wohnung müssen vom Vermieter unverzüglich beseitigt werden.
- Verzögerung der Bauarbeiten.
Der Vermieter hat für die Verursacher der Belästigungen (die Baufirmen) einzustehen (§ 278 BGB).
Minderung
Bei allen oben geschilderten Mietmängeln tritt neben den Beseitigungsanspruch noch das Recht des Mieters, die Miete so lange zu mindern, wie der Mangel besteht. Höchst umstritten und eine Frage des jeweiligen Einzelfalles ist es, in welcher Höhe die Miete gemindert werden darf.
Achtung Kündigung!
Ein Mieter setzt sich der Gefahr einer (fristlosen) Kündigung aus, wenn er sich ohne Einholung von kompetentem Rechtsrat bei Grund und Höhe der Minderung verschätzt (siehe Info Nr. 12).
Schadensersatz
Die Schadensersatzansprüche des Mieters gegen den Vermieter bei Mängeln richten sich nach § 536 a Abs. 1 BGB, der drei Alternativen enthält. Für Unfälle oder andere Schäden, die aus der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht resultieren, hat der Mieter obendrein gemäß § 823 BGB i.V.m. § 831 BGB Schadensersatzansprüche gegenüber der verursachenden Baufirma. Ein Schadensersatz ist insoweit unproblematisch, wenn der Auftraggeber für die Bauarbeiten mit dem Vermieter des geschädigten Mieters identisch ist. Der Mieter stellt auch in diesem Fall seine Ansprüche gegen den Vermieter. Die Baufirmen sind lediglich Erfüllungsgehilfen des Vermieters.
Schwieriger stellt sich die Situation dar, wenn mit dem Dachausbau eine Eigentumswohnung geschaffen wird und dem Mieter ein Einzeleigentümer gegenübersteht, mit dem er kein Vertragsverhältnis hat. In diesem Fall muss sich der Mieter wegen der Folgeschäden an die Baufirma wenden, es sei denn, die Firma ist als besonders schlampig arbeitend bekannt und der Eigentümer hätte dies wissen müssen. Dann trifft ihn das Verschulden.
Eigenvornahme
Kommt der Vermieter der Aufforderung, die Mängel zu beseitigen nicht nach, kann der Mieter ihn in Verzug setzen und hernach die Mängel selbst beseitigen lassen und die Kosten dem Vermieter in Rechnung stellen bzw. mit der Miete aufrechnen (§ 536 a Abs. 2 BGB).
6. Gewährleistungsrechte der übrigen Mieter nach Fertigstellung der Dachwohnung
Nach Fertigstellung der Dachgeschosswohnung treten häufig Mängel auf, die beim Gebrauch der Wohnung entstehen. Zu nennen sind hier vor allem Belästigungen durch Tritt- und Rohrschall. Den belästigten Mietern stehen die unter 5. geschilderten Rechte auch hier zu.
Ist der Ausbau des Dachgeschosses Ursache für eine starke Lärmbelästigung durch Trittschallgeräusche, so richtet sich die Bewertung dieser Geräusche als mietvertraglicher Mangel nach den zum Zeitpunkt des Dachgeschossausbaus maßgeblichen technischen Normen.
7. Wohnwertänderung durch Dachgeschossausbau – Berücksichtigung bei Mieterhöhung nach § 558 BGB
Ist ein durch Dachgeschossausbau verursachter Mangel (zum Beispiel erhöhter Trittschall oder Rohrschall) nicht behebbar, kann dies auch ein wohnwertminderndes Merkmal darstellen, welches bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558 BGB durch einen Abzug zu berücksichtigen ist. Umgekehrt kann der Dachgeschossausbau auch zu einer Wohnwerterhöhung der darunterliegenden Wohnung führen (zum Beispiel bessere Wärmedämmung, Einbau eines Aufzugs etc.).
8. Neuer Umlegungsmaßstab für die Abwälzung der Betriebskosten nach Fertigstellung der Dachwohnung
Wird die Wohnfläche durch den Ausbau des Dachgeschosses vergrößert, müssen die bisherigen Betriebskosten im Verhältnis der alten und der neu hinzugekommenen Flächen verteilt werden, so dass sich eine Senkung für die bisherige Abrechnungsfläche ergibt und alle Wohnungen gleichermaßen an den Betriebskosten beteiligt werden. Betriebskostensteigerungen dürfen sodann auf die Gesamtfläche verteilt werden (strittig).
Eine Steigerung der Versicherungskosten durch Erhöhung des Gebäudewerts kann auch dann auf alle Mieter des Hauses umgelegt werden, wenn die Steigerung teilweise oder sogar überwiegend auf dem Dachgeschossausbau beruht (strittig).
09.06.2018