Im modernen Medienzeitalter wird die räumliche Trennung zwischen Arbeit und Privatleben immer mehr aufgehoben. Ein PC mit Internetanschluss reicht – und schon kann man von Zu Hause aus Versicherungen verkaufen, einen Online-Handel betreiben oder für eine Agentur arbeiten. Doch Vorsicht, das kann in bestimmten Fällen Ärger mit dem Vermieter geben.
Lange Zeit galt: Solange man in der Wohnung keine Mitarbeiter beschäftigt und keine Kunden empfängt, ist eine berufliche Nutzung unproblematisch. Der Bundesgerichtshof (BGH) sorgte dann im Jahre 2013 für eine Änderung dieser Praxis. Das Gericht hielt die Kündigung eines Mieters für gerechtfertigt, der in einem gemieteten Einfamilienhaus einen Hausmeister-Service betrieb (BGH vom 31. Juli 2013 – VIII ZR 149/13). Unter dieser Geschäftsadresse trat er auch gegenüber Kunden auf. „Bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, liegt eine Nutzung vor, die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss“, urteilte der BGH. Der Mieter hatte eingewandt, dass er keinerlei Besuche von Kunden oder Mitarbeitern hat. Darauf komme es nicht an, heißt es in dem Urteil, das sich auf eine Grundsatzentscheidung aus 2009 stützt (BGH vom 14. Juli 2009 – VIII ZR 165/08).
„Der BGH hat den Vermietern damit in unverantwortlicher Weise einen neuen Hebel in die Hand gegeben, um unliebsame Mieter loszuwerden“, kritisiert Christoph Müller. Der Fachanwalt für Mietrecht spricht von einer „lebensfremden Sicht“. Je nachdem, wie man dieses „Nach-Außen-Treten“ auslegt, reicht schon die Visitenkarte mit Privatadresse oder der Firmenname auf dem Briefkasten, um sich eine Kündigung einzuhandeln. „Eine Abmahnung sollte man auf jeden Fall ernst nehmen“, so Müller.
Ausgerechnet ein kommunales Wohnungsunternehmen, die Gewobag, geht derzeit gegen drei Mietparteien wegen unerlaubter gewerblicher Nutzung vor. Christoph Baumgarten, der seit 2007 einen Online-Handel mit Akkus betreibt, hat Ende März 2015 eine Abmahnung bekommen. Begründung: Auf seiner Internetseite habe er als Unternehmenssitz die Wohnadresse Schönhauser Allee 102 angegeben. Baumgarten hat sein Hauptlager in Köln, in seiner Wohnung bearbeitet er lediglich Bestellungen am Computer. Sein Nachbar Frank Volm wurde ebenfalls abgemahnt. Er betreibt als Kleinunternehmer einen Reparaturservice. „Zuhause schreibe ich höchstens mal Rechnungen“, sagt er. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er – ohne sein Wissen – auf Portalen wie „Pointoo“ oder „Meine Stadt“ mit seiner Wohnadresse gelistet war. Beide Mieter sind empört über die „Bespitzelung“. Die Vermutung, dass die Gewobag einen Anwalt beauftragt habe, der das Internet durchforstet, wird von dem Wohnungsunternehmen zurückgewiesen. „Unsere Mitarbeiter haben festgestellt, dass die Mieter ihre Wohnung als Unternehmenssitz im Internet bewerben“, heißt es dort.
Um keine Kündigung zu riskieren, hat sich Baumgarten mittlerweile einen Büroplatz gemietet. Frank Volm hat die Einträge in den Branchenverzeichnissen im Internet – soweit das möglich war – löschen lassen. Beide vermuten, dass die Gewobag nur einen Vorwand gesucht hat, um sie loszuwerden. Das betreffende Gebäude wird zurzeit saniert, die beiden gehören zu den letzten verbliebenen Mietern. „Wir verwahren uns aufs Schärfste gegen die Behauptung, wir würden die Mieter rausekeln wollen“, heißt es bei der Gewobag. Sie spricht sogar von Zweckentfremdung – eine irreführende Behauptung, denn das würde voraussetzen, dass die Wohnung vom Mieter nur zu gewerblichen Zwecken genutzt wurde.
Räumungsklage nach 30 Jahren Wohndauer
Noch schlimmer trifft es Martina Lannatewitz aus der Raumerstraße 11. Auch hier ist der Hintergrund eine umstrittene Modernisierung. Seit über zehn Jahren vermittelt die Mieterin im Auftrag einer Agentur Ferienwohnungen. Vom Computer zu Hause bearbeitet sie Buchungen. Ende 2014 erhielt sie deswegen eine Abmahnung. Diese wurde zwar von der Rechtsanwältin der Mieterin zurückgewiesen, dennoch ist sie weiterhin mit ihrer Privatadresse im Internet zu finden. „Was soll ich machen, einen Gewerberaum kann ich mir nicht leisten.“ Gegen Lannatewitz, die seit über 30 Jahren im Haus wohnt, hat die Gewobag mittlerweile Räumungsklage eingereicht.
Grundsätzlich gilt: Unter bestimmten Voraussetzungen hat man einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur beruflichen Nutzung. Spätestens wenn eine Abmahnung kommt, sollte man sich beraten lassen und gegebenenfalls auf Feststellung klagen.
Birgit Leiß
Klavierstunden nur mit Genehmigung
Nicht jede Berufsausübung in der Wohnung ist genehmigungspflichtig. Telearbeit von Angestellten, Unterrichtsvorbereitung von Lehrern oder schriftstellerische Tätigkeiten sind grundsätzlich zulässig. Auch Goldschmiedearbeiten sind zustimmungsfrei – sofern das mit keiner Außenwirkung verbunden ist. Das Erteilen von Musikunterricht bedarf dagegen – als störende Tätigkeit – einer Genehmigung.
bl
07.07.2017