Unter Verdrängung und Mietpreisexplosion leiden nicht nur Wohnungsmieter, sondern auch kleine Gewerbetreibende, Künstler und Selbstständige. Zum einen, weil es für sie immer schwieriger wird, bezahlbare Räume zu finden. Zum anderen, weil sie dem Profitstreben von Eigentümern in besonderem Maße ausgeliefert sind. Einen Kündigungsschutz bei unbefristeten Mietverträgen gibt es nicht, jederzeit droht der Rauswurf. Oder der Vertrag wird nach Ende einer Befristung einfach nicht verlängert. Meist stehen genug andere Interessenten vor der Tür, die die geforderte Miete klaglos bezahlen. Auf der Strecke bleiben all die inhabergeführten Blumenläden, Buchhandlungen und Gemüsegeschäfte, die die Wohnquartiere einer Stadt erst lebendig machen. Um Gewerbemieter rechtlich zu unterstützen, bietet ihnen der Berliner Mieterverein seit einigen Jahren die Möglichkeit an, Mitglied zu werden und sich beraten zu lassen.
Es gibt viele Dinge, die Geschäftsleuten das Leben schwer machen. Etwa die vielen Baustellen. Wenn das Haus eingerüstet ist oder die Kunden sich ihren Weg über aufgebuddelte Löcher auf dem Gehweg bahnen müssen, bedeutet das einen Umsatzverlust, der schon mal die Existenz bedrohen kann. So ging es auch einem Pizzabäcker aus Kreuzberg, der während der Modernisierung des Hauses keine Tische mehr nach draußen stellen konnte. Der Vermieter zuckte nur mit den Schultern.
Berlins Gewerbemieten im Galopp
Die Zeiten des Leerstands sind zumindest in der Innenstadt vorbei. Berlin boomt, die Nachfrage nach Gewerbeflächen steigt. Um durchschnittlich 25 Prozent sind die Gewerbemieten in den letzten fünf Jahren gestiegen. Spitzenreiter mit 34 Prozent ist Kreuzberg, dort liegt die Miete für Gewerberäume inzwischen bei 14,30 Euro nettokalt pro Quadratmeter – im Schnitt. In begehrten Szenekiezen muss wesentlich mehr hingelegt werden.
Erst seit 2012 können Gewerbemieter beim Berliner Mieterverein (BMV) Mitglied werden. „Wir haben viele Anfragen von kleinen Gewerbetreibenden bekommen, ob wir sie nicht auch vertreten können“, erklärt Geschäftsführer Reiner Wild. Häufig sind es Leute, die mit einem enormen Arbeitseinsatz gerade so über die Runden kommen – die nächste Mieterhöhung bricht ihnen dann wirtschaftlich das Genick. Der BMV beteiligt sich auch an einer politischen Initiative zur Begrenzung der Gewerbemieten. „Unsere Forderung ist, dass es analog zum Mietspiegel einen Gewerbemietspiegel geben muss“, so Wild.
In der Beratung des Berliner Mietervereins für Gewerbemieter spielt das Thema Miethöhe indessen keine große Rolle. Das ist leicht zu erklären, denn während Wohnungsmieter Mieterhöhungsverlangen auf ihre Zulässigkeit hin überprüfen lassen können, gibt es darüber im Gewerbemietverhältnis keinen Streit: Wer Gewerberäume neu anmietet, muss bezahlen, was verlangt wird. Eine Mietpreisbremse gibt es nicht. Meist werden Staffel- oder Indexmietvereinbarungen getroffen. An die dort festgelegten Mietpreise ist man gebunden.Darüber hinaus sind allerdings keine Mieterhöhungen möglich.
Ratsam: die Prüfung des Neuvertrags
Mit welchen Anliegen kommen Gewerbemieter also in die Beratung? Eigentlich die ganze Palette, sagt Dirk Beckmann, einer der Rechtsanwälte, die im Auftrag des Berliner Mietervereins beraten: Betriebskostenabrechnungen, Fragen zur Rückgabe der Räume bei Beendigung des Mietverhältnisses oder Mängel. Zu den Ratsuchenden gehören Änderungsschneidereien, Reinigungen, Bars, Reisebüros und physiotherapeutische Praxen. Ausgesprochen erfreulich findet der Anwalt, dass viele eine Beratung aufsuchen, um den Entwurf eines neuen Vertrags rechtlich prüfen zu lassen. „Das ist sehr sinnvoll, denn man sollte schon wissen, auf was man sich einlässt.“ Gewerbemietverträge sind lang und kompliziert, mitunter handelt es sich um Schriftstücke von einem halben Kilo Gewicht. Zwar gibt es auch hier unzulässige Formularklauseln, aber die Vertragsfreiheit ist weiter gefasst als im Wohnraummietrecht.
Anders als bei Wohnungsmietern geht der Gesetzgeber nämlich davon aus, dass hier zwei Partner auf Augenhöhe verhandeln. In der Praxis funktioniert das aber allenfalls bei den Großen. Baumärkte oder Modeketten sind sicherlich in der Position, Bedingungen zu diktieren. Für den kleinen Eisladen oder den Späti gilt das nicht. Hier muss man in der Regel schlucken, was einem vorgesetzt wird. Aber manchmal ist es durchaus möglich nachzuverhandeln, beispielsweise um eine Nachmieterregelung oder eine Untermieterlaubnis in den Vertrag hineinzuschreiben. Anders als Wohnungsmieter haben Gewerbetreibende nämlich häufig einen Vertrag mit einer befristeten Laufzeit. Floppt der Laden, stehen sie vor dem Problem, wie sie aus dem Mietvertrag herauskommen.
Eine der wichtigsten Fragen, vor denen Gewerbemieter stehen, ist daher die Vertragsdauer. Eine allgemein verbindliche Empfehlung kann Dirk Beckmann nicht geben, zumal auch wirtschaftliche Erwägungen mit einfließen müssen. „Wer sich zum ersten Mal selbstständig macht, kann nicht wissen, ob das Geschäft läuft – eine kurze Befristung mit einer Verlängerungsoption hat den Vorteil, dass beide Seiten eine gewisse Sicherheit haben.“ Als ungünstig gelten – auch wenn das zunächst unlogisch klingt – unbefristete Verträge. Sie bergen ein hohes Risiko, weil sie ohne Begründung vom Vermieter jederzeit gekündigt werden können. Wird ein Haus verkauft und der neue Investor sieht lukrativere Einnahmemöglichkeiten, ist die alteingesessene Bäckerei daher schnell draußen. In jedem Fall, so betont Beckmann, sollte man alles abwägen und sich gut überlegen, was man unterschreibt. Ein Rücktrittsrecht gibt es – anders als viele meinen – nicht.
„Allergische Reaktion“ auf angezeigte Mängel
Rechtlich gesehen sind Gewerbemieter also schlechter gestellt als Wohnungsmieter. „Wir Rechtsberater müssen sehr vorsichtig vorgehen, wenn wir das Schlimmste verhindern wollen“, betont Rechtsanwalt Andreas Flitz. So stehen Gewerbemietern theoretisch die gleichen Rechte auf Mängelbeseitigung und Mietminderung zu. Es kann aber schlauer sein, darauf zu verzichten und selber zur Reparatur zu schreiten, zumindest wenn es um Lappalien wie eine klemmende Haustür geht. Wie man im Einzelfall vorgeht, hängt auch davon ab, mit welchem Vermieter man es zu tun hat, erklärt Beckmann: „Manche Hausverwaltungen sind sachlich, andere reagieren auf Briefe vom Anwalt oder Mieterverein allergisch.“
Beschwert man sich zu häufig oder zu fordernd, kommt nicht selten die Retourkutsche in Form einer Kündigung. Wie konsequent man im Einzelfall seine Rechte einfordert, hängt daher auch immer davon ab, wie lange der Vertrag noch läuft. Stehen bereits in einem Jahr die nächsten Vertragsverhandlungen an, sollte man vorsichtig sein. Beim BMV hatte man kürzlich den Fall eines Elektroladens, der einen massiven Wasserschaden beanstandet hat. Die Quittung kam prompt: Der Vertrag wurde nicht verlängert, der Laden musste umziehen. „Da weht mittlerweile ein anderer Wind als noch vor fünf Jahren, die Vermieter haben ganz klar Oberwasser“, sagt Sebastian Bartels von der Geschäftsführung des Mietervereins.
Trotz der zum Teil frustrierenden Rechtslage kann man beim BMV durchaus Erfolge verbuchen. Für Florian Strauß* hat sich die Mitgliedschaft jedenfalls mehr als ausgezahlt. Sein Vermieter, die Deutsche Wohnen, wollte von ihm vor einigen Jahren eine Betriebskostennachzahlung von über 1200 Euro. Dabei war die Heizung die meiste Zeit kaputt, so der Künstler. Zudem verfügt lediglich ein kleiner Raum der 100 Quadratmeter großen Gewerberäume über einen Heizkörper. Doch weil die Erfassungsgeräte veraltet waren und nicht richtig funktionierten, war der Verbrauch geschätzt und nach der Fläche umgelegt worden. Florian Strauß bemühte sich zunächst selber um Klärung.
Mit Mietervereins-Hilfe zum Erfolg
Doch sein Vermieter ging auf keines seiner Schreiben ein. „Telefonisch war sowieso meistens niemand erreichbar“, sagt er. Schließlich wandte er sich an den BMV. Rechtsberater Michael Häberle konnte nach einem jahrelangen Hin und Her erreichen, dass die Deutsche Wohnen von einem Großteil ihrer Forderungen abrückte. „Der Vermieter hat es halt probiert“, so Florian Strauß. Alleine, so sagt er, hätte er dagegen nichts ausrichten können.
Birgit Leiß
* Name der Redaktion bekannt
Als Gewerbemieter Mitglied im Mieterverein werden
Als Gewerbetreibender oder Selbstständiger können Sie Mitglied im Berliner Mieterverein werden, wenn Ihre Jahresnettomiete 48.000 Euro nicht übersteigt. Sie können sich dann kostenlos beraten lassen, und zwar in den zwei Beratungszentren Schönhauser Allee 134 B und Wilmersdorfer Straße 50/51 sowie in der Geschäftsstelle in der Spichernstraße 1. Eine vorherige Terminvereinbarung ist erforderlich. Bei Bedarf wird auch der Schriftverkehr übernommen.
Wegen der hohen Streitwerte umfasst die Mitgliedschaft allerdings keine Prozesskostenversicherung. Es besteht aber die Möglichkeit, über den Deutschen Mieterbund eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen.
Der Mitgliedsbeitrag richtet sich nach der Jahresnettomiete für Ihre Gewerberäume und beträgt derzeit zwischen 96 und 246 Euro im Jahr. Dazu kommt eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 10 Euro. Dass die Beiträge etwas über denen von Wohnungsmietern liegen, hat mit den besonderen Qualitätsanforderungen der Beratung und einem erhöhten Haftungsrisiko zu tun.
bl
Infos zur Mitgliedschaft als Gewerbemieter: Tel. 226 260 (Servicetelefon)
Download der Beitrittserklärung:
www.berliner-mieterverein.de/beratung-und-service/persoenliche-rechtsberatung/gewerbemieter.htm
Infos zur DMB-Rechtsschutzversicherung:
www.mieterbund.de/beratung/dmb-rechtsschutz.html
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02.06.2018