Bei umfangreicher Modernisierung und Beseitigung gravierender Mängel kann der Mieter nicht in seiner Wohnung bleiben. Als erstes stellt sich dann häufig die Frage, welche Ansprüche man als Mieter in einem solchen Fall hat. Im Gesetz steht dazu wenig: § 555 d Abs. 6 BGB sieht vor, dass der Vermieter alle modernisierungsbedingten Aufwendungen des Mieters ersetzen und hierfür auch Vorschuss leisten muss. Weil es keine Grundsatzurteile hoher Gerichte zur Frage der Kosten für Ersatzunterkünfte gibt, ist jeder Einzelfall tückisch. Eine Beratung vor Beginn der Modernisierungsmaßnahmen ist in jedem Fall empfehlenswert. Denn bei unkooperativen Vermietern bleibt man sonst gegenüber dem Vermieter oft auf seinen Kosten sitzen.
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
- Muss der Vermieter eine Ersatzunterkunft stellen?
- Was muss der Mieter bei der Suche nach einem Ersatzquartier beachten?
- Wie verhält es sich, wenn nur einzelne Räume
bei Modernisierungsarbeiten nicht genutzt werden können? - Welche Besonderheiten gelten für einen Hotelaufenthalt?
- Was ist „angemessen“ für alte, schwerbehinderte und
pflegebedürftige Menschen? - Muss der Vermieter auch Umzugs-, Rückzugs-, Reinigungs-
und Lagerkosten tragen? - Muss der Vermieter auch dann umzugsbedingte Aufwendungen zahlen,
wenn der Mieter kündigt? - Was müssen Mieter bei reparaturbedingten Umzügen beachten?
- Kann der Mieter bei einer – gegenüber seiner Wohnung schlechteren – Ersatzunterkunft zusätzlich die Miete mindern?
- Gibt es eine zeitliche Grenze für den Verbleib in einer Ersatzunterkunft?
1. Muss der Vermieter eine Ersatzunterkunft stellen?
Eine strittige Frage, die das Landgericht Berlin im Zusammenhang mit einer Modernisierung bejaht hat. Demnach lässt sich dem Begriff der „Duldung” nach § 555 d Abs. 1 BGB keine Verpflichtung oder auch nur Obliegenheit des Mieters entnehmen, das Modernisierungsvorhaben des Vermieters dadurch aktiv zu unterstützen, dass er seinen Ersatzwohnbedarf selbst deckt. Dem Wortsinn nach erfasse der Begriff der Duldung ein passives Verhalten, während die Suche nach Ersatzwohnraum eine erhebliche, zudem äußerst kurzfristige Aktivität erfordere (Landgericht Berlin vom 17. Februar 2016 – 65 S 301/15). Bei Instandsetzungen dürfte der Mieter dagegen in der Regel verpflichtet sein, sich selbst ein Ersatzquartier zu suchen.
2. Was muss der Mieter bei der Suche nach einem Ersatzquartier beachten?
Der Mieter ist verpflichtet, die Kosten für eine zeitweilige Ersatzunterkunft so gering wie möglich zu halten. Es ist ratsam, mehrere Angebote einzuholen. Ein Appartement mit Kochmöglichkeit ist zu bevorzugen, da sonst unangemessen hohe Kosten fürs Essengehen anfallen können. Schlägt der Mieter das Angebot des Vermieters auf eine zumutbare Ersatzwohnung aus dessen Bestand aus, kann er keine Kostenerstattung für aufgewandte Kosten für das Ersatzquartier fordern. Allerdings: Je länger die eigene Wohnung unbenutzbar ist, desto weniger wird der Mieter sich mit einer vom Standard erheblich abweichenden Ersatzunterkunft zufrieden geben müssen.
3. Wie verhält es sich, wenn nur einzelne Räume bei Modernisierungsarbeiten nicht genutzt werden können?
Hier kann der Mieter einen Anspruch auf eine adäquate Ersatzunterkunft haben. Nach Ansicht des Amtsgerichts Schöneberg ist es unzumutbar, bei vierwöchigen Arbeiten an der Holzbalkendecke in einer leeren, aber kleineren Nachbarwohnung zu schlafen und sich zum Kochen und Duschen in die von den Bauarbeiten nicht betroffenen entsprechenden Räume der eigenen Wohnung zu begeben (Amtsgericht Schöneberg vom 21. August 2015 – 19 C 458/14).
4. Welche Besonderheiten gelten für einen Hotelaufenthalt?
Im Einzelfall kann fraglich sein, ob eine Hotelunterkunft angemessen ist. So rechtfertigt zum Beispiel der kurzzeitige Ausbau von Sanitäreinrichtungen im Rahmen von Modernisierungsarbeiten keinen Hotelaufenthalt – eine Unterbrechung der Wasserzufuhr von Freitag bis Montag aber durchaus. Ein Hotelpreis von 200 Euro für das Wochenende ist gerade noch angemessen (Amtsgericht Mitte vom 10. März 2021 – 17 C 237/20). Allgemein gelten Hotelkosten von rund 60 Euro je Nacht als nicht zu hoch.
5. Was ist „angemessen“ für alte, schwerbehinderte und pflegebedürftige Menschen?
Ausnahmsweise kann alten und schwerbehinderten Mietern der Verbleib in ihrer Wohnung selbst dann unzumutbar sein, wenn die Modernisierungsarbeiten allgemein als relativ geringfügig empfunden werden (Landgericht Berlin vom 18. März 2016 – 65 S 171/15).
Bei umfangreichen Maßnahmen wie dem Herausreißen von Bad und Küche oder dem Einbau neuer Heizkörper im Winter können pflegebedürftige Mieter eine Kurzzeitpflege beanspruchen. Von diesen Aufwendungen abzuziehen sind die gegebenenfalls von der Pflegekasse übernommenen anteiligen Kosten. Vom Vermieter zu erstatten sind die Mietkosten für einen Fernseher, weil der pflegebedürftige Mieter einen Anspruch darauf hat, seinen Lebensstandard beizubehalten.
6. Muss der Vermieter auch Umzugs-, Rückzugs-, Reinigungs- und Lagerkosten tragen?
Ja, diese Positionen gehören zu den Aufwendungen, die der Vermieter tragen muss, ebenso wie Kosten einer notwendigen Einlagerung der Möbel und besonders gefährdeter Hausratsgegenstände und Pflanzen. All das muss der Vermieter auch organisieren. Weigert er sich, kann der Mieter dies selbst erledigen. Für eigene Arbeitsstunden oder für die eines freiwilligen Helfers kann er 10 Euro je Stunde berechnen.
7. Muss der Vermieter auch dann umzugsbedingte Aufwendungen zahlen, wenn der Mieter kündigt?
Nein. Kündigt der Mieter wegen bevorstehender, umfangreicher Modernisierungsmaßnahmen, handelt es sich bei seinen Umzugskosten nicht um eine Aufwendung, die ersetzt werden muss.
8. Was müssen Mieter bei reparaturbedingten Umzügen beachten?
Solange der Vermieter noch nicht mit der Instandsetzung begonnen hat, können Mieter die Kosten einer Ersatzunterkunft dem Vermieter nicht in Rechnung stellen. Ein Beispiel: Die Wohnung steht nach einem Wasserschaden unter Wasser. Sofern der Vermieter den Wasserschaden nicht verschuldet hat, muss der Mieter anfangs die Kosten für den Hotelaufenthalt aus eigener Tasche bezahlen. Erst mit Beginn der Reparaturarbeiten muss der Vermieter für die Kosten aufkommen. Anders ist es, wenn der Vermieter die Arbeiten bewusst verschleppt: Dann kann er ab Verzugseintritt im Wege des Schadenersatzes zur Übernahme der Kosten verpflichtet sein.
9. Kann der Mieter bei einer – gegenüber seiner Wohnung schlechteren – Ersatzunterkunft zusätzlich die Miete mindern?
Das ist zwar umstritten, aber im Einzelfall vertretbar. Beispiel: Die unbenutzbare Wohnung kostet 500 Euro, die Ersatzunterkunft in einer Pension 700 Euro. Der Vermieter zahlt als Ausgleich 200 Euro. Der Mieter verlangt weitere 100 Euro, also eine Minderung von 20 Prozent, da das Pensionszimmer kleiner, lauter und nicht mit seinen Möbeln ausgestattet ist. Das Landgericht Berlin hat sogar jüngst geurteilt, dass der Mieter bei Unbenutzbarkeit seiner eigenen Wohnung weder Miete für diese noch Nutzungsentgelt für die zur Verfügung gestellte Ersatzunterkunft schuldet (LG Berlin, Urteil vom 24. März 2021 – 67 S 336/20). Ausgeschlossen ist die Minderung, wenn der Vermieter dem Mieter eine gleichwertige Ersatzunterkunft mit vergleichbarem Standard stellt.
10. Gibt es eine zeitliche Grenze für den Verbleib in einer Ersatzunterkunft?
Grundsätzlich wird der Vermieter dem Mieter nicht zumuten können, länger als ein Jahr in einer Ersatzunterkunft zu wohnen, in diesem Sinne: Landgericht Berlin vom 17. Februar 2016 – 65 S 301/15. Steht diese Dauer von Anfang an fest, darf der Mieter der geplanten Modernisierung im Einzelfall sogar einen Härtegrund entgegenhalten. Doch was tun, wenn er im Umsetzquartier ist und die Bauarbeiten sich dann monatelang verzögern? Für diesen nicht seltenen Fall sollte vereinbart werden, dass bei Verzögerungen eine zusätzliche Minderung der Mietzahlung zulässig ist. Wegen solcher Unwägbarkeiten ist es sinnvoll, alle möglichen Streitpunkte in einer Vereinbarung vorab zu regeln.
Sebastian Bartels
29.01.2022