Leitsatz:
Die in einer Anlage zum im Jahr 2000 abgeschlossenen Mietvertrag enthaltene Formularklausel „Der Eigentümer hat öffentliche Fördermittel im Rahmen der ModInstRL 93 (stadtweite Maßnahmen) für das Vorderhaus in Anspruch genommen. Er hat sich verpflichtet, innerhalb der Laufzeit der gegebenenfalls gewährten Aufwendungszuschüsse für Instandsetzungsmaßnahmen, mindestens jedoch bis zum Ablauf des 10. Jahres nach Abschluss der geförderten Maßnahmen … weitere Maßnahmen, für die nach § 3 beziehungsweise i.V. mit § 13 MHG [Anm. jetzt § 559 BGB] Mieterhöhungen verlangt werden sollen, nur mit Zustimmung der betroffenen Mieter durchzuführen, es sei denn, es handelt sich um Maßnahmen, die aufgrund von Umständen durchzuführen sind, die der Eigentümer nicht zu vertreten hat.“ verbunden mit einer im Mietvertrag enthaltenen Modernisierungsvereinbarung „Weitere Modernisierungsmaßnahmen, die über die vereinbarten Maßnahmen in den Anlagen hinausgehen, bedürfen der Zustimmung des Mieters. Der Eigentümer verzichtet auf die Möglichkeit einer Duldungsklage nach § 541 b BGB [Anm. jetzt § 555 d BGB].“ führt zu der Auslegung, dass für einen im Jahre 2015 eingebauten Aufzug ohne Zustimmung des Mieters zu der Maßnahme kein Modernisierungszuschlag verlangt werden kann sowie keinerlei Betriebskosten für den Aufzug vom Mieter geschuldet sind.
LG Berlin vom 17.4.2018 – 67 S 57/18 –
Mitgeteilt von RA Ludger Freienhofer
Urteilstext
Gründe:
I.
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung eines monatlichen Modernisierungszuschlags ab Mai 2017 gerichtete Zahlungsklage gemäß Mieterhöhungserklärung vom 30. August 2016 in Höhe von monatlich 87,70 € zuzüglich eines Betriebskostenvorschusses in Höhe von monatlich 19,73 € für einen im Jahr 2015 oder 2016 eingebauten Aufzug zutreffend abgewiesen.
Dagegen vermag die Berufung nichts zu erinnern.
Im Ergebnis zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass der geltend gemachten Modernisierungsmieterhöhung die Bestimmungen des Mietvertrages (1. Anlage zum Mietvertrag) i.V.m. der ebenfalls am 18. Mai 2000 zustande gekommenen Modernisierungsvereinbarung entgegenstehen.
Die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gestellte Vereinbarung in der 1. Anlage zum Mietvertrag über die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen, die an den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB zu messen ist, ist mit dem Amtsgericht im Sinne eines dauerhaften Zustimmungsvorbehalts nicht nur bezogen auf weitere Modernisierungsmaßnahmen im direkten Zusammenhang mit den im Jahr 2000 durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen in der Wohnung der Beklagten, sondern im Sinne eines Zustimmungsvorbehalts hinsichtlich jeglicher weiterer Modernisierungsmaßnahmen zu verstehen.
Die Beklagten können sich insoweit zu ihren Gunsten auf die Unklarheitenregel des § 5 AGBG a.F. (§ 305 c Abs. 2 BGB) berufen, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen.
Hierfür muss nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleiben, was voraussetzt, dass die Auslegung der hier maßgeblichen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als rechtlich vertretbar erscheinen lässt und keine den klaren Vorzug verdient. Die nur entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BGH, Urt. v. 3. Dezember 2014 – VIII ZR 224/13, NJW-RR 2015, 264, Tz. 16 m.w.N.).
Ausgehend von diesem Maßstab ist die formularmäßige Vereinbarung in der 1. Anlage zu dem Mietvertrag zu weiteren Maßnahmen, für die Mieterhöhungen verlangt werden, jedenfalls in Anwendung der Unklarheitenregel gemäß §§ 5 AGBG a.F. (305c Abs. 2 BGB) entgegen der Auffassung der Klägerin so auszulegen, dass sie für die Dauer des Mietverhältnisses weitere Modernisierungsmaßnahmen, für die Mieterhöhungen verlangt werden sollen, nur mit der hier nicht gegebenen·Zustimmung der Mieter durchführen konnte. Für diese Auslegung der Klausel spricht, dass sich ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel der Zustimmungsvorbehalt unter a) der 1. Anlage zum Mietvertrag einschränkungslos auf weitere (Modernisierungs-) Maßnahmen und damit ausdrücklich nicht nur auf die in der Klausel zuvor genannten geförderten Maßnahmen im Rahmen der ModlnstRL 93 bezieht.
Im Hinblick auf den allgemeinen Bezug auf weitere Modernisierungsmaßnahmen lässt sich der Klausel auch nicht die von der Klägerin vertretene Auslegung im Sinne einer Beschränkung des Zustimmungsvorbehalts auf Maßnahmen in der Wohnung entnehmen. Die Regelung enthält bereits nicht eine solche einschränkende Formulierung. Anhaltspunkte für eine solche Auslegung ergeben sich auch nicht aus dem sachlichen Zusammenhang mit der von der Klägerin herangezogenen bei Mietvertragsabschluss zusätzlich zustande·gekommenen Modernisierungsvereinbarung für die öffentlich geförderte Instandsetzung und Modernisierung. Denn nach dieser bezog sich die öffentliche Förderung nicht nur auf die in der Modernisierungsvereinbarung vereinbarten Maßnahmen in der Wohnung der Beklagten, sondern betraf auch Modernisierungsmaßnahmen am Gebäude, wie aus § 11 2 und der Anlage 2 der Modernisierungsvereinbarung ersichtlich.
Weiter ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung, die zumindest rechtlich vertretbare Auslegung als nicht lediglich bloßes Modernisierungsverbot mit Zustimmungsvorbehalt des Mieters, sondern darüber hinaus dahingehend, dass für weitere Modernisierungsmaßnahmen auch keine Mieterhöhungen geschuldet sein sollen. Dies ergibt sich bereits aus dem Regelungszusammenhang mit der zunächst vereinbarten Staffelmiete, ferner aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf Modernisierungsmaßnahmen, für die nach den damals geltenden gesetzlichen Bestimmungen (u.a. § 3 MHG) Mieterhöhungen verlangt werden sollen.
Soweit die Berufung geltend macht, jedenfalls würden die Regelungen der 1. Anlage zum Mietvertrag nicht greifen, da die förderungsspezifische Mindestbindungszeit von zehn Jahren bereits am 3. September 2010 abgelaufen sei, verfängt dies nicht.
Zwar nimmt die hier in Bezug genommene Bestimmung der 1. Anlage zum Mietvertrag auf die Zeit der öffentlichen Förderung unter Hinweis auf die Verpflichtung bis mindestens zum Ablauf des 10. Jahres nach Abschluss der geförderten Maßnahmen Bezug. Jedoch ist bei der Auslegung die weitergehend formulierte Bestimmung in § 7 Nr. 8 der zwischen den Parteien gleichzeitig mit dem Mietvertrag abgeschlossenen Modernisierungsvereinbarung einzubeziehen, die einen Zustimmungsvorbehalt einschränkungslos auf weitere Modernisierungsmaßnahmen, die über die vereinbarten geförderten Maßnahmen in den Anlagen hinausgehen, bezieht; dies ohne eine zeitliche Beschränkung zu formulieren, wie etwa in der nachfolgenden Regelung des § 7 Nr. 9 der Modernisierungsvereinbarung.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann diese Bestimmung wiederum nicht einschränkend dahingehend verstanden. werden, dass sie lediglich die in den Anlagen der Modernisierungsvereinbarung benannten Modernisierungsmaßnahmen, für die eine Förderung in Anspruch genommen werden sollte, betraf. Auch insoweit können sich die Beklagten zu ihren Gunsten im Hinblick auf die dargelegte rechtlich vertretbare Auslegung auf die Unklarheitenregelung des § 5 AGBG a.F. (§ 305c Abs. 2 BGB) berufen, wonach Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen.
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Regelung in § 7 Nr. 8 der Modernisierungsvereinbarung lediglich die Duldungspflicht der Beklagten betrifft und nicht als auf die nachfolgende Erhebung eines Modernisierungszuschlages ausgelegt werden kann. Dieses Verständnis würde zu einer unwirksamen intransparenten Regelung im Widerspruch zu den Regelungen des damit im Zusammenhang stehenden Mietvertrages mit dem dargelegten Inhalt eines uneingeschränkten Zustimmungsvorbehalts für alle weiteren Modernisierungsmaßnahmen führen, § 9 AGBG a.F. (§ 307 Abs. 1 BGB).
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin des Weiteren darauf, die Beklagten hätten den Aufzugseinbau geduldet. Das Amtsgericht weist im Ergebnis zutreffend darauf hin, dass sich aus der bloßen Hinnahme der Baumaßnahmen keine weitergehende Erklärung einer bewussten und gewollten Duldung herleiten lässt. Auch die Entgegennahme der Schlüssel zu dem Aufzug hat keinen weitergehenden, stillschweigenden Erklärungsinhalt im Sinne einer nachträglichen Genehmigung unter Verzicht auf den vereinbarten Zustimmungsvorbehalt und der damit verbundenen Einschränkung des Rechtes des Vermieters zur Geltendmachung eines Modernisierungszuschlages.
Schließlich steht der Klägerin auch nicht der geltend gemachte monatliche Betriebskostenvorschuss für den Aufzug in Höhe von monatlich 19,73 € zu. Nach Maßgabe der oben dargestellten Grundsätze der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist die Regelung der 1. Anlage zum Mietvertrag dahingehend zu verstehen, dass weitere Modernisierungsmaßnahmen nicht zu einer Erhöhung der Miete unter Einschluss der infolge einer solchen Modernisierung entstehenden Nebenkosten führen sollen. Es ist zumindest rechtlich vertretbar, diese Bestimmung mit dem Amtsgericht angesichts der bezweckten verlässlichen Höhe der monatlichen Zahlungen sowie des Schutzes der Mieter vor der Belastung mit nicht absehbaren Kosten als Folge weiterer zustimmungspflichtiger Modernisierungsmaßnahmen·zugunsten der Beklagten dahingehend auszulegen, dass davon sämtliche mit weiteren Modernisierungsmaßnahmen zusammenhängenden Kosten, mithin auch die infolge der Modernisierung anfallenden Betriebskosten, erfasst werden sollten.
II.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen, auch zu der Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.
24.08.2020