Die Europacity nördlich des Hauptbahnhofs ist Berlins größtes innerstädtisches Investitionsprojekt – und mit Sicherheit eines der umstrittensten. Auf einer Fläche sieben Mal so groß wie der Potsdamer Platz entsteht ein neues Stadtviertel, das nach Auffassung der Bauherren für ein urbanes Lebensgefühl steht. Die Kritiker dagegen sprechen von einfallsloser Architektur und einer verpassten Chance, mitten im Herzen von Berlin ein modernes gemischtes Quartier zu schaffen. Es sei ein Beispiel dafür, dass man Stadtplanung nicht ausschließlich den Investoren überlassen kann.
Noch ist das Areal zwischen Nordhafen, Heidestraße und Humboldthafen eine riesige Baustelle. Doch die ersten Gebäude sind bereits bezogen, etwa die „Budapester Höfe“ mit 204 Mietwohnungen. Auch der „KunstCampus“ der Groth-Gruppe mit 120 exklusiven Eigentumswohnungen direkt am Wasser ist bereits seit 2017 belegt. Der Name ist allerdings etwas irreführend. Zumindest ist derzeit von den angekündigten Galerien im Erdgeschoss nichts zu sehen. Hinter einer Glasfront sind Fahrräder abgestellt. Der auf der Website angepriesene „Treffpunkt für Vernissagen und Kulturaustausch“ dient nämlich als „Kellerersatzraum“. „Mix it like Berlin“ verkündet ein Bauschild am künftigen Stadtplatz.
Susanne Torka vom Betroffenenrat Lehrter Straße erzählt, dass ausgerechnet hier, wo es für Wohnungen viel zu laut war, ein Kinderspielplatz entstehen soll. Dass die viel befahrene Heidestraße einmal ein baumbestandener Boulevard zum Flanieren sein wird – so sieht es der Masterplan vor – kann sich die Stadtaktivistin kaum vorstellen. Es scheint das Grundproblem der Europacity zu sein: viel versprochen – wenig umgesetzt. Oder könnte das alles noch kommen? Ist nicht jedes Neubaugebiet am Anfang steril und leblos, wie manche einwenden?
„Man hat uns eine kleinteilige Entwicklung versprochen“, erklärt Susanne Torka. Bei der Standortkonferenz im Jahre 2009, als der Masterplan im Rahmen der Bürgerbeteiligung vorgestellt wurde, hieß es, die Baufelder würden an viele unterschiedliche Bauherren vergeben, so dass jedes der sechs Teilquartiere ein eigenes Gesicht bekommen würde. Dann wurde das Areal unter zehn Investoren aufgesplittet, die aber zum Teil miteinander verpflochten sind. Statt abwechslungsreicher Architektur, so Torka, seien eintönige Blocks für Besserverdienende entstanden. Vor allem aber fehle es an Sozialwohnungen und öffentlichen Grünflächen. Das ganze Quartier sei angelegt auf die Logik des maximalen Profits, kritisiert Torka.
Der Architektur- und Stadtkritiker Claus Käpplinger erzählt, dass er unlängst Architekten aus Kopenhagen durch die Europacity geführt habe. Diese seien „erschrocken bis amüsiert“ gewesen darüber, dass Berlin als Hauptstadt so konventionell baut. „Das ist schade, denn ursprünglich war mehr gewollt“, sagt er.
Das Areal, einst wichtiger Bahn-Standort, gehörte vor der Entwicklung größtenteils zum Eisenbahnvermögen und damit dem Bund. Im Jahre 2008 hat dieser es an einen börsennotierten Immobilienfonds, die CA Immo, verkauft.
Damals waren Investoren noch nicht so zahlreich
Das Land hatte also nur begrenzten Einfluss – und war froh über den Großinvestor. „Man muss bedenken, dass die Planung aus einer Zeit stammt, in der Investoren noch nicht so zahlreich Interesse in Berlin zeigten“, meint Thomas Krüger, Architekt und Geschäftsführer von Ticket B, einem Büro, das Architekturführungen anbietet, unter anderem durch die Europacity. Das Land Berlin habe daher viele Zugeständnisse gemacht. Als größten strukturellen Fehler sieht er, dass der eingeplante Hafen weggefallen ist. „Das war ein Herzstück und hätte den wesentlichen Charme des Quartiers ausgemacht.“ Überhaupt habe man aus der Lage am Wasser viel zu wenig gemacht. Seine Befürchtung: „Wenn nun auch noch die Flick-Hallen wegfallen, wird dies der Todesstoß für die Europacity sein.“ Die Flick-Sammlung ist seit 2002 in den von der CA Immo vermieteten Rieck-Hallen neben dem Hamburger Bahnhof, dem Museum für Gegenwart, untergebracht. Der Vertrag soll demnächst auslaufen. Im Juli wurde bekannt, dass sie möglicherweise einem Immobilienprojekt weichen müssen.
Kunst und Kultur spielten früher auf der einstigen Brachfläche eine wichtige Rolle. In die „Halle am Wasser“ in der Heidestraße zogen in den 2000er Jahren eine Reihe kleinerer Galerien. Ateliers und Kleingewerbe folgten. Wo heute der Kunstcampus steht, wurde im legendären Tape-Club gefeiert. Man wolle keinen Kahlschlag betreiben, beteuerten die Investoren stets, sondern an diese Vergangenheit als Kulturstandort anknüpfen. Der im Jahre 2006, nach einem langen Planungs- und Abstimmungsprozess beschlossene Masterplan Heidestraße sieht einen flächenmäßigen Anteil von 3 Prozent für Kultur und Kreatives vor. Für Büros sind 58 Prozent vorgesehen, Wohnen macht 34 Prozent und Einzelhandel/Gastronomie 5 Prozent aus.
Wo war der Senat?
„Ich frage mich, wo die Kultur geblieben ist“, meint Käpplinger. Die Rieck-Hallen hätten keine nennenswerte Verbindung zum Quartier und die ursprünglich geplanten drei bis vier Wohnateliers wurden nachträglich gestrichen. Die Europacity, so der Architekturkritiker, sei repräsentativ für eine Stadtentwicklung durch Investoren. Der Senat habe sträflich versagt: „Wenn man die Planung nicht ausschließlich den Investoren überlassen hätte, wäre deutlich mehr zustande gekommen.“ Als Positivbeispiel für eine urbane Mischung, das gleichzeitig auch in die Nachbarschaft hineinwirkt, sieht er das genossenschaftliche Bauprojekt Möckernkiez. Auch die 16 knallroten Häuser mit Eigentumswohnungen des Projekts „Am LOK-Depot“ in Schöneberg seien ein sozial und funktional gemischtes, vielfältiges Stadtquartier – das allerdings unter den Anwohnern wegen der Gentrifizierung des gesamten Umfelds umstritten ist. Beide sind infolge ihrer viel geringeren Ausmaße aber nicht mit der Europacity vergleichbar.
Damit irgendwann einmal Leben in das neue Quartier einzieht, gilt der Frage der Erdgeschossnutzungen besonderes Augenmerk. Werden sich Bewohner, Beschäftigte und Besucher hier gerne aufhalten, vielleicht auf ein Bier treffen oder ins Kino gehen? Ob angesichts der hohen Mieten kleine Läden für den Nahbedarf, etwa Bäckereien oder ein Zeitungskiosk einziehen, darf bezweifelt werden. Bislang gibt es gerade einmal ein Restaurant. Ein Supermarkt soll erst in einigen Jahren kommen. Im „Tour Total“, einem markanten Hochhaus, in dem der Mineralölkonzern Total seine Deutschlandzentrale hat, sollte eigentlich ein öffentlich zugängliches Café ins Erdgeschoss ziehen. „Mit dem Tour Total erwacht Berlins Europacity“ titelte die „Berliner Morgenpost“ bei der Grundsteinlegung 2011. Doch heute essen hier ausschließlich die Mitarbeiter in einer Kantine.
Noch umstrittener ist freilich ein Deal, mit dem der CA Immo 16.000 Quadratmeter zusätzliche Geschossfläche genehmigt wurden. Die Gegenleistung für dieses großzügige Entgegenkommen: gerade einmal 42 geförderte Sozialwohnungen mehr. Von den insgesamt 3000 Wohnungen des Quartiers sind jetzt 270 mietpreisgebunden. Sie kosten 8 Euro nettokalt pro Quadratmeter. Das Modell der kooperativen Baulandentwicklung, das 25 Prozent beziehungsweise seit 2018 sogar 30 Prozent an Sozialwohnungen vorschreibt, kam für den größten Teil des Wohnungsbaus in der Europacity zu spät. Die Verträge mit den Investoren wurden bereits 2011 geschlossen. Nur im westlich der Heidestraße gelegenen „Quartier Heidestraße“, das auch zur Europacity gehört, kommt es zum Tragen. Doch weil hier überwiegend Büros und Gewerbe gebaut werden, fällt das anteilsmäßig kaum ins Gewicht. „Solche Beispiele zeigen, dass man den Investoren mehr geschenkt als abverlangt hat“, sagt Käpplinger.
Ein weiterer Streitpunkt: die öffentliche Infrastruktur. Eine Kita ist bereits in Betrieb gegangen, eine zweite ist geplant. Ob das reicht, bleibt abzuwarten. Eine Schule hat der neue Stadtteil nicht, allerdings aus guten Gründen. Eine „Ghettoschule“ nur für die Kinder der Besserverdienenden wollte niemand, daher entschied man sich, eine Schule außerhalb des Quartiers in der Boyen-/Chausseestraße zu bauen, die auch Kinder der umliegenden Kieze besuchen können. Doch wie die Kinder dahin kommen, solange weder eine S-Bahn noch eine U-Bahn fährt, ist unklar.
Zwar wird derzeit die neue S-Bahnlinie S 21 vom Gesundbrunnen zum Hauptbahnhof gebaut, doch man hat es versäumt, einen Halt für die Europacity einzuplanen. Der nachträgliche Einbau eines Bahnhofs an der Perleberger Brücke wird derzeit geprüft, wäre aber sehr kostspielig. Zudem wird die S-Bahn nicht vor 2029 fahren. Eine Tram soll erst ab 2035 durch die Heidestraße rollen. Um die Europacity mit den umliegenden Quartieren zu verbinden, sind drei Brücken geplant. Doch nur eine, die nach Mitte, soll 2021 fertiggestellt werden. „Ein lebendiges Stadtquartier, vernetzt mit den umliegenden Gebieten, ist das nicht“, lautet daher das Fazit von Claus Käpplinger. Selbst in der Hamburger Hafencity – wo übrigens die gleichen Entwickler am Werk waren – habe man ein bisschen mehr Wert auf die Infrastruktur gelegt: „Aber auch dort ist es jenseits der Bürozeiten fast ausgestorben.“ Es sei viel zu spät und viel zu zaghaft damit begonnen worden, für die öffentliche Infrastruktur zu sorgen.
Auch die Senatsbaudirektorin würde es heute anders machen
Zu den wenigen Fans der Europacity zählt Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Sie hat den Masterplan maßgeblich mit erarbeitet. Auch sie würde heute einiges anders machen, wie sie unumwunden einräumt. Vor allem würde sie sich mehr bezahlbare Wohnungen wünschen. Doch dafür habe es damals keine rechtlichen Möglichkeiten gegeben. Zudem sei der enorme Zuzug in die Hauptstadt damals noch nicht abzusehen gewesen. Auch neue Mobilitätskonzepte – Ladestationen für E-Autos, Flächen für Carsharing und Leihfahrräder – hätten damals einfach noch nicht die Rolle wie heute gespielt. Hier sei man dabei, nachzubessern. Die Schmähung der Europacity als monotone „Schlaf- und Bürostadt“ will sie jedoch nicht gelten lassen. „Ich freue mich, dass hier gute Architektur entsteht“, sagte sie Ende 2017 bei der Grundsteinlegung des Projekts „The One“, einem Wohnhaus mit Eigentumswohnungen. Mit der Uferpromenade und dem Otto-Weidt-Platz als urbanem Zentrum werde man hier eine hohe Aufenthaltsqualität haben.
Katalin Gennburg von der Fraktion der Linken im Abgeordnetenhaus findet die Europacity dagegen „schrecklich wie den Potsdamer Platz“. Die Linken-Politikerin gehört zu den schärfsten Kritikern des neuen Stadtteils. Sie sagt: „Geld abladen und Rendite rekrutieren ist die Sprache dieses Quartiers.“ Auf den letzten zwei Grundstücken auf dem Areal, die noch in öffentlicher Hand sind, möchte sie Bauwagenplätze oder ein Kunstfestival ansiedeln. „Es braucht solche Kontrapunkte zu all dem Kommerz.“
„Die neuen Bewohner brauchen mehr als Wohnungen“
Yves Mettler und Alexis Hyman Wolff ärgert vor allem, dass es keinerlei Einbeziehung der Nachbarn aus den Altbaukiezen in Wedding und Moabit gibt. Die beiden Künstler aus Wedding haben sich im Rahmen ihres Projekts „Am Rand von EuropaCity“ Gedanken über den neuen Stadtteil gemacht und dabei auch Bewohner interviewt – mit durchaus überraschenden Ergebnissen. So sind auch einige Studenten in die teuren Mietwohnungen gezogen, weil sie in Berlin nichts anderes gefunden haben, wie ihnen eine Mieterin erzählt hat. Die beiden Kunstschaffenden haben mehrere Workshops und öffentliche Spaziergänge durch die Europacity veranstaltet. Zur Europawahl im Mai zogen sie mit zahlreichen Teilnehmern mit Holzlatten durch das Viertel und skandierten „investorenfreundliche Architektur“ oder „Wer kann da wohnen?“ Den beiden geht es nicht allein um Protest-Aktionen, vielmehr wollen sie zuhören, unterschiedliche Stimmen sammeln und Begegnungen zwischen alten und neuen Nachbarn anregen. Yves Mettler ist überzeugt, dass die neuen Bewohner mehr brauchen als nur Wohnungen: „Wo können hier Chöre oder Bands proben? Wo gibt es Platz für kulturelle oder gemeinschaftliche Nutzungen, etwa einen Kiezladen oder Werkstätten?“ Er glaubt, dass es noch nicht zu spät ist, der Europacity Leben einzuhauchen.
Wagenburgen oder Kiezläden bei einem milliardenschweren Projekt – das mag naiv sein. Doch letztendlich geht es um die Frage, in welcher Stadt wir wohnen wollen.
Birgit Leiß
https://ticket-b.de/index.php
Vom Bahngelände zum exklusiven Wohnquartier
Das Gebiet um die Heidestraße hat eine bewegte Geschichte. Mit dem 1846 gebauten Hamburger Bahnhof und dem Lehrter Bahnhof war es lange Zeit einer der größten Eisenbahnstandorte und Güterumschlagplätze Berlins. Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile zerstört. 1983 wurde in dem Niemandsland zwischen Ost und West ein Containerbahnhof angelegt. Nach dem Mauerfall verfiel das Areal in einen Dornröschenschlaf, bis es von Künstlern und Kreativen entdeckt wurde. Doch spätestens mit der Eröffnung des Hauptbahnhofs im Jahre 2006 war es mit der „Zonenrandlage“ endgültig vorbei.
2008 wurde auf der Grundlage eines städtebaulichen Wettbewerbs der Masterplan für die 42 Hektar große Fläche erarbeitet. Auf den Namen „Europacity“ hatte sich das Land Berlin mit den Eigentümern, der Deutsche Bahn und der Bahntochter Vivico geeinigt, um gerade an diesem Ort der Teilung ein Bekenntnis zur Einheit Europas abzugeben.
Wohnungsbau gibt es vor allem auf der Ostseite, die von der CA Immo entwickelt wird. Zwischen 13,50 und 16 Euro nettokalt pro Quadratmeter kosten die Mietwohnungen. Für eine 100 Quadratmeter große Wohnung in den „Wiener Etagen“ müssen rund 2000 Euro warm hingelegt werden. Im Quartier westlich der Heidestraße, wo erst später mit dem Bau begonnen wurde, sollen sie sogar noch teurer sein. Bauherr ist hier die Taurecon Real Estate.
Die Eigentumswohnungen im „The One“ an der Uferpromenade werden von der Buwog-Gruppe vermarktet. Kaufpreis: 5900 bis 8700 Euro pro Quadratmeter. An Abnehmern mangelt es trotzdem nicht.
bl
„Gepflegte Tristesse – aber Berlin hat bekanntlich Abwehrkräfte“
Der Architekt und Autor Ulf Meyer hat in einem „taz“-Beitrag harrsche Kritik an der Europacity formuliert.
MieterMagazin: Ihr Artikel hat die Überschrift „Ohne städtebauliche Visionen“. Alles deute auf „gepflegte Tristesse“ und „lustlos entworfene Renditeobjekte“ hin. Was ist da schief gelaufen?
Ulf Meyer: Grundsätzlich halte ich es nicht für verwerflich, Rendite machen zu wollen, aber man kann sie auch mit Qualität erzielen. Zudem muss die öffentliche Hand klare städtebauliche Vorgaben machen. Das ist hier nicht passiert, obwohl es die Möglichkeiten dazu gab. Warum hat man hier nicht eine Gestaltungssatzung wie am Pariser Platz formuliert, um bestimmte Dinge vorzuschreiben? Dazu kommt: Durch das Überangebot an Büroflächen entsteht im Grunde ein urbanisiertes Gewerbegebiet – und zwar nicht irgendwo auf der grünen Wiese, sondern mitten in der Stadt. 3000 Wohnungen – überwiegend exklusive, teure Wohnungen – stehen mehr als 10.000 Arbeitsplätzen gegenüber. Die allermeisten, die hier tagsüber arbeiten, werden vermutlich in das Viertel hineinpendeln, viele mit dem eigenen Auto. Eine Stadt der kurzen Wege, wie sie inzwischen die Maxime im Städtebau ist, kann die Europacity so niemals werden.
MieterMagazin: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Defizite?
Ulf Meyer: Was fehlt, ist ein attraktiver öffentlicher Raum. Die Lage am Wasser ist doch ein Pfund, mit dem man hätte wuchern können! Mit einem schönen, grünen Stadtplatz beispielsweise. Stattdessen wurde der geplante Stadthafen gestrichen und im Haus am Kunstcampus sind im Erdgeschoss Kellerersatzräume eingerichtet worden, wo man Fahrräder hinter der Glasscheibe abstellen kann! Das tut weh. Da sieht man, wie es nicht gehen sollte. Anders als in der Hamburger Hafencity mit ihrer Elbphilharmonie fehlt außerdem ein Magnet, der Leute von außerhalb anziehen könnte. Öffentlich-kulturelle Einrichtungen wie eine Bibliothek oder Sakralbauten sucht man in der Europacity vergeblich. Dabei sollte das Quartier hinter dem Hauptbahnhof eigentlich eine Visitenkarte sein. Schließlich ist es das Entree zur Hauptstadt.
MieterMagazin: Heißt das, aus der Europacity wird nie ein lebendiges Quartier?
Ulf Meyer: Es wäre verfrüht, die Europacity totzusagen. Ich schließe nicht aus, dass es sich entwickelt. Das Gros der Gebäude ist noch gar nicht gebaut. Die Gefahr der Gleichförmigkeit ist zwar da, aber es sind junge, gute Architekten dabei. Außerdem: Berlin hat bekanntlich Abwehrmechanismen. Eine geleckte Stadt kann ich mir nicht vorstellen. Allerdings: Wenn man ein Quartier möchte, das sozial, ethnisch und von den Generationen her gemischt ist, muss man die Europacity sicherlich als misslungen ansehen. Die Verbindung von Wohnen und Arbeiten im selben Haus – mittlerweile ein ganz großes Thema in der Architektur – wurde hier gar nicht mitgedacht. Städte leben von Überraschungen, von undefinierten Räumen und architektonischer Vielfalt. All das hat in der Europacity kaum Platz.
Interview: Birgit Leiß
31.08.2019