Am 21. September 2018 hatte die Bundesregierung Länder, Kommunen und Verbände zum Wohngipfel ins Kanzleramt eingeladen. Was ist dabei herausgekommen? Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) zieht nach einem Jahr eine „außergewöhnlich erfolgreiche Bilanz“. Für den Mieterbund-Präsidenten Lukas Siebenkotten ist der Gipfel hingegen „krachend gescheitert“.
Seehofer klopft sich in seiner Wohngipfel-Bilanz auf die Schulter: „Wir haben ein umfassendes Maßnahmenbündel geschnürt und konsequent an der Umsetzung gearbeitet.“ Zu den Erfolgen zählt für ihn an erster Stelle, 2,8 Milliarden Euro für das Baukindergeld ausgegeben zu haben, um Familien die Eigentumsbildung zu erleichtern. Zur Erfolgsbilanz des Ministers gehören weiterhin die im August eingeführte steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus, die Beibehaltung der Städtebauförderung und der Finanzhilfen des Bundes für den Sozialen Wohnungsbau, die Erhöhung des Wohngeldes und das im Januar in Kraft getretene Mietrechtsanpassungsgesetz, das Mietern die Durchsetzung der Mietpreisbremse etwas erleichtert und die Modernisierungsumlage von elf auf acht Prozent abgesenkt hat.
Ausdruck des Gelingens ist für Seehofer die steigende Zahl der neugebauten Wohnungen. Allerdings muss er zugeben, dass die Neubauzahlen immer noch nicht ausreichen, um die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele zu erreichen.
„Ein Jahr nach dem großen Wohngipfel hat sich auf den Wohnungsmärkten in Deutschland nichts geändert“, kritisiert dagegen Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB): „Die versprochene gemeinsame Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Kommunen ist krachend gescheitert.“ Statt der jährlich angepeilten 375.000 neuen Wohnungen wurden 2018 nur 285.000 Wohnungen gebaut – Besserung ist nicht in Sicht. Von einer Stärkung des Sozialen Wohnungsbaus kann auch keine Rede sein: Die Zahl der Sozialwohnungen hat mit 1,18 Millionen einen historischen Tiefstand erreicht. Die im nächsten Jahr vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für den Sozialwohnungsbau liegen um ein Drittel niedriger als in den Jahren zuvor.
Der DMB fordert einen „radikalen Kurswechsel“. Die Steuerabschreibung für den Mietwohnungsbau lasse keine bezahlbaren Wohnungen entstehen, weil sie mit keiner Mietobergrenze verknüpft seien.
DMB: „Keine weichgespülten Koalitionskompromisse“
Die Mietrechtsänderungen gehen dem DMB längst nicht weit genug. Daran ändern auch die neuen Gesetzesinitiativen nichts. Danach sollen bei der Erstellung von Mietspiegeln nicht mehr nur die Mieten der vergangenen vier, sondern die der letzten sechs Jahre betrachtet werden. Außerdem soll die ursprünglich auf fünf Jahre begrenzte Mietpreisbremse um weitere fünf Jahre verlängert werden. „Mit weichgespülten Koalitionskompromissen können die Mietpreissteigerungen nicht gestoppt werden“, erklärt Siebenkotten. „Notwendig sind eine wirksame, nicht von Ausnahmen durchlöcherte und bundesweit geltende Mietpreisbremse für Wiedervermietungsmieten und Bußgelder für Vermieter, die das Gesetz ignorieren.“ Der DMB fordert, Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen auf sechs Prozent in drei Jahren zu begrenzen, bei der Berechnung des Mietspiegels alle Mieten und Mieterhöhungen der letzten zehn Jahre zu berücksichtigen und die Modernisierungsumlage auf höchstens vier Prozent abzusenken.
Jens Sethmann
Seehofers Show-Gipfel
„Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit“, sagte Horst Seehofer vor dem mit großem Tamtam einberufenen Wohngipfel im September 2018. Kritiker nannten den Gipfel eine „Alibiveranstaltung“ und ein „Show-Event“. Schon die Zusammensetzung sprach Bände: Neben sieben Immobilien- und Eigentümerverbänden saß dort mit dem damaligen DMB-Präsidenten Franz-Georg Rips nur ein Vertreter der Mieterseite. In der auf zweieinhalb Stunden festgelegten Sitzung bekam er nur zwei Minuten Redezeit. Die als Beschlüsse des Gipfels präsentierten Ergebnisse entsprachen im Wesentlichen einem schon vorher feststehenden Eckpunktepapier der Bundesregierung (MieterMagazin 11/2018, Seite 22/23: „Show-Event der Bundesregierung“). Der DMB hatte deshalb bereits am Vortag des Gipfels zusammen mit dem DGB, Sozialverbänden und stadtpolitischen Initiativen einen alternativen Wohngipfel veranstaltet. Dort wurden 55 wohnungspolitische Forderungen gemeinsam erarbeitet (MieterMagazin 10/2018, Seite 7: „Es ist 5 nach 12“).
js
24.10.2019