Seitdem die Anspannung auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht mehr zu leugnen ist, wird der Ruf nach dem Wiederaufleben eines öffentlich geförderten Wohnungsbaus lauter. Langsam, aber sicher kommt man nun auch in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu der Erkenntnis, dass der notwendige Wohnungsneubau ohne eine Förderung nicht zu schaffen ist. Im Herbst kündigte Senator Michael Müller an, ab 2014 wieder in die Wohnungsbauförderung einzusteigen. Er warf eine Größenordnung von 1000 Wohnungen pro Jahr in die Diskussion. Bis zum Frühjahr, wenn die Beratungen für den Landeshaushalt 2014/2015 beginnen, will Müller ein Konzept präsentieren.
Der Senator beabsichtigt, die 32 Millionen Euro, die der Bund dem Land Berlin jährlich für den Sozialen Wohnungsbau überweist, für eine neue Bauförderung zu verwenden. Bisher hat Berlin die Summe in die laufende Subvention alter Sozialwohnungsbestände gesteckt. Diese Mittel wird Berlin aber auch weiterhin aufbringen müssen. Die Frage, woher dieses Geld dann kommen soll, dürfte zu neuen Konflikten mit dem Finanzsenator führen – zumal Berlin die 32 Millionen Bundeszuschuss noch deutlich aufstocken müsste, wenn die Förderung nicht nur ein kleines Alibiprogramm bleiben soll. „Dieser neue Soziale Wohnungsbau wird richtig Geld kosten, je nachdem, wie viele Wohnungen wir zu welchen Mieten errichten wollen“, erklärte Stadtentwicklungsstaatssekretär Ephraim Gothe auf der Konferenz „Nichts läuft hier richtig“, einer vor kurzem durchgeführten Veranstaltung zu aktuellen Nöten und künftigen Wegen des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin.
Uneinigkeit herrscht in der Koalition darüber, wer die neuen Sozialwohnungen bauen soll. Die SPD bevorzugt die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften, Michael Müller äußerte jedoch Zweifel, ob diese allein die Aufgabe stemmen können. Die CDU würde gern die private Wohnungswirtschaft beteiligen. Ihr wohnungspolitischer Sprecher Matthias Brauner schlägt vor, schon bis 2016 den Bau von 5000 Wohnungen zu fördern. Als Einstiegsmiete hat er einen Quadratmeterpreis von 5,95 Euro im Blick, anschließend soll die Miete um ein Prozent jährlich steigen dürfen. Die Förderung nach Brauners Modell würde insgesamt 125 Millionen Euro kosten.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) wird indessen ungeduldig. „Allein mit den für die Sanierung des Internationalen Congress-Centrums (ICC) eingeplanten 200 Millionen Euro könnte der Bau von rund 3000 mietengünstigen Wohnungen gefördert werden“, rechnet BBU-Vorständlerin Maren Kern vor. Diese Neubauwohnungen könnten zu einer Nettokaltmiete von rund 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Der BBU, in dem vor allem die städtischen und die ehemals gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften organisiert sind, fordert 30.000 neue Sozialwohnungen in den nächsten zehn Jahren. Dabei möchte der Verband nicht kleckern, sondern klotzen: Es solle „nicht mehr in Hunderter-, sondern in Tausenderschritten gedacht werden“, so Maren Kern, die sich auch den Bau neuer Großsiedlungen vorstellen kann. Der BBU hat schon konkrete Baufelder im Auge: neben dem Tempelhofer Feld auch das Tegeler Flughafengelände und innenstadtnahe Kleingartenanlagen.
„Berlin ist zurzeit für den stattfindenden kontinuierlichen Zuwachs von 12.000 bis 15.000 Haushalten pro Jahr nicht gerüstet“, erklärt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Wir brauchen öffentliche Fördermittel für mindestens 2000 Neubauwohnungen pro Jahr.“ Der BMV plädiert für das Konzept der „Sozialen Bodennutzung“: Bauherren sollen dazu verpflichtet werden, bei ihren Wohnungsbauvorhaben einen Mindestanteil von 30 Prozent preiswerten Wohnraums zu errichten. Dazu sind Fördermittel anzubieten. In den Baugenehmigungen sollen Ausgleichsmaßnahmen für eventuelle Nachteile in der Nachbarschaft, etwa durch eine Verdichtung, fest verankert werden. Außerdem müssten die Bezirke finanziell in die Lage versetzt werden, die zusätzlich benötigten Infrastruktur-Einrichtungen wie Kitas und Schulen zu schaffen. „Politik und Verwaltung dürfen nicht den Fehler begehen, Qualität auf dem Altar quantitativer Herausforderungen zu opfern“, mahnt Reiner Wild.
Ein Blick über den Stadtrand hinaus
„Wir sind schon dabei, uns die Beispiele von Hamburg, Köln und München näher anzuschauen, zu gucken, ob die auf Berlin übertragbar sind, und was das jeweils kostet“, sagt Berlins Baustaatssekretär Ephraim Gothe. Da gibt es allerhand zu sehen.
Hamburg hat sich zum Ziel gesetzt, jährlich 1800 öffentlich geförderte Mietwohnungen neu zu bauen. Die Anfangsmiete beträgt hier 5,90 Euro. Die Bindung läuft über 15 Jahre.
Auch München baut jährlich 1800 geförderte Wohnungen, um den Sozialwohnungsbestand aufrecht zu erhalten. Die nach Einkommen gestaffelte Einstiegsmiete beginnt hier bei 5,50 Euro. Die Stadt setzt jährlich 160 Millionen Euro an Fördermitteln ein. In Bayern gelten die Bindungen 25 Jahre.
Die Stadt Köln will jährlich 1000 geförderte Wohnungen für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen bauen. An allen Neubaustandorten soll ein Viertel der Wohnungen gefördert werden. Die Miete liegt je nach Einkommen anfangs bei 5,25 Euro oder 6,35 Euro und kann um 1,5 Prozent pro Jahr steigen. Die Belegungsrechte gelten vereinbarungsgemäß 15 oder 20 Jahre.
Höchste Eisenbahn
Wer ein geringes Einkommen hat, findet besonders in der Innenstadt kaum noch eine bezahlbare Wohnung. Die Mieten steigen hier seit 2007 stark an, und die Leerstandsquote ist schon unter die Drei-Prozent-Marke gerutscht, die als Mindestmaß für einen funktionierenden Wohnungsmarkt gilt. Durch den steten Zuzug nach Berlin wird die Lage immer dramatischer. Im Jahr 2012 hat Berlin erstmals seit der Wiedervereinigung die Grenze von 3,5 Millionen Einwohnern überschritten, und das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg prognostiziert, dass Berlin bis zum Jahr 2030 auf 3,75 Millionen Einwohner weiterwachsen wird. Die Berliner werden auch immer älter: Die Zahl der Menschen im Rentenalter wird bis 2030 um 14 Prozent zunehmen. Daher wächst auch der Bedarf an kleinen, bezahlbaren, altengerechten Wohnungen.
MieterMagazin 1+2/13
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17.08.2013