Als die Stadtverordnetenversammlung James Friedrich Ludolph Hobrecht auf Vorschlag des Magistrats von Berlin im Jahr 1869 zum leitenden Techniker für den Bau eines Entwässerungssystems berief, hatte die preußische Hauptstadt noch weniger als eine Million Einwohner. Heute sind es 3,7 Millionen. Aus dieser Zahl, aber auch aus neuen Normen und dem Klimawandel, resultieren neue Anforderungen an die Abwasserentsorgung und -reinigung. Mit durchschnittlich 117,90 Euro im Jahr ist die Abwasserentsorgung auch eine entscheidende Position in den Betriebskostenabrechnungen der Berliner Haushalte.
James Hobrecht entwarf ein Radialsystem von Kanälen, das die Stadt in zwölf Unterflächen aufteilte. Die Abwässer flossen zu Stationen an den tiefsten Stellen und wurden von dort auf die vor den Toren der Stadt angelegten Rieselfelder gepumpt. Und die Abwassermenge wuchs. Waren es 1887 noch 42 Millionen Kubikmeter, flossen 1935 bereits 237 Millionen Kubikmeter Abwasser durch die Kanalisation. Die Rieselfelder sind heute Geschichte. 2017 reinigten die sechs Berliner Klärwerke 262 Millionen Kubikmeter Abwasser – umweltfreundlich, schnell und zuverlässig.
Das Abwasser der Haushalte besteht aus Toilettenwasser, Küchenwasser mit Gemüse- und Speiseresten sowie Putz-, Wasch- und Badewasser. Niederschlagswasser enthält den Schmutz von Dächern, Höfen, Gärten und Straßen. In den Klärwerken durchläuft das Abwasser zunächst eine mechanische Reinigungsstufe mit Rechen, Sandfang und Absetzbecken. In der biologischen Reinigungsstufe werden Phosphor- und Stickstoffverbindungen entfernt. Ungelöste und biologisch abbaubare gelöste Schmutzstoffe werden zu 97 Prozent zurückgehalten. Das gereinigte Abwasser, das sogenannte Klarwasser, wird über Flüsse und Kanäle wieder dem Wasserkreislauf zugeführt.
Mit der Überprüfung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2019 werden auch die Anforderungen an die Klärwerke steigen. Mit dem Klarwasser dürfen keine Rückstände von Medikamenten, Süßstoffen und Reinigungsmitteln ins Trinkwasser gelangen. Das Klarwasser aus dem Klärwerk Schönerlinde fließt zum Beispiel über den Nordgraben in den Tegeler See. Die Trinkwasserbrunnen um den See versorgen eine Million Berliner mit Trinkwasser. Künftig zerstört eine zusätzliche Reinigungsstufe im Klärwerk mithilfe von Ozon die Spurenstoffe, die dann mit Aktivkohle herausgefiltert werden.
Für die Abwasserentsorgung berechnen die Berliner Wasserbetriebe einen Grundpreis, abhängig von der Zählergröße, und einen Mengenpreis von 2,30 Euro pro Kubikmeter. Das durchschnittliche Entgelt für die Abwasserentsorgung lag für die Mieter in Berlin laut Betriebskostenübersicht 2017 bei 0,23 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat plus 0,05 Euro für das Niederschlagswasser. Durchschnittlich zahlt jeder Berliner im Jahr 117,90 Euro für die Abwasserentsorgung – 92 Euro als Mengenpreis für 40 Kubikmeter Schmutzwasser, 18 Euro Niederschlagswasserentgelt für zehn Quadratmeter und 7,90 Euro als Grundpreis für den Hausanschluss. Davon verwenden die Berliner Wasserbetriebe 29,94 Euro für die Abwasserbehandlung, 12,43 Euro für Verwaltung, Kundenservice und Abrechnung und 11,41 Euro für den Betrieb der Pumpwerke und des Druckrohrnetzes. Der Hauptteil – 64,12 Euro – wird jedoch in die Unterhaltung und Sanierung der Abwasserkanäle investiert.
Ein Netz von 9700 Kilometern
9700 Kilometer lang sind die Berliner Abwasserkanäle – das entspricht der Entfernung zwischen Berlin und Peking. Sie bestehen aus Schmutzwasser-, Regenwasser-, Mischwasser- und Sonderkanälen. Jährlich werden mehr als 60 Kilometer Berliner Abwasserkanäle erneuert. Das Abwasser muss schließlich zur Behandlung ins Klärwerk transportiert werden und darf nicht ins Grundwasser gelangen. Wer sich über aufgerissene Straßen oder Gehwege und über laute Baufahrzeuge aufregt, sollte bedenken, dass sich das angesichts des in manchen Teilen über hundert Jahre alten Rohr- und Kanalnetzes nicht immer vermeiden lässt – auch wenn fachkundiges Personal, innovative Robotertechnik und Spezialfahrzeuge mit Hochdruckspülung im Einsatz sind. Moderne grabenlose Sanierungsverfahren, die inzwischen bei drei Vierteln der Sanierungsarbeiten angewandt werden, reduzieren die Kosten und die Dauer der Bauarbeiten erheblich.
Manche Siedlung ist noch „offline“
Noch immer sind nicht alle Siedlungsgebiete an das Berliner Abwassernetz angeschlossen. Für Biesenhorst, Karow Süd und Ost, Buchholz Nord I und Schönholz wird sich das in den nächsten Jahren ändern. Auch die geplanten großen Neubaugebiete stellen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) vor neue Herausforderungen. Für fünf schnell wachsende Einfamilienhaus-Siedlungen in Pankow und Marzahn bauen die BWB ab diesem Jahr die Kanäle. 2,3 Milliarden Euro wollen sie bis 2023 investieren.
Im langjährigen Durchschnitt fallen pro Quadratmeter und Jahr in Berlin 590 Liter Niederschlag in Form von Regen, Schnee oder Hagel. Mit zunehmender Versiegelung, aber auch durch Starkregen infolge des Klimawandels steigt jedoch der Oberflächenabfluss. Das Risiko von Überflutungen im städtischen Raum nimmt zu, die Kapazität der Kanalisation reicht oft nicht aus, und es kommt zum unkontrollierten Überlauf in die Gewässer. Damit solche Überläufe seltener werden, planen und bauen die Berliner Wasserbetriebe bis 2024 rund 303.000 Kubikmeter Stauraumkanäle und andere Speicher, von denen 236.000 Kubikmeter bereits fertig sind. Bis Ende 2019 entsteht zum Beispiel unter dem Mauerpark in Pankow ein unterirdischer Stauraumkanal für 7,4 Millionen Liter Abwasser.
Niederschlagswasser soll künftig möglichst komplett auf dem Grundstück zurückgehalten und durch Wasserflächen oder Dachbegrünungen verdunstet, als Betriebswasser genutzt oder über Versickerungsmulden und teilversiegelte Oberflächen versickert werden. Eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung ermöglicht eine anteilige oder sogar vollständige Befreiung des Vermieters vom Niederschlagswasserentgelt. Für den Mieter sinken damit die umlagefähigen Betriebskosten.
Rainer Bratfisch
Wofür kommt der Vermieter auf?
Die Kosten für die Beseitigung von Verstopfungen in den Abwasserrohren auf dem Gebäudegrundstück sind nicht umlagefähig, sondern vom Vermieter zu tragende Reparaturkosten. Auch Kanalanschlussgebühren oder Abwasserbeiträge für die Sanierung des Kanalnetzes sind keine umlagefähigen Nebenkosten, weil diese Arbeiten lediglich die vertragsgemäße Nutzung des Mietobjekts gewährleisten. Die Kosten einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Entwässerung sind ebenfalls nicht umlagefähig. Die Kosten für die Dachrinnenreinigung gehören dagegen, soweit sie mietvertraglich vereinbart sind, zu den sonstigen Betriebskosten.
rb
Lesen Sie auch zu diesem Thema:
25.05.2018