Rund 1000 Menschen gingen am 10. September auf die Straße, um gegen Verdrängung und den Ausverkauf der Stadt zu demonstrieren. Vor der eigentlichen Mietenstopp-Demonstration hatte ein Aktionsbündnis zu einer „Tour der Entmietung“ aufgerufen. Das Motto: „Wir besuchen Häuser, in denen Sie nicht leben wollen.“
Die Initiatoren wissen, wovon sie reden. Unter den unzumutbaren Zuständen in der als „Horror-Haus“ bekannt gewordenen Grunewaldstraße 87 in Schöneberg litten nicht nur die Bewohner, sondern die ganze Straße. Mittlerweile ist das Medieninteresse erlahmt, die Wanderarbeiter, mit denen der Eigentümer die Wohnungen überbelegt hatte, wurden vor die Tür gesetzt. Doch die Probleme sind damit für die Alt-Mieter nicht gelöst. Viele sind bereits ausgezogen. Notwendige Reparaturen werden, wenn überhaupt, per Ersatzvornahme durch das Bezirksamt vorgenommen.
Besonders empört sind die verbliebenen Mieter, dass das Bezirksamt trotz Milieuschutz unlängst Abgeschlossenheitsbescheinigungen erteilt hat. Der Antrag war kurz vor Inkrafttreten der Verordnung gestellt worden. Einer Umwandlung in Eigentumswohnungen steht somit nichts mehr im Wege – sofern das Bezirksamt nicht doch von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht. „Dafür wollen wir kämpfen, wir lassen uns nicht vertreiben“, betonen die Mieter.
Mit einem Fahrradkorso ging es an diesem Samstag zu anderen „Problemimmobilien“. Weit musste man nicht fahren. In der Kulmer Straße 1-4/Alvenslebenstraße 12/12a werden Mieter systematisch hinausgedrängt, weil ihre Wohnungen verkauft werden sollen. Der Eigentümer, die Firma Tarsap, fahre die Strategie „Entmietung durch Verwahrlosung“. Weil die Lüftungsanlagen in den Bädern nicht repariert werden, gebe es Schimmel. Immer wieder komme es zu Wasserrohrbrüchen, zeitweise wurde der Müll nicht abgeholt. Wer sich beschwert oder die Miete mindert, wird mit Kündigungen überzogen. Vom Bezirksamt gebe es trotz der gesundheitsgefährdenden Zustände kaum Unterstützung.
Ganz andere Erfahrungen haben die Mieter der Eisenbahnstraße 44/Muskauer Straße 11 gemacht, der dritten Station bei der Tour der Entmietung. Weder für den Einbau von Gasetagenheizungen noch für die geplante Wärmedämmung des Gründerzeithauses wurde bislang eine Genehmigung erteilt. „Das Bezirksamt unterstützt uns sehr, aber man muss den Behörden ständig auf die Füße treten, sonst passiert gar nichts“, so eine Mieterin. Allerdings ist es dem Eigentümer gelungen, den Milieuschutz zu umgehen, indem er sich verpflichtete, sieben Jahre nur an Mieter zu veräußern. In diesem Fall muss die Behörde die Umwandlung in Eigentumswohnungen genehmigen. Doch die Mieter geben sich kämpferisch. Bisher ist noch niemand ausgezogen, trotz der angekündigten Mietsteigerungen.
Zum Abschluss der Aktion wurde am Startplatz der Demo eine „Wall of Shame“ aufgebaut. Die Plakatwand macht auf weitere Entmietungsfälle in der Stadt aufmerksam.
Birgit Leiß
05.02.2018