Der Senat und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg haben den Griff der Deutschen Wohnen nach 756 Wohnungen an der Karl-Marx-Allee teilweise abgewehrt. Viele Wohnungen gingen über das individuelle Vorkaufsrecht der Mieter an die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag.
Im Oktober hatte die Deutsche Wohnen die vier Blöcke C-Nord, C-Süd, D-Nord und D-Süd gekauft. Da das börsennotierte Unternehmen für unheilvolle Praktiken bekannt ist, schlugen die Mieter Alarm. Weil der Block D-Süd mit 81 Wohnungen im Milieuschutzgebiet Weberwiese liegt, konnte der Bezirk sein Vorkaufsrecht geltend machen. Die Deutsche Wohnen erklärte zwar, auf mietpreistreibende Modernisierungen zu verzichten und die Wohnungen für zehn Jahre nicht in Eigentum umzuwandeln, dem Bezirk genügte das jedoch nicht. Das Vorkaufsrecht wurde zugunsten des städtischen Wohnungsunternehmens WBM geltend gemacht.
„Ich schöpfe alle Möglichkeiten aus, um die Menschen in ihren Wohnungen und Kiezen vor Verdrängung zu schützen“, erklärte Baustadtrat Florian Schmidt. „Ohne die Kooperation mit der Landesebene wäre das nicht möglich.“
In den übrigen Blöcken mit 675 Wohnungen hatten nur die Mieter ein Vorkaufsrecht für ihre Wohnungen. Die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Finanzen haben zusammen mit dem Bezirksamt deshalb in kurzer Zeit das neue Modell des „gestreckten Erwerbs“ entwickelt: Alle Mieter erhalten von der Investitionsbank Berlin einen Kredit für den Kauf ihrer Wohnung und können diese risikolos sofort an die Gewobag weiterverkaufen. Damit wären die Wohnungen rekommunalisiert.
Bis zum Ablauf der Frist am 3. Januar haben in den drei Blöcken 34, 40 und 46 Prozent der Mieter ihr Vorkaufsrecht in Anspruch genommen – also deutlich mehr als die 26 Prozent, die für eine Sperrminorität in der Eigentümergemeinschaft notwendig sind. „Dies zeigt, dass der Senat den vorhandenen Bedarf richtig eingeschätzt und mit dem Angebot einer Rekommunalisierung richtig gehandelt hat“, erklärt Stadtentwicklungsstaatssekretär Sebastian Scheel.
Die Deutsche Wohnen will das nicht hinnehmen. Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Michael Zahn, spricht von einem „durchsichtigen juristischen Kniff“ und einem „rechtlich fragwürdigen Vorgehen“. Im Dezember verkündete er gleich noch den Kauf des Blocks F-Nord mit weiteren 151 Wohnungen. Auch hier könnte der „gestreckte Erwerb“ angewandt werden.
Der Berliner Mieterverein sieht in dem Einstieg in die Rekommunalisierung einen „großen Erfolg“, so Geschäftsführer Reiner Wild. Senat und Gewobag sollten sich nun auch für den Schutz der Mieter einsetzen, die das Vorkaufsrecht nicht genutzt haben.
Jens Sethmann
25.01.2019