Nachdem im Mai der neue Berliner Mietspiegel 2017 erschienen ist, schickten die Vermieter eine größere Zahl von Mieterhöhungen ab und verlangten deutlich kräftigere Mietsteigerungen als in den Vorjahren – oft auch mehr als erlaubt. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Berliner Mietervereins (BMV).
Alle zwei Jahre, wenn ein neuer Mietspiegel erscheint, ergreifen vor allem die gewerblichen Vermieter die Möglichkeit, die Mieten zu erhöhen. In diesem Jahr übertraf die Mieterhöhungswelle aber alles zuvor Dagewesene. „Wir mussten unser Beratungsangebot massiv ausweiten“, berichtet BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Aus diesem Anlass hat der BMV 202 Mieterhöhungen aus der Rechtsberatung und aus der „Aktion Mietpreisüberprüfung“ genauer unter die Lupe genommen.
Im Durchschnitt beträgt die geforderte Mieterhöhung 0,72 Euro pro Quadratmeter monatlich. Das entspricht einer Steigerung um mehr als 11 Prozent. Die Nettokaltmiete der untersuchten Fälle stieg von 6,46 Euro pro Quadratmeter im Schnitt auf 7,18 Euro. Bei einer durchschnittlichen Wohnung summiert sich die Mieterhöhung auf knapp 56 Euro pro Monat. Für Haushalte mit niedrigem Einkommen sind solche Mieterhöhungen ein Armutsrisiko.
Bei fast einem Viertel der Fälle wollte der Vermieter die Miete um mehr als 0,90 Euro pro Quadratmeter erhöhen, in der Behrenstraße 73 in Mitte sogar um 2,28 Euro. Reiner Wild ist von dieser Entwicklung alarmiert: „Das Mietniveau wird sich binnen zwei Jahren bei 7 bis 9 Euro bewegen.“
Erschreckend ist auch, dass fast 64 Prozent der Mieterhöhungen über die ortsübliche Vergleichsmiete hinausgehen. Dazu kommen noch einige Fälle, in denen die Kappungsgrenze – 15 Prozent innerhalb von drei Jahren – nicht beachtet wurde. Im Ergebnis haben die Vermieter bei 72 Prozent der Mieterhöhungen rechtliche Regelungen missachtet.
Unhaltbare Erhöhungsbegründungen
Viele Vermieter begründen ihre Mieterhöhung einfach mit dem Oberwert. Formal genügt es zwar, dass die geforderte Miete innerhalb der Spanne des Mietspiegels liegt. Zur konkreten Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete müssen aber auch die wohnwerterhöhenden und -senkenden Merkmale der Wohnung beachtet werden, so dass der Oberwert tatsächlich meist nicht erreicht wird und eine Mieterhöhung in der Höhe materiell nicht begründet ist. Oft erwecken die Vermieter in ihren Erhöhungsschreiben auch den Eindruck, sie dürften in jedem Fall die Miete um 15 Prozent erhöhen. Das dürfen sie aber nur, falls die ortsübliche Vergleichsmiete noch nicht erreicht ist. „Der stark angespannte Wohnungsmarkt ermutigt offenbar zahlreiche Vermieter zur Umgehung der Mietpreisbeschränkungen“, erklärt deshalb Mietervereins-Geschäftsführer Wild.
So versuchte ein Vermieter, die Miete einer 83-Quadratmeter-Wohnung am Hohenzollerndamm in Wilmersdorf ohne weitere Begründung um 75 Euro heraufzusetzen. Die Mieterin ließ die Erhöhung beim BMV überprüfen. Das Ergebnis: Unter Beachtung des Mietspiegels dürfte die Miete nur um 9 Euro erhöht werden.
Ganz zurückweisen konnte eine Mieterin aus der Zehdenicker Straße in Mitte eine Mieterhöhung. Der Vermieter wollte die Miete von 585 auf 625 Euro heraufsetzen. Der Mieterverein ermittelte aber eine ortsübliche Vergleichsmiete von nur 465 Euro. Der Vermieter hat mit dieser Forderung also keine Chance.
Reiner Wild: „Die Beispiele zeigen aber, dass es sich lohnt, Mieterhöhungen zu überprüfen und zu beanstanden.“
Jens Sethmann
Berliner Mieterverein: Rechtliche Änderungen erforderlich
Aufgrund seiner Analyse der Mieterhöhungen fordert der BMV eine Reihe von Mietrechtsänderungen:
- Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen soll auf 10 Prozent in drei Jahren gesenkt werden, auf besonders angespannten Wohnungsmärkten wie in Berlin auf 6 Prozent.
- Bei der Begründung von Mieterhöhungen soll der Vermieter auch erklären müssen, warum die Forderung vom Mittelwert des Mietspiegels abweicht.
- Der Mietspiegel müsse vorrangiges Begründungsmittel für Mieterhöhungen werden, und bei seiner Erstellung sollten nicht mehr nur die Miethöhen und -änderungen der vergangenen vier Jahre, sondern die der letzten acht Jahre einfließen.
- Die Mietpreisbremse muss dem BMV zufolge geschärft werden, indem die Befristung aufgehoben, die Ausnahmen gestrichen und Überschreitungen mit Bußgeldern geahndet werden.
- Zudem müssten die Mieterhöhungen nach Modernisierung erheblich eingeschränkt werden.
js
Details der Studie zur Mieterhöhungswelle unter www.berliner-mieterverein.de
Informationen zur Aktion Mietpreisüberprüfung
03.01.2018