Der Soziale Wohnungsbau der Bundesrepublik Deutschland wurde 1950 mit der Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes aus der Taufe gehoben. Angesichts der großen Wohnungsnot in den kriegszerstörten Städten beschloss die Bundesregierung, unter Einsatz öffentlicher Mittel erschwingliche Wohnungen „für breite Schichten des Volkes“ zu errichten. In der Hochphase des Wiederaufbaus in den 50er Jahren machte die Wohnungsbauförderung bis zu 50 Prozent des Bundeshaushalts aus.
Das 1956 beschlossene Zweite Wohnungsbaugesetz zielte verstärkt auf die Förderung von Wohneigentum ab und war fast 50 Jahre lang die Grundlage für den Sozialen Wohnungsbau. In den Großstädten überwog jedoch der geförderte Mietwohnungsbau – so auch in Berlin.
Je nach Förderprogramm unterstützte der Staat den Sozialen Wohnungsbau mit verschiedenen Instrumenten: mit zinsgünstigen Baudarlehen, Aufwendungsdarlehen und nicht rückzuzahlenden Aufwendungshilfen und -zuschüssen. Dazu kamen attraktive Steuerabschreibungsmöglichkeiten. Sowohl gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften als auch kommerzielle Bauträger oder Einzelpersonen konnten die Förderung in Anspruch nehmen.
In eine Sozialwohnung darf nur einziehen, wer ein begrenztes Einkommen hat und dies mit einem Wohnberechtigungsschein (WBS) nachweisen kann. Die Mieten sind gebunden. Dabei gilt das Prinzip der sogenannten Kostenmiete: Aus den tatsächlichen Aufwendungen, die beim Bau eines Hauses angefallen sind – dazu gehören die Baukosten, die Zinsbelastungen und die laufenden Bewirtschaftungskosten – ermittelt die Investitionsbank Berlin (IBB, vormals: WBK/Wohnungsbaukreditanstalt) die Kostenmiete. Sie ist die höchstzulässige Miete. Damit sollte verhindert werden, dass mit dem Sozialen Wohnungsbau ungerechtfertigte Gewinne gemacht werden.
In aller Regel ist aber die Kostenmiete deutlich höher als das, was ein Sozialmieter zahlen kann. Deshalb wird durch öffentliche Mittel die Miete auf ein erträgliches Maß reduziert, auf die sogenannte Bewilligungsmiete oder Sozialmiete. Das Mietpreisrecht ist bei Sozialwohnungen gegenüber den nicht öffentlich geförderten Wohnungen grundlegend anders.
Die Bindungen einer Sozialwohnung greifen so lange, bis alle Förderdarlehen zurückgezahlt sind. Dies dauert meist mehrere Jahrzehnte. Danach sind die Wohnungen keine Sozialwohnungen mehr. Die Mietpreis- und Belegungsbindungen entfallen, die Wohnungen gehen in das Vergleichsmietensystem über, das heißt: Mieterhöhungen sind wie üblich nach dem Mietspiegel möglich.
Im Jahr 2002 hat das Wohnraumförderungsgesetz das Zweite Wohnungsbaugesetz von 1956 abgelöst. Das Prinzip der Kostenmiete wurde dabei aufgegeben, stattdessen wird die höchstzulässige Miete in der Förderzusage festgelegt. Für die alten Sozialwohnungsbestände gelten jedoch weiterhin die Gesetze, die zu Zeiten ihrer Förderung gültig waren.
Mit der Föderalismusreform von 2006 ist die soziale Wohnraumförderung ausschließlich Sache der Länder geworden. Sie können nun eigene Gesetze zum Sozialen Wohnungsbau beschließen. Dies haben bisher sechs Länder getan: Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Angesichts der bedrängten Lage im Berliner Sozialwohnungsbau fordert der Berliner Mieterverein (BMV) seit Jahren ein Landeswohnraumförderungsgesetz. Der Senat verweigert dies jedoch beharrlich.
Für die wegfallenden Finanzhilfen des Bundes stehen den Ländern bis 2019 Kompensationsleistungen zu. Für die Jahre 2007 bis 2013 zahlt der Bund jährlich 518 Millionen Euro an die Länder, danach sollen diese Transferleistungen überprüft werden.
Die Zahl der Sozialwohnungen schrumpft in Deutschland insgesamt rapide. Im Jahr 1987 gab es in der damaligen Bundesrepublik 3,9 Millionen gebundene Wohnungen. Bis 2002 ging die Zahl in ganz Deutschland auf knapp 2,5 Millionen zurück. Heute sind es nur noch 1,5 Millionen. Im Jahr werden bundesweit rund 30.000 neue Sozialwohnungen gebaut, darunter aber nur 10.000 Mietwohnungen. Weil gleichzeitig 130.000 Wohnungen aus der Bindung fallen, bleibt per saldo ein jährliches Minus von 100.000. Gleichzeitig wächst in Deutschland die Zahl der Haushalte, vor allem in den Städten.
„Wir steuern geradewegs auf eine echte Wohnungsnot zu“, mahnt Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB). „Wir benötigen mindestens 150.000 neue Mietwohnungen pro Jahr, davon 40.000 Sozialmietwohnungen.“ Der DMB fordert, dass die jährlichen Kompensationszahlungen des Bundes an die Länder zweckgebunden für den Neubau von Sozialmietwohnungen eingesetzt werden. „Gleichzeitig müssen die Länder für den Sozialwohnungsbau weitere eigene Finanzmittel zur Verfügung stellen“, so Rips.
Die Bauförderung der Weimarer Zeit: Am kleinen Mann vorbei
Nachdem im Kaiserreich der Wohnungsbau allein privaten Investoren überlassen worden war, schuf die Weimarer Republik ab 1919 ein System öffentlicher Wohnungsbauförderung, um die akute Wohnungsnot zu bekämpfen. Großen Schwung in die Bautätigkeit brachte die ab 1924 bei den Hauseigentümern erhobene Hauszinssteuer, die als günstige Baudarlehen vom Staat wieder ausgereicht wurden. Mit dieser Förderung haben in Berlin gemeinnützige Baugesellschaften bis 1932 die fortschrittlichen Siedlungen errichtet, von denen einige heute zum UNESCO-Welterbe zählen. Die Höhe der Mieten war dabei allerdings nicht eindeutig festgelegt. Die Hauszinssteuer-Richtlinien für Preußen von 1931 schrieben vor, dass die Mieten „in der Regel“ höchstens 50 Prozent über der „Friedensmiete“ von 1914 liegen dürften. Die Kleinwohnungen sollten demnach zwischen 20 und 40 Reichsmark im Monat kosten. Tatsächlich musste man zum Beispiel in der Siemensstadt für die kleinste Zweizimmerwohnung 50 Mark bezahlen, in der Siedlung Onkel Toms Hütte sogar 71 Mark. Für Arbeiterfamilien war das eindeutig zu teuer.
MieterMagazin 1+2/13
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BMV-Infoblätter zu Fragen des Sozialen Wohnungsbaus:
Info 47: „Ende der Preisbindung“
Info 53: „Welche Miethöhe ist zulässig?“
Info 72: „Tipps zum Wohnberechtigungsschein“
Info: 112 „Wohnungsarten und Wohnformen“
Info 147: „Wegfall der öffentlichen Förderung im Steuerbegünstigten Wohnungsbau“
Info 153: „2. Förderungsweg – Vertraglich geförderte Wohnungen“ und
Info 165: „Wegfall der Anschlussförderung“.
Erhältlich in den BMV-Beratungsstellen und auf
www.berliner-mieterverein.de
Wohnraumförderungs-
gesetz (WoFG):
www.gesetze-im-internet.de/wofg
27.11.2016