Wenn Mieter durch eine Ferienwohnungsnutzung im Haus regelmäßig gestört werden, haben sie das Recht, die Miete zu mindern. Sie müssen dazu auch nicht jede einzelne Beeinträchtigung protokollieren. Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar.
Zur Verhandlung stand ein Fall aus der Wilhelmstraße in Berlin-Mitte. Von den 933 Wohnungen der Anlage werden über 250 als Ferienapartments an Touristen vermietet. Weil die Gäste nachts häufig lautstark feiern, in Treppenhäusern und Fluren Müll hinterlassen und immer wieder mitten in der Nacht wahllos bei den Mietern klingeln, um ins Haus zu kommen, hat ein Mieter die Miete um 20 Prozent gemindert. Der Vermieter kündigte ihm daraufhin wegen des eingetretenen Zahlungsverzuges und reichte eine Räumungsklage ein. Vor dem Amtsgericht Mitte scheiterte die Klage zwar, doch in der Berufung sprach das Landgericht Berlin dem Mieter das Recht ab, die Miete zu mindern, weil er die Beeinträchtigung nicht genau genug dargelegt habe und somit nicht ersichtlich sei, dass die Störungen über das übliche Maß in einem „normalen“ innerstädtischen Mietshaus hinausgehen.
Der BGH kassierte dieses Urteil jedoch in der Revision. Die Vermietung von Wohnungen an Touristen an sich sei zwar noch kein Grund zur Mietminderung, doch die vom Mieter dargestellten Belästigungen gehen nach Auffassung des BGH weit über das übliche Maß hinaus.
Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm oder Schmutz ist kein minutiöses Protokoll erforderlich. Es genügt grundsätzlich zu beschreiben, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz welche Beeinträchtigungen – etwa Partygeräusche, Musik, Lärm durch Putzkolonnen – ungefähr auftreten. Der Fall wurde zur Neuverhandlung an das Landgericht zurückverwiesen, wo über die konkrete Höhe der Minderung entschieden werden muss.
Der Deutsche Mieterbund (DMB) begrüßt das Urteil: „Der Bundesgerichtshof hat klargemacht, dass das Recht zur Mietminderung nicht durch die Hintertür eingeschränkt werden darf, zum Beispiel dadurch, dass man von Mietern Mängelbeschreibungen und Nachweise verlangt, die diese in der Praxis gar nicht erfüllen können“, sagt DMB-Direktor Lukas Siebenkotten.
Aus dem BGH-Urteil ergibt sich auch ein Anspruch der Mieter auf Beseitigung der Mängel. Sie können den Vermieter auffordern, dafür zu sorgen, dass die Gäste die Hausordnung einhalten. Die Erfahrung in der Wilhelmstraße zeigt aber, dass dies ein steiniger Weg ist.
Der Berliner Mieterverein (BMV) fordert deshalb die Landesregierung auf, das Ferienwohnungsproblem grundsätzlich zu lösen. „Es wird höchste Zeit, dass Stadtentwicklungssenator Müller eine Verordnung zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum erlässt“, mahnt der BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Damit könnten auch rasch wieder Tausende von Wohnungen dem Wohnungsmarkt zugeführt werden.
Jens Sethmann
Mehr Informationen zum Thema "Zweckentfremdung von Wohnraum" (Mai 2016):
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MieterMagazin 4/12
Lärm und andere Störungen berechtigen zur Mietminderung: Wohnhaus mit Ferienapartments in der Wilhelmstraße 88
Foto: Sabine Münch
BGH-Urteil vom 29. Februar 2012
Aktenzeichen VIII ZR 155/11
06.07.2017