Durch die Coronakrise arbeiten mehr Menschen denn je im Homeoffice. Dadurch könnten Büroflächen weniger nachgefragt und in einem weiteren Schritt in Wohnungen umgewandelt werden. So hatten es Experten zu Beginn der Pandemie prognostiziert. Ist es in Berlin so gekommen?
Die These drängt sich auf: Wenn mehr Mitarbeiter häufiger im Homeoffice arbeiten, werden weniger Büroarbeitsplätze benötigt. Wenn Büroflächen leer stehen, gleichzeitig aber die Wohnraum-Nachfrage wächst, liegt eine Umnutzung auf der Hand.
Aber stimmt es überhaupt, dass Unternehmen ihre Büroflächen reduzieren? Die Industrie- und Handelskammer in Berlin kann diese Vermutung zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigen: „Auch während der Corona-Pandemie herrscht in Berlin eine Gewerbe- und Büroflächenknappheit.“ Daten zur Umnutzung von Büro- und Gewerbeflächen in Wohnraum lägen keine vor. Auch bei dem Büro- und Gewerberaum-Vermieter GSG gibt es aktuell keine Umnutzungspläne, im Gegenteil: „Nach Ende der Kontaktbeschränkungen erwarten wir eine steigende Nachfrage nach attraktiven Büro- und Gewerbeflächen in Berlin“, heißt es auf Nachfrage. Bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften teilt man diese Einschätzung. Einzelne Umnutzungsprojekte sind zwar geplant – dies aber unabhängig von den Corona-Entwicklungen. Das Wohnungsunternehmen WBM meint, für eine Einschätzung, ob durch vermehrte dauerhafte Nutzung von Homeoffice Büroflächen frei würden und zu Wohnungen umgebaut werden können, sei es „derzeit sicher noch zu früh“. Auch hier wird auf eine nach wie vor herrschende große Nachfrage nach Gewerbeflächen verwiesen.
Tatsächlich zeigte der Mietpreisindex für Gewerbeflächen (GIMX) für Berlin in den letzten Jahren das bundesweit stärkste Wachstum an: um 7,1 Prozent legten demnach die Büromieten jährlich zu, um 5 Prozent die Mieten im Einzelhandel. Selbst während der Pandemie, im zweiten Halbjahr 2020, stiegen die Gewerbemieten weiter. Da bekanntlich die Nachfrage das Angebot steuert, scheinen sich Überlegungen, dass Unternehmen Flächen aufgeben könnten, bisher nicht zu bestätigen. So kommt auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer im Februar veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass nur 6,4 Prozent von 1200 befragten Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten ihre Büroflächen reduzieren wollen. Denn zwei Drittel der Firmen – so die Studie weiter – haben nicht vor, ihren Angestellten nach dem Ende der Pandemie mehr Homeoffice zu ermöglichen als vor deren Beginn.
Hohe Kosten, bürokratischer Aufwand
Beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) sieht man noch weitere Schwierigkeiten, die eine Umnutzung mit sich bringt: Hohe Kosten für den Umbau und den hohen bürokratischen Aufwand, um die notwendigen Genehmigungen zu erhalten. Geschäfte befänden sich häufig in Erdgeschosslagen, die als Wohnungen wiederum unbeliebt seien. Und: Die Zugänglichkeit und der Einbruchschutz sowie die Nachrüstung seien aufwendig. Büroflächen wiederum seien häufig in „repräsentativen“, also teuren Gegenden entstanden, und aufwendig mit viel Glas verbaut. „Teure Grundstücke, teure Bauten und teure Umbauten: Hier sehen wir allenfalls Potenzial für Luxuswohnungen“, fasst BBU-Sprecher Dr. David Eberhart zusammen. Dennoch formiert sich eine Bewegung, die sich klar für eine Umwidmung stark macht (siehe Infobox). Wie es weitergeht, hängt vermutlich auch vom weiteren Verlauf und der Dauer der Pandemie ab.
Katharina Buri
Großes Potenzial
Nach einer vom Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ in Auftrag gegebenen Studie besteht bundesweit nach einem massenhaften Umzug ins Homeoffice durch freiwerdende Büros ein Potenzial von 235.000 „Ex-Büro-Wohnungen“. Das Bündnis, dem unter anderem der Deutsche Mieterbund und die Caritas angehören, hat weiter ermittelt, dass der Umbau vom Büro zur Wohnung durchschnittlich 1108 Euro pro Quadratmeter kostet – und damit deutlich weniger als die Vollsanierung eines Altbaus mit im Schnitt 2214 Euro und dem Neubau mit 2978 Euro pro Quadratmeter.
kb
www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/beitrag/oliver-stettes-michael-voigtlaender-unternehmen-halten-an-bueros-fest.html
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29.04.2021