Die deutschen Musikhochschulen schicken Jahr für Jahr 2000 Absolventen ins Berufsleben. Die Zahl der freiberuflichen Musiker hat sich in den letzten fünfzehn Jahren mehr als verdoppelt. 41.000 Musikschüler gibt es in Berlin, weitere 6000 stehen auf den Wartelisten. Sie alle müssen üben, üben, üben – auch und vor allem zu Hause und oft zum Leidwesen der Familie und der Nachbarn.
Es gehört zur verfassungsrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit, ein Instrument zu spielen und zu üben. Der Mietvertrag darf das Musizieren deshalb nicht gänzlich verbieten. Allerdings: Von 22 bis 6 Uhr muss Ruhe herrschen. Im Mietvertrag, der Hausordnung oder in kommunalen Verordnungen können zudem eine Mittagsruhe oder weitere zeitliche Begrenzungen für das häusliche Musizieren festgelegt werden. „Der Mieter hat auch bei ausdrücklicher Gestattung der Musikausübung die üblichen Ruhezeiten einzuhalten“, urteilte das Landgericht Frankfurt/Main (Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1990, Seite 287).
Auch ohne großen finanziellen Aufwand kann ein Musiker die Schallemissionen mindern. Teppiche, Gardinen und Möbel schlucken einen Teil des Schalls, auch Bücherregale leisten gute Dienste. Allerdings verringert all das nur den sogenannten „Luftschall“. Der „Körperschall“, der sich über Mauerwerk, Rohre und ähnliches überträgt, wird dadurch nicht gemindert. Für Klaviere gibt es deshalb preiswerte Schallschutzfüße aus Kunststoffschaum, die verhindern sollen, dass der Schall an den Fußboden weitergegeben wird. Trompeten und Posaunen können mit einem elektronischen Dämpfer gespielt werden. „Silent Bags“ sind Übungstaschen für Saxophone, sie versprechen eine Lautstärkereduzierung bis zu 50 Prozent, sind aber nicht viel mehr als eine Notlösung, denn welcher Musiker will schon „im Sack“ spielen?
Bei sehr lauten Musikinstrumenten wie Klavier, Schlagzeug, Saxofon, Trompete, Posaune und Elektrogitarre können betroffene Mieter vom Vermieter beziehungsweise Musiker weitergehende schalldämmende Maßnahmen verlangen. Dazu gehören das Anbringen von schalldämmenden Platten an Wänden und Decken oder der Einbau schalldichter Übungskabinen. Gute Übungskabinen bieten neben der Schalldämmung eine ausgewogene Raumakustik mit einer optimierten Nachhallzeit und ein gutes Raumklima. Sie sind in verschiedenen Ausführungen und Größen erhältlich. Mit großem handwerklichen Geschick lässt sich eine solche Kabine auch selbst bauen. Für Wände und Decke sind Pressholz- und Gipskartonplatten – befestigt auf einem schallentkoppelten Ständerwerk mit dem Dämmmaterial Stein-/Mineralwolle – geeignet. Der Boden sollte mit Trittschalldämmmatten und Teppichen ausgelegt werden. Tür und Fenster müssen schalldicht sein, eine Raumlüftung ist unabdingbar. Eierkartons dämmen nicht, sondern schlucken nur Schall. Das kann sich positiv auf die Akustik im Raum auswirken, hat aber keinerlei Auswirkungen auf den Schall, der nach draußen dringt. Auch eine Styropordämmung bringt schalltechnisch nicht viel.
Den Rechtsweg vermeiden
Bei entsprechender Rücksichtnahme können Konflikte zwischen Mietern und Musikern oft bereits im Vorfeld verhindert werden. Man muss ja nicht gerade üben, wenn der als Schichtarbeiter berufstätige Nachbar schläft oder ein Mieter seine Mittagsruhe hält. Den Rechtsweg sollten Mieter nur beschreiten, wenn musizierende Nachbarn sich uneinsichtig zeigen. Bei wiederholten Verstößen gegen die festgelegten Ruhe- und Übungszeiten kann der Mieter das Ordnungsamt, nachts die Polizeiwache des zuständigen Abschnitts, benachrichtigen. Ein klärendes Gespräch ist jedoch immer der beste Weg zur Konfliktvermeidung.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 11/09
Einen optimalen Schallschutz bietet der Einbau einer separaten Übungskabine
Foto: Christian Muhrbeck
Rat und Tat
Musik ist rechtlich Lärm
Gerade berufstätigen Mietern muss es möglich sein, auch nach Feierabend oder am Wochenende ihrem Hobby nachzugehen. „Es gehört bei Einhaltung der Ruhezeiten zum vertragsgemäßen Gebrauch der gemieteten Wohnung, etwa eineinhalb bis zwei Stunden täglich zu musizieren“, so das Oberlandesgericht Frankfurt/ Main (Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1984, Seite 303). In Ausnahmefällen, wenn zum Beispiel mehrere Personen gemeinsam musizieren oder besonders laute Instrumente – wie ein Schlagzeug – gespielt werden, darf diese Zeit auf etwa eine Stunde beschränkt werden (OLG Frankfurt/Main, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1984, Seite 303).
rb
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