Wenn die Bauarbeiter plötzlich beginnen, den Balkon abzureißen oder der Fahrstuhl im Hochhaus tagelang außer Betrieb ist, kann man sich unter Umständen mit einer einstweiligen Verfügung zur Wehr setzen. Bei Modernisierungen lässt sich dadurch sogar ein Baustopp erwirken. Doch eine solche Vorgehensweise ist nicht ohne Risiko.
Eine einstweilige Verfügung zu beantragen, kommt nur in ganz dringlichen Fällen in Betracht. Ein klassisches Beispiel: Im Zuge der Bauarbeiten sollen die Schornsteinzüge stillgelegt werden, obwohl die Mieter der Modernisierung noch gar nicht zugestimmt haben. Oder der Vermieter will einen Fahrstuhl einbauen, wodurch die Küchenfenster wegfallen würden. Schnelle gerichtliche Hilfe ist auch nötig, wenn ein Zwischenumsetzmieter mitbekommt, dass der Vermieter gerade dabei ist, seine Wohnung an jemand anderes zu vermieten. Es geht also darum zu verhindern, dass Fakten geschaffen werden, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Eine einstweilige Verfügung kann auch erlassen werden, wenn andernfalls ein nicht wiedergutzumachender Schaden oder Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen entstehen würde. Das gilt etwa für die Kappung der Wasserversorgung oder das Abstellen der Heizung.
Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung ist immer die Eilbedürftigkeit – und die muss glaubhaft dargelegt werden. „Daher darf man auch nicht zu lange warten, bevor man etwas unternimmt“, erklärt Stefan Schetschorke, Leiter der Rechtsabteilung des Berliner Mietervereins (BMV). Eine einstweilige Verfügung ist auf jeden Fall die schnellste Möglichkeit, den Vermieter von eigenmächtigem oder rechtswidrigem Handeln abzuhalten. Gerichtsprozesse dauern dagegen Monate, wenn nicht Jahre. „Außerdem kann man über einen sofortigen Baustopp Druck ausüben und die Verhandlungsbereitschaft des Vermieters erhöhen“, beschreibt Schetschorke einen weiteren Vorteil dieses Instruments. Allerdings handelt es sich – wie der Name schon sagt – um einen vorläufigen Rechtsschutz. Man sollte sich daher nicht zu früh freuen, wenn eine einstweilige Verfügung bei Gericht durchgeht. Eine endgültige Entscheidung ist damit nicht verbunden.
Risiko Schadensersatz
Doch wie funktioniert das ganz praktisch? Zuständig sind die bezirklichen Amtsgerichte, dort stehen für den Eilfall Bereitschaftsrichter zur Verfügung, auch am Wochenende. Der Mieter muss eine eidesstattliche Erklärung über den Sachverhalt abgeben. „Das Problem ist, dass der Richter das in aller Regel nicht prüft, das heißt, er tritt nicht in die Beweisaufnahme ein“, erklärt Frank Maciejewski, Rechtsexperte beim BMV. Das ist deswegen riskant, weil falsche Angaben Schadensersatzansprüche nach sich ziehen können. Wer beispielsweise wahrheitswidrig angibt, er habe keine Modernisierungsankündigung bekommen, muss mit Schadensersatzforderungen rechnen. Voraussetzung ist natürlich, dass dem Vermieter überhaupt ein Schaden entstanden ist. Bei einer Bauverzögerung dürfte das unstrittig der Fall sein. Schadensersatzansprüche sind zudem möglich, wenn das Anliegen von Anfang an unberechtigt ist oder wenn die Rechtslage falsch eingeschätzt wurde. „Wenn aufgrund der Rechtsprechung klar ist, dass der Mieter beispielsweise die Modernisierungsmaßnahme letztendlich dulden muss, wäre das Beantragen einer einstweiligen Verfügung unberechtigt“, so Maciejewski.
Meist ergeht die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung innerhalb weniger Tage. Aber der Richter kann auch die Gegenseite zum Antrag anhören und erst dann eine Verfügung erlassen. Mit der Zustellung an den Vermieter ist die einstweilige Verfügung vollzogen und muss befolgt werden. Ansonsten droht ein Ordnungsgeld. Wenn der Vermieter Rechtsmittel einlegt, kommt es zu einem sogenannten Hauptsacheverfahren. Und hier ist wieder alles offen.
Birgit Leiß
Notfalls auch ohne Anwalt
Eine einstweilige Verfügung ohne juristischen Beistand durchzufechten, ist definitiv nicht zu empfehlen. Der Königsweg wäre: Zuerst den Sachverhalt in der Mieterberatung besprechen und dann zum Anwalt seiner Wahl gehen. Da es sich um ein gerichtliches Verfahren handelt, wird letzteres nicht von den Rechtsberatern des Berliner Mietervereins übernommen. Wenn es jedoch nicht anders geht, etwa weil die Sache sehr eilig ist und der Gang zum Anwalt zu lange dauern würde, kann man die Sache auch selber in die Hand nehmen. Zuständig ist das Amtsgericht des Bezirks, in dem man wohnt. Dort sitzen Rechtspfleger, die beim Formulieren Hilfestellung geben. Für die Richtigkeit übernehmen sie jedoch keine Gewähr.
bl
20.12.2018