Wie wohnen Kinder in Berlin? Was wünschen sie sich? Das MieterMagazin hat bei fünf Familien angeklopft und fand bei ihnen ganz unterschiedliche Wohnsituationen vor. Einschränkungen gab es fast überall. Doch der Umgang damit ist individuell und häufig kreativ.
An dieser Tür haben wir vor sechs Jahren schon einmal geklingelt. Damals wollten wir wissen, welche Chancen Familien in Berlin bei der Wohnungssuche haben. Franziska Albrecht und Jean-François Fraval hatten gerade ihr drittes Kind bekommen, und klar war: In dieser Erdgeschosswohnung im Samariterviertel würde es einmal eng werden. Heute lebt die fünfköpfige Familie immer noch dort.
„Kommen Sie rein und schauen Sie sich um“, empfängt uns Franziska Albrecht. „Wir haben hier vor zwei Jahren umgeräumt. Anbauen können wir ja nicht.“ Vier Zimmer, 87 Quadratmeter, über drei Meter Deckenhöhe – das ist die geräumigste Wohnung im ganzen Haus. Aber Farouk (6) kommt bald in die Schule, Laouen (10) geht in die vierte Klasse und Malik (13) aufs Gymnasium.
„Mal zwei Stunden, ohne dass der Bruder nervt“
„Jeder sollte seinen eigenen Platz bekommen, das war uns wichtig“, sagt Franziska Albrecht. Dafür haben sich die Eltern mit ihrem Schlaf- und dem Arbeitszimmer deutlich eingeschränkt. Die beiden Hochbetten der Kinder stehen nun in einem viel größeren Zimmer, wenn auch immer noch dicht beieinander. Darunter, darüber und dahinter haben die Eltern es mit viel handwerklichem Geschick und guten Ideen geschafft, jedem der Jungs seine Ecke zu „zimmern“. Für Malik ist das der eingebaute Schreibtisch mit den Regalen. Hier macht er seine Hausaufgaben, hat seine Bücher und Computerspiele eingeordnet und kann den beiden Jüngeren auch mal den Rücken zudrehen. Wäre er lieber für sich? „Nee, ich find´s ganz schön so“, sagt er. Und gibt dann doch zu: „Für ein, zwei Stunden mal Ruhe haben, ohne das Farouk nervt, wäre schon nicht schlecht.“ Allerdings – über einen Umzug denken die Eltern nicht nach. Zahlen sie doch für ihre Genossenschaftswohnung erträgliche 520 Euro nettokalt.
Ein eigenes Zimmer für jede Person in einem Haushalt sei schon erstrebenswert, meint die Psychologin Antje Flade. Aber das ist ein Luxus, den sich auch in zurückliegenden Jahrzehnten längst nicht jeder leisten konnte. „Eigentlich hat man erst in den 1970er Jahren begonnen, sich mit Grundrissen von Kinderzimmern zu beschäftigen“, stellt Antje Flade fest. Da waren im Osten wie im Westen längst die Großsiedlungen im Bau. Es ging darum, für Familien schnell den dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. „Und damals hat man selbstverständlich die kleinsten Zimmer für die Kinder vorgesehen.“ Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer war die klassische Aufteilung. Bei nicht selten weniger als 10 Quadratmetern für das Kinderzimmer reichte der Platz nur für das notwendigste Mobiliar. Raum für Bewegung blieb den Kindern so nicht, zumal sich in der Regel mehrere Geschwister den Platz teilen mussten.
Raus aus der Enge, lautete deshalb eine Forderung, wenn es um kindgerechtes Wohnen ging. Gefordert waren nutzungsoffene Wohnräume und flexibel gestaltete Grundrisse, die den Kinder- und Familienansprüchen immer wieder mal angepasst werden konnten.
Eigentlich genau so, wie es Franziska Albrecht und Jean-François Fraval für ihre Familie organisiert haben. Und vielleicht zieht Malik mit seinem Bett später ja auf die zweite Ebene im Arbeitszimmer. Dort lagert jetzt Büromaterial der Dolmetscherin und des selbstständigen Heilpraktikers. Für den Teenager könnte es der Platz sein, an dem er in aller Ruhe am Abend telefonieren und seine Musik hören kann.
Wo handwerkliches Geschick nicht hilft
Kreativität, handwerkliches Geschick und der Mut, die Wohnung auch mal umzukrempeln, würden Sabrina Syawsh und Toma Philip nicht weiterhelfen. Sie wohnen gar nicht weit von Franziska Albrechts Familie entfernt – in einem der schicken weißen Neubauten, die hier an der Rigaer Straße in den letzten Jahren entstanden sind, Grünflächen und Spielplätze inklusive. Aber selbst wenn der Bauingenieur und die Physikerin für die beiden Kinder Anabel (6) und Andreh (3) ihr großes Wohnzimmer räumen und ins viel kleinere Kinderzimmer umziehen würden – sie könnten die Warmmiete von 1269 Euro einfach nicht auf Dauer zahlen. „Im Moment arbeite ich eigentlich fast nur für die Miete“, erklärt Toma Philip, der mit Frau und kleiner Tochter 2014 aus dem Irak nach Deutschland gekommen ist. „Wir können nicht ins Kino, wir können nicht in den Tierpark – das ist doch aber wichtig für Kinder!“ Es zählt schließlich nicht nur die Wohnung.
Aber auch die passt nicht mehr: Wenn Anabel im nächsten Jahr zur Schule kommt, soll sie ein eigenes Zimmer haben, „wo sie in Ruhe ihre Hausaufgaben machen kann, ohne dass der kleine Bruder stört“, so die Mutter. Die Eltern haben lange in ihrer vertrauten Wohnumgebung gesucht. Toma Philip: „Aber Friedrichshain ist für uns unbezahlbar geworden.“
Jetzt haben sie sich für Marzahn entschieden: eine 95 Quadratmeter große Vierzimmerwohnung, 850 Euro warm. Noch ist das neue Haus von Bauzäunen umgeben. Hier, am Eugen-Roth-Weg, stehen in achtgeschossigen Neubauten 126 Wohnungen kurz vor der Fertigstellung.
Wer die Musterwohnung anschauen will, muss Schutzhüllen über die Schuhe ziehen. Andreh läuft neugierig von einem leeren Raum in den nächsten. Aber er entscheidet sofort: „Das ist mein Zimmer!“ Es ist genau so groß wie das der Schwester gleich nebenan. Und wie die anderen Kinderzimmer im ganzen Haus: etwa 11 Quadratmeter.
„Über die Zielgruppe und den Wohnungsmix jedes Bauvorhabens sprechen wir uns lange vor Planungsbeginn mit den Kundenzentren ab“, erklärt Dirk Seubert von der „bauWERK“, einem Ableger des städtischen Wohnungsunternehmens Degewo. Am Eugen-Roth-Weg werden vor allem Familien mit Kindern wohnen – die meisten der Wohnungen hier haben drei oder vier Zimmer.
„Und bei der Planung von Grundrissen heißt es bei uns: Funktion vor Fläche“, ergänzt er. Da wird genau gerechnet, wie viele Personen ziehen ein und wieviel Platz brauchen die Möbel. Ins Kinderzimmer müssen Bett, Schrank und Schreibtisch passen. Die Forderung nach niedrigen Mieten führt zu einer gewissen Standardisierung. 50 Prozent der Wohnungen hier kosten 6,50 Euro, die teuersten liegen nicht über 10 Euro pro Quadratmeter, nettokalt.
Bedachtes Belegungsmanagement
Für die Vergabe, so erläutert die Degewo-Vermietungsleiterin in Marzahn, Kerstin Schindler, seien verschiedene Faktoren ausschlaggebend: Familiengröße und Anzahl der verfügbaren Räume ist einer davon. Denn nach Möglichkeit solle jedes Kind sein eigenes Zimmer bekommen. Das ist aber auch vom Geldbeutel der Eltern abhängig. Und so eignen sich Vierzimmerwohnungen mit einem Hobbyraum, wie es sie in den Plattenbauten gibt, durchaus auch für fünfköpfige Familien. Kerstin Schindler: „Bei Überbelegung sagen wir allerdings: Stopp.“
Platzprobleme haben Mia (14) und Mascha (12) nicht. Sie leben mit ihren Eltern in einer 139 Quadratmeter großen Altbauwohnung in Friedenau. „Als wir kleiner waren, haben wir uns trotzdem ein Zimmer geteilt“, erklärt die Ältere. „War einfach schöner so.“ Seit anderthalb Jahren bewohnt jedes der Mädchen sein eigenes Zimmer. Die Räume sind zwar nicht sehr groß, aber die beiden gestalten sie ganz nach ihren Wünschen aus.
Kinder haben eigene Prioritäten
Helle Farben, ein Tisch mit Schminkspiegel bei Mia. Mascha hat gerade lila aus ihrem Zimmer verbannt und die Wände weiß gestrichen. – Im großen Wohnzimmer der Familie türmen sich Kindersachen, die nun bei ebay verkauft werden sollen.
„Ich erlebe Kinder immer wieder als ungeheuer kreativ und anpassungsfähig“, erklärt der Architekt Jason Danziger, der mit seinem Büro Thinkbuild Architecture die Raum- und Farbgestaltung einiger Kitas übernommen hat. „Sie haben ein komplett unerwartetes Nutzungsverhalten und setzen ihre Prioritäten ganz anders als wir.“ Und das bedeutet: Es sollte ihnen keine perfekte Einrichtung vorgesetzt werden. Gerade Unfertiges lade Kinder zum Gestalten ein. „Weniger ist mehr“, so lautet die Devise des erfahrenen Architekten. Etwa leichte Möbel, die sie bewegen, umstellen und unterschiedlich kombinieren können.
Kinder wollen entdecken, ihre eigenen Ecken und Verstecke anlegen. Das könnten Pappkisten und auch Holzkästen sein, die man ihnen zur Verfügung stellt. Auch der Stauraum unter einem Bett eignet sich. Wie bei Mia. Sie hat ein paar Bücher in ein kleines Holzregal neben ihr Bett gestellt hat. Nur zur Dekoration, wie sie betont. Was sie liest, läge unter dem Bett – da wo keiner hinguckt.
„Ich denke auch, dass nicht jedes Kind ein eigenes Zimmer braucht“, meint Jason Danziger. Räume lassen sich teilen, durch Einbauten können verschiedene Ebenen und Rückzugsorte angelegt werden. Dafür sollten sich Erwachsene bei der Ausgestaltung eines Kinderzimmers auch einmal auf die Augenhöhe ihres Kindes begeben. „Können die Kinder aus dem Fenster schauen? Das halte ich für sehr wichtig, weil sie es gern tun und dabei viel entdecken“, so der Architekt. Fenstergriffe lassen sich zur Sicherheit abschließen – aber ein kleines Podest von 15 oder 20 Zentimetern ermögliche es bei hohen Fensterbänken, den Himmel, einen Baum vor dem Haus und die Vögel darin zu beobachten.
Bevor Petra A. und Susanne F. das Zimmer für Sophia* einrichten konnten, mussten sie zuerst einmal ausräumen. Ihre 86 Quadratmeter große Wohnung im Wedding hat drei Zimmer: „Bisher konnte sich jede in ihren Bereich zurückziehen und auch mal die Tür hinter sich zumachen“, erzählt die freiberufliche Dolmetscherin Petra. Mit ihrer Lebensgefährtin, einer Soziologin, hatte sie sich um ein Pflegekind bemüht. Als dann die Anderthalbjährige ins Haus kam, brachte sie die gewohnte Ordnung gründlich durcheinander. Susanne räumte ihr Zimmer, die beiden Frauen rückten mit Büchern und Möbeln zusammen, inzwischen nutzt die Dreijährige auch diesen Raum ganz selbstverständlich mit. Ihre Spielecken verteilen sich über die Wohnung. Sie ist ganz einfach immer dort, wo auch ihre beiden Mamas sind.
Denken sie über eine größere Wohnung nach, in der wieder jede ihr eigenes Zimmer hat? „Wir wollen hier auf keinen Fall weg, weil wir in einer tollen Nachbarschaft mit vielen Kindern leben“, erzählt Petra. Im Haus hat Sophia schon Freunde, die Eltern helfen sich gegenseitig, der Hof ist ein Ort, wo gerade die kleineren Kinder spielen können. Dazu gibt es kurze Wege zu Verkehrsmitteln, Geschäften, Kita. Petra: „Das ist uns wichtiger als 20 Quadratmeter mehr Wohnfläche.“ Gerade da, wo die kleine Familie lebt, inmitten der Stadt, sei es doch für Kinder wunderbar, finden die beiden Frauen.
„Diese Auffassung hat sich aber auch immer mal wieder geändert“, meint Manfred Kühne, Leiter der Abteilung Städtebau und Projekte bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Lange galt der Garten am eigenen Haus als Ideal für eine kinderfreundliche Umgebung. „Es hat sich jedoch gerade in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten gezeigt, dass viele junge Familien wieder gerne in der Innenstadt leben wollen – wenn sie denn angemessenen Wohnraum finden“, sagt er. Und setzt hinzu: „Damit sind wir als Stadtplaner gefordert, trotz der Dichte unserer Innenstadt Möglichkeiten für einen kindgerechten Lebensraum zu schaffen.“
Das steht auch in der Landesbauordnung, die für jeden Neubau die Anlage einer Freifläche um das Haus herum fordert. Nur in seltenen Fällen sei das Grundstück so klein, dass die Bauherren finanziellen Ausgleich schaffen müssten, weiß Manfred Kühne. Und fügt hinzu: „Die Zeit ist noch nicht vorbei, wo es in zentraler Lage Freiflächen für Spielplätze gibt.“
Gemeinschaftsflächen besser nutzen
Aber es müssten auch die Themen Verkehrsberuhigung und Spielstraßen angegangen werden. Selbst wenn das bedeute, anderen den Raum zu begrenzen, indem beispielsweise Parkplätze wegfallen. Dazu sollte über eine intensivere Nutzung von Schulhöfen, Sportplätzen und Grünflächen nachgedacht werden: „Berlin hat sich lange den Luxus eines Nebeneinanders geleistet“, sagt Manfred Kühne. Und das Spielen auf Schulhöfen und Sportplätzen könnte auch Abstand zur Wohnbebauung schaffen und Lärm minimieren, über den oft ältere Anwohner klagen. „Aber eins sei hier mal gesagt: Lärm durch spielende Kinder ist hinzunehmen“, sagt er.
Das sieht auch Markus Poeppel so, der mit seiner Lebensgefährtin und Kasimir (7) in der Kreuzberger Taborstraße wohnt. Obwohl der Junge sein eigenes kleines Zimmer hat, gehören der geschützte Innenhof, eine große Wiese, ein Spielplatz in der Nähe und sein Fußballverein zu seinem heimischen „Revier“.
„Dass alles so in der Nähe ist, hat für Kasimir und auch für uns einen großen Vorteil“, sagt der Vater. „Aber wir leben leider auch in einer lauten und latent aggressiven Gegend.“ Es seien zu viele Touristen unterwegs – und auch Drogendealer im Viertel. „Wenn Sie mich nach einer kindgerechten Umgebung fragen“, sagt Kasimirs Vater, „da hätten wir es schon gern ruhiger und entspannter.“
Rosemarie Mieder
* Namen von der Redaktion geändert
Kinder im Mietrecht
Kinder dürfen laut sein
Lachen, Weinen, Schreien, Trampeln, Springen – all das gehört zum normalen Verhalten von Kindern und damit zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Wohnung. Es ist von Nachbarn hinzunehmen und kein Grund, die Miete zu mindern. Das entschied das Landgericht Berlin 2016, als es die Klage einer Mieterin zurückwies, die ein Lärmprotokoll über den Krach aus der über ihr liegenden Wohnung vorgelegt hatte. Zwar müssten auch Eltern auf das Ruhebedürfnis von Nachbarn Rücksicht nehmen, aber ein solcher Kinderlärm wie der vor dem Landgericht verhandelte überschreite ein normales Maß nicht. Die Mieterin könne weder die Beseitigung der Lärmquelle noch eine Mietrückzahlung fordern (LG Berlin vom 5. September 2016 – 67 S 41/16 –).
Hausordnung gilt auch für Kinder
Das betrifft besonders die Gemeinschaftsflächen wie den Hausflur. Spielen und Toben ist dort nicht gestattet und muss von Eltern unterbunden werden. Hausflure sind eben nicht für längere Aufenthalte gedacht und dienen lediglich dazu, von draußen in die eigene Wohnung zu gelangen. Beim Abstellen von Kinderwagen allerdings ist das Recht aufseiten der Mieter: Sie dürfen im Treppenhaus abgestellt werden, weil es nicht zumutbar ist, das Gefährt mit in die Wohnung zu schleppen. Allerdings sollten Fluchtwege und Durchgänge nicht versperrt werden. Ein ganzer Fuhrpark aus Fahrrädern und entsprechenden Kinderanhängern dagegen ist nicht erlaubt.
Rasen betreten verboten?
Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Zur vertragsgemäßen Nutzung einer Wohnung gehören in der Regel auch bereitgestellte Grünflächen und Außenanlagen. Kinder dürfen also auf diesen gemeinschaftlichen Flächen spielen (mit Ausnahme von Ziergärten), und sie dürfen dazu auch Freunde mitbringen. Der Lärm dabei muss von Nachbarn hingenommen werden. Allerdings haben Eltern auch auf die Einhaltung von Ruhezeiten zu achten. Die gelten von 13 bis 15 Uhr (nach der Hausordnung) und von 22 bis 6 Uhr.
Wenn Kinder Schäden verursachen
Nach § 828 BGB sind Kinder bis zum siebten Lebensjahr nicht deliktfähig bei Schäden. Im Straßenverkehr sind sie das sogar erst ab 10 Jahren. Wenn Eltern allerdings ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind, müssen sie für die Schäden ihrer Sprösslinge aufkommen. Dafür tritt dann die Haftpflichtversicherung ein. Was Gebrauchsspuren etwa durch das Spielen in der Wohnung oder auf Gemeinschaftsflächen betrifft, so gilt wie bei Erwachsenen: Sie sind kein Grund für Schadensersatzforderungen des Vermieters. Schäden, die durch Kinder entstanden sind und nicht durch den üblichen Gebrauch der Mietsache entstehen, müssen von den Eltern beseitigt beziehungsweise beglichen werden.
rm
Ein anfänglich großbürgerlicher Luxus
Kinderzimmer sind eine relativ junge Erfindung. Das Leben im späten Mittelalter spielte sich in Gemeinschaftsräumen ab – Kinder liefen nebenher. Auf ihr Spielbedürfnis wurde keine Rücksicht genommen. Ihre Schlafplätze hatten sie auf Dachböden, zusammen mit Dienstboten, oder in den Schlafzimmern der Eltern. Für die Kleinsten gab es eine Wiege, die Größeren schliefen oft zu zweit oder dritt in einem Bett.
Die Erkenntnis, dass Kinder zu ihrer Entwicklung besondere Bedingungen brauchen und damit gesonderte Räume, kam erst im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert auf. In dieser Zeit setzte sich auch das Ideal der Trennung von Eltern- und Kindersphäre durch.
Es entstanden in Deutschland die Kinderstuben – zuerst natürlich in den Häusern des Großbürgertums. Für die allermeisten Familien allerdings waren Kinderzimmer noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein unerreichbarer Luxus.
Vor allem in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmte die allgemeine Wohnungsnot in Ost wie West das familiäre Zusammenleben. Wenn es überhaupt ein Zimmer für die Kinder gab, mussten sich das mehrere Geschwister teilen.
Beim Bau der ersten großen Wohnsiedlungen wurde dann auch an Zimmer für die Kinder gedacht – allerdings ohne baurechtliche Vorschriften für deren Größe. Lediglich in der DDR gab es die Bestimmung, dass sie nicht kleiner als acht Quadratmeter sein durften.
rm
28.11.2018