Leitsätze:
Penetranter Uringeruch aus der verwahrlosten Nachbarwohnung, in der eine ältere und allein stehende Mieterin lebt, berechtigt selbst bei heißer Witterung zu keiner höheren Mietminderung als um 5 Prozent der Nettokaltmiete.
Sowohl die allgemeine wie auch die nachbarliche Rücksichtnahme auf die Schwächen und Gebrechen eines alternden Mitmenschen gebieten eine höhere Toleranz, so dass trotz einer die Erheblichkeitsgrenze weit übersteigenden Geruchsbelästigung keine höhere Quote als 5 Prozent anzusetzen ist.
AG Charlottenburg, Urteil vom 17.3.04 – 231 C 647/03 –
Mitgeteilt von RA Sebastian Bartels
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Eine Minderung anlässlich eines Schabenbefalls ist nicht gegeben. Das Gericht ist zwar nicht der Auffassung, dass Schaben in einem Altbau als allgemein üblich und hinnehmbar anzusehen sind, die vom Beklagten zu 1) vorgelegte Zahl rechtfertigt es aber nicht, von einem „massiven Schabenbefall“ zu sprechen. In der Zusammenschau mit dem Befund des Kammerjägers liegt daher eine Situation vor, die insoweit die Unerheblichkeitsschwelle des § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht überschreitet. Anders verhält es sich mit dem Uringeruch. Dieser war auch an einem nasskalten Februartag in der Wohnung der Beklagten merklich, wenn auch nicht penetrant oder Ekel erregend. In Anbetracht dessen, dass der Ortstermin von den Parteien offensichtlich vorbereitet worden war, die Wohnung der Nachbarin sich aufgeräumt und ordentlich und diese selbst sich freundlich-zugewandt präsentierte, obgleich die Klägerin sich nach ihrem Bekunden vorher den Zugang zu deren Wohnung erst gerichtlich hatte verschaffen müssen, sieht es das Gericht als erwiesen an, dass zu anderen Zeiten und bei heißer Witterung die Beeinträchtigung erheblich stärker ist und die Unerheblichkeitsschwelle übersteigt. Darauf, dass die Klägerin die Immission nicht wirksam unterbinden konnte und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen um eine Renovierung zur Besserung der Situation bemüht ist, kommt es nicht an, da die Haftung des Vermieters für den Zustand der Mieträume nicht vom Vertretenmüssen abhängt. Andererseits kann für die nach § 287 Abs. 1 ZPO analog vorzunehmende Schätzung einer Minderungsquote nicht unberücksichtigt bleiben, dass sowohl die allgemeine wie auch die nachbarliche Rücksichtnahme auf die Schwächen und Gebrechen eines alternden Mitmenschen eine erhöhte Toleranz gebietet. Das Gericht setzt sie daher mit 5 Prozent an, was bei einer Nettokaltmiete von 495,44 Euro einem monatlichen Minderungsbetrag von 24,77 Euro entspricht. Wegen der resultierenden Differenz zwischen geschuldeter und tatsächlich gezahlter Miete von 222,60 Euro bzw. 4 x 222,81 Euro war die Klageforderung daher zuzusprechen. …
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14.06.2016