Die Verdrängungsprozesse in Berlin setzen sich fort. Problemquartiere mit hoher Arbeitslosigkeit und einer erschreckenden Kinderarmut sind immer häufiger am Stadtrand zu finden. Aber auch Nachkriegssiedlungen im innerstädtischen Bereich sind betroffen. Das belegt der kürzlich veröffentlichte Bericht Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2015.
Der Senat, der die Daten zur sozialen Lage in Berlin alle zwei Jahre vorlegt, wertet die Ergebnisse überwiegend positiv. Die soziale Benachteiligung habe abgenommen. Gegenüber 2013 ist die Zahl der „Gebiete mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf“ von 51 auf 43 zurückgegangen. Indikatoren sind (Langzeit)-Arbeitslosigkeit, Transferbezug und Kinderarmut, wobei nicht nur der Ist-Zustand („Status“) erfasst wird, sondern auch die Veränderungen in den letzten zwei Jahren („Dynamik“).
Besonders benachteiligt sind Quartiere in Kreuzberg-Nordost, Neukölln-Nord, Nord-Hellersdorf, Nord-Marzahn, Spandau-Mitte sowie Wedding/Moabit. Neu hinzugekommen sind neun Problemgebiete, darunter das Gelbe Viertel in Hellersdorf, die Paul-Hertz-Siedlung in Charlottenburg und das Märkische Viertel in Reinickendorf. Zu den Aufsteigern gehören dagegen Beusselkiez, Huttenkiez und die Zille-Siedlung in Moabit sowie der Körnerpark in Neukölln. Insgesamt, so räumt man beim Senat ein, sei eine anhaltende räumliche Konzentration sozialer Benachteiligung festzustellen.
Trotz Rückgangs der Arbeitslosigkeit ist der Anteil der Transferleistungsempfänger konstant geblieben. Offenbar bremse der Billiglohnsektor die Entwicklung, heißt es dazu beim Berliner Mieterverein (BMV). Auch die Anzahl der Planungsräume mit sehr niedrigem Status ist gleich geblieben. „Wir warnen vor einer vorschnellen Bewertung der positiven Dynamik in manchen innerstädtischen Quartieren. Denn dahinter verbirgt sich zumeist eine Gentrifizierung, die zum Teil auch mit der Verdrängung von Haushalten mit geringem Einkommen erkauft wird“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Besonders gut sei dies in Neukölln ablesbar, wo angesichts steigender Mieten in den Szenekiezen immer mehr ärmere Haushalte nach Britz oder Rudow ziehen müssen.
Angesichts der zunehmenden Spaltung in Arm und Reich müssten vor allem die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften durch Vermietung an einkommensschwache Haushalte für die Berliner Mischung sorgen, meint der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto. Sein Vorschlag: Lediglich ein Drittel der Wohnungen soll an Haushalte ohne besondere Bedürftigkeit vergeben werden.
Birgit Leiß
28.10.2024