Leitsatz:
Bauarbeiten an dem Shopping- und Freizeitcenter Alexa berechtigen Mieter des gegenüberliegenden Hauses zu einer Mietminderung von 15 Prozent und nachdem die Bauarbeiten auch des Nachts fortgeführt wurden, zu einer Mietminderung in Höhe von 30 Prozent. [n.rkr.]
AG Mitte, Urteil vom 11.1.07 – 7 C 147/06 –
Mitgeteilt von RA Uwe Thieß
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Mietzinsanspruch gemäß § 535 Abs. 2 BGB in Höhe von 1.454,87 Euro für die Zeit von Januar 2005 bis Februar 2006 zu, weil der Mietzins in dieser Zeit aufgrund der durchgeführten Bauarbeiten gemäß § 536 Abs. 1 BGB über den von der Klägerin zugestandenen Umfang gemindert war. Der sich danach ergebende Mietzinsanspruch der Klägerin ist durch die von den Beklagten vorgenommenen Zahlungen bereits erfüllt.
Unstreitig fanden in dem streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber dem Gebäude, in welchem die Wohnung der Beklagten gelegen ist, Bauarbeiten an dem Shopping- und Freizeitcenter Alexa statt, die der Klägerin bekannt waren. Durch die Bauarbeiten, die regelmäßig täglich und darüber hinaus nach der unbestrittenen Darstellung der Beklagten vom 22.4.2005 an im 24-Stunden-Betrieb stattfanden, kommt es zu den üblicherweise hiermit verbundenen Staub- und Schmutzbeeinträchtigungen, die auch dazu geführt haben, dass der Balkon der Beklagten nicht mehr nutzbar war. Die nächtlichen Bauarbeiten führten zu einer Beeinträchtigung der Wohnung der Beklagten durch Flutlichteinstrahlungen und unstreitig wurden entgegen der unstreitig erteilten Ausnahmegenehmigungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung während der Nachtzeit Arbeiten vorgenommen, die von den Genehmigungen nicht gedeckt waren. Im streitgegenständlichen Zeitraum wurde die ursprünglich auf dem Baugelände vorhandene Betonparkfläche aufgerissen und die davor liegende Straßenfläche der Alexanderstraße mit Presslufthämmern bearbeitet. Es wurden 100 Bäume gefällt und eine 5 m tiefe Baugrube ausgehoben, die unter Einsatz von Dampframmen mit Metallblechen ausgekleidet wurde. Es folgten weitere Tiefbauarbeiten, die ebenso wie die weiteren Bauarbeiten zu Lärmbeeinträchtigungen in der Wohnung der Beklagten geführt haben. Gleiches gilt für die Arbeiten an der Fernwärmetrasse sowie der Betonagearbeiten sowie der Arbeiten zur Herstellung der Verpresspfähle.
Soweit die Klägerin die Ausführung dieser Bauarbeiten sowie die Beeinträchtigungen in Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung mit Nichtwissen bestritten hat, ist dies gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig. Denn die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin des streitbefangenen Objektes und konnte und musste sich angesichts der ihr bekannten Bautätigkeit selbst ein Bild hiervon machen und sich danach ausdrücklich zu den ausgeführten Arbeiten und Beeinträchtigungen erklären. Sie kann sich nicht darauf zurückziehen vorzutragen, sie verfüge diesbezüglich über keine Erkenntnisse. Das schlichte Bestreiten der auch nächtlichen Bauarbeiten ist angesichts der unstreitig erteilten Ausnahmegenehmigungen zum nächtlichen Betrieb der Baustelle unschlüssig und widersprüchlich.
Rechtlich unerheblich ist ebenso die pauschale Behauptung der Klägerin, die Wohnung sei erheblich von der Baustelle entfernt. Unstreitig befindet sich die Wohnung direkt gegenüber der Baustelle und wird von ihr nur durch die Alexanderstraße getrennt. Dies wird durch die von den Beklagten eingereichten Fotografien nachweislich belegt. Im übrigen gehen unstreitig sämtliche Fenster der Wohnung mit Ausnahme der Küchenfenster in Richtung Alexanderstraße, so dass der durch die Bauarbeiten verursachte Lärm ohne weitere Schallhemmung die Wohnräume erreicht.
Gleichfalls ohne Substanz ist die Behauptung der Klägerin, aufgrund der Lage der Wohnung in einem der oberen Geschosse seien Beeinträchtigungen ausgeschlossen. Baulärm ist bekanntermaßen nicht nur am Erdboden vernehmbar, sondern der Schall trägt die Geräusche auch in höhere Lagen.
Der Einwand der Klägerin, eine weitergehende Minderung könne schon deshalb nicht in Betracht kommen, da die Beklagten auch sonst aufgrund der unstreitig stark befahrenen und wegen der Bauarbeiten teilweise gesperrten Alexanderstraße mit Lärm in ihrer Wohnung konfrontiert wären, führt nicht zum Erfolg. Der Gedanke der „Lärmkompensation“ trägt nicht, da die Klägerin unberücksichtigt lässt, dass Baulärm in dem streitgegenständlichen Umfang für den Mieter eine andere Art der Beeinträchtigung darstelle als Autolärm aufgrund fließenden Verkehrs (so auch LG Leipzig GE 2005, 993; Schmidt/Futterer a.a.O., § 536 RZ 88).
Aufgrund der vorbeschriebenen Bauarbeiten und der hierdurch bewirkten Beeinträchtigungen, die in Anlage B 6 in einzelne Bauphasen untergliedert wurde, hält das Gericht eine Minderung von 15 % für die Zeit vom 1.1.2005 bis 22.4.2005 (Beginn der Nachtbauarbeiten) und in Höhe von 30 % für den weiteren Zeitraum aufgrund der auch nächtlich durchgeführten Bauarbeiten für angemessen. Bei der Bemessung der Minderungsquoten hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass die nächtlichen Arbeiten aufgrund der erteilten Ausnahmegenehmigungen den Zeitraum bis zum Morgen durchgehend ausschöpften und somit fortdauernd über Monate eine ungestörte Nachtruhe nicht möglich war. Gerade Geräuschbelästigungen in der Nacht stellen sich aufgrund der verringerten sonstigen Umgebungsgeräusche und dem Ruhebedürfnis des Schlafenden als eine erhebliche Beeinträchtigung dar. Dies gilt um so mehr, als Baulärm bekanntermaßen nicht gleichförmig ist und aufgrund des schwankenden Lärms als besonders störend wahrgenommen wird.
Bei der Berechnung der Minderung geht das Gericht nach der Rechtsprechung des BGH von der Bruttowarmmiete aus. …
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21.12.2016