„Deutsche Wohnen & Co enteignen“ hat beim Volksentscheid am 26. September einen deutlichen Sieg errungen. Derweil haben die Wohnungskonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen ihre Fusion unter Dach und Fach gebracht und zuvor noch knapp 15.000 Wohnungen an das Land Berlin verkauft. Dieses Manöver ändert aber nichts daran, dass der nächste Senat dem Volksentscheid folgen und die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne umsetzen muss.
Europas größtem Wohnungsunternehmen Vonovia ist es nun im dritten Anlauf gelungen, Deutschlands zweitgrößten Wohnungskonzern Deutsche Wohnen zu übernehmen. Anfang Oktober meldete die Vonovia, über 60 Prozent der Deutsche-Wohnen-Aktien erhalten zu haben. Die Vonovia bot den Deutsche-Wohnen-Aktionären 53 Euro pro Aktie – einen Euro mehr als beim letzten Angebot im Mai. Der vorherige Übernahmeversuch war im Juli daran gescheitert, dass nur knapp 48 Prozent der Aktien der Vonovia angedient wurden. Vor allem die größeren Hedgefonds unter den Deutsche-Wohnen-Eignern hatten offensichtlich auf ein verbessertes Angebot spekuliert. Nach der Fusion wird Vonovia rund 550.000 Wohnungen besitzen, darunter etwa 135.000 in Berlin.
Davon unbeeindruckt ist am 26. September der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ mit einer deutlichen Mehrheit von 56,4 Prozent angenommen worden. Mehr als eine Million Berlinerinnen und Berliner haben mit „Ja“ angekreuzt, dass profitorientierte Wohnungskonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin vergesellschaftet werden sollen. Betroffen sind rund 240.000 Wohnungen von Deutsche Wohnen, Vonovia, Adler, Covivio, Akelius, Heimstaden und Grand City. Sie sollen – so der Vorschlag der Initiative – in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt und gemeinwohlorientiert bewirtschaftet werden.
Der nächste Senat ist nun aufgefordert, ein entsprechendes Gesetz zu erarbeiten. „Egal in welcher Zusammensetzung – die zukünftige Regierungskoalition wird die Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen umsetzen müssen: Die Forderung zur Vergesellschaftung vereint weit mehr Stimmen hinter sich als jede Partei“, sagt Initiativensprecherin Joanna Kusiak. „Wir akzeptieren weder Hinhaltestrategien, noch Abfangversuche“, ergänzt ihr Kollege Kalle Kunkel. „Eine Missachtung des Volksentscheids wäre ein politischer Skandal. Wir lassen nicht locker, bis die Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen umgesetzt ist.“ Die Initiative hat bereits im Mai einen von Fachjuristen ausgearbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt.
Den Willen der Bevölkerung ernst nehmen
Auch der Berliner Mieterverein (BMV), der das Volksbegehren unterstützt hat, erwartet, dass der zukünftige Senat den Volksentscheid ernst nimmt und den eindeutigen Willen der Berlinerinnen und Berliner zeitnah umsetzt. „Viele Gutachten haben gezeigt, dass eine Vergesellschaftung möglich ist. Die Politik sollte daher keine verfassungsrechtlichen Zweifel säen, sondern unter Einbindung aller Regierungsfraktionen ein wasserdichtes Gesetz erarbeiten“, fordert die stellvertretende BMV-Geschäftsführerin Wibke Werner.
Noch neun Tage vor den Wahlen und dem Volksentscheid verkündeten Vonovia, Deutsche Wohnen und der Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), dass das Land Berlin für 2,46 Milliarden Euro 14.750 Wohnungen und 450 Gewerbeeinheiten von den fusionswilligen Konzernen ankauft. Davon kommen 4250 aus Vonovia-Beständen und 10.950 von der Deutschen Wohnen. Erwerber sind die drei landeseigenen Gesellschaften Howoge (8300 Wohnungen), Degewo (2400 Wohnungen) und Berlinovo (4000 Wohnungen). Sie sollen den Kaufpreis von insgesamt 2,46 Milliarden Euro selbst über Kredite finanzieren. „Die drei Landesgesellschaften sind kerngesund und in der Lage, den Ankauf erfolgreich zu stemmen“, sagt Finanzsenator Kollatz. „Die Unternehmensziele, insbesondere mit Blick auf den Neubau, sind nicht gefährdet.“
Zum großen Teil sind es Wohnanlagen aus dem Sozialen Wohnungsbau, etwa auf dem Falkenhagener Feld, in der Thermometersiedlung, in der High-Deck-Siedlung oder am Kottbusser Tor. „Bei einem Teil des angebotenen Wohnungsbestandes läuft die Sozialbindung demnächst aus“, erklärt Matthias Kollatz die Auswahl. „Mit der Rückführung in kommunale Hand haben die Mieterinnen und Mieter die nötige Sicherheit, dass ihre Wohnungen dauerhaft im preisgünstigen Segment liegen werden.“
Die Art und Weise, wie dieser Deal eingefädelt wurde, wirft jedoch Fragen auf. Zunächst hatten Vonovia-Vorstand Rolf Buch und Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Kollatz verkündet, im Zuge ihrer Fusion 20.000 Wohnungen an Berlin verkaufen zu wollen. Die beiden SPD-Senatsmitglieder haben diesen Handel ohne Wissen ihrer Koalitionspartner von den Linken und Grünen eingefädelt. Auch die Abgeordneten bekamen nur spärliche Informationen. Mitreden konnte das Parlament bei diesem Geschäft nicht. Nach kurzen Verhandlungen waren es nur noch knapp 15.000 Wohnungen, die angekauft werden sollten. Und die haben zum Teil einen erheblichen Instandhaltungsrückstau. Das intransparente Vorgehen lässt den Verdacht aufkommen, dass nicht nur die Wohnungskonzerne bei den Berlin zukünftig Regierenden gut Wetter machen wollten, sondern auch die SPD es kurz vor der Wahl noch auf einen wohnungspolitischen Erfolg anlegte, der dem Volksbegehren den Wind aus den Segeln nehmen sollte.
Enorme Kosten durch den Ankauf
Letzteres hat nicht funktioniert. Der Deal lieferte auch keine Argumente gegen die angestrebte Vergesellschaftung. Der Preis der angekauften Wohnungen ist keineswegs günstig. Pro Wohn- oder Gewerbeeinheit bezahlt Berlin über 160.000 Euro, pro Quadratmeter Wohnfläche etwa 2400 Euro. Hochgerechnet auf die nach dem Volksentscheid zu vergesellschaftenden 240.000 Wohnungen ergäbe das eine Summe von fast 39 Milliarden Euro – drei Milliarden mehr als der höchste Entschädigungsbetrag, den die amtliche Kostenschätzung des Senats nannte. Dennoch nennen die Beteiligten das Geschäft „wirtschaftlich tragfähig“. Das bestätigt eher die Einschätzung der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, dass auch die Vergesellschaftung für den Landeshaushalt kostenneutral möglich sei.
Ein Kostenvergleich mit dem Erlös bei der Privatisierung der ehemals landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW im Jahr 2004 macht den Wahnsinn auf dem Immobilienmarkt deutlich: Das Land Berlin verscherbelte damals die rund 65.000 GSW-Wohnungen für 405 Millionen Euro an Finanzinvestoren. Selbst wenn man die mit übernommenen Unternehmensschulden in Höhe von rund 1,56 Milliarden Euro einrechnet, lag der Preis pro Quadratmeter Wohnfläche unter 500 Euro. Ein Großteil der Wohnungen, die jetzt von der Deutschen Wohnen an Berlin verkauft werden, gehörte einst zur GSW. Diese werden nun zum fast fünffachen Preis rekommunalisiert, ohne dass in den Beständen nennenswert investiert wurde.
Die Mieter der angekauften Häuser sind natürlich erleichtert. „Jetzt gibt es Sicherheit für uns und alle Bewohnerinnen und Bewohner der zurückgekauften Häuser“, freut sich die Initiative Kotti & Co, die zehn Jahre lang für die Rekommunalisierung ihrer Wohnungen am Kottbusser Tor gekämpft hat. Gleichwohl: „Es ist ein bitterer Witz der Geschichte, dass unsere längste, wichtigste Forderung ausgerechnet mit diesem Deal erfüllt wird.“ Eine günstigere Lösung wäre die Vergesellschaftung nach dem Volksentscheid gewesen: „Was für uns gilt, gilt für die ganze Stadt! 14.500 Wohnungen gewonnen! Bleiben noch circa 225.000!“
Jens Sethmann
Das Buch zur Enteignungsdebatte
Bei den großen privaten Wohnungskonzernen geben internationale Finanzjongleure den Ton an. Für sie ist Wohnraum nur ein weiteres Finanzprodukt an der Börse. Der Politikwissenschaftler Philipp P. Metzger zeichnet den Aufstieg der deutschen Wohnkonzerne nach und analysiert ausführlich die Strategien von Vonovia, Deutsche Wohnen und anderen, die mit der Wohnungsnot Profit machen. Metzger zeigt auch, in welche Richtung eine demokratische und soziale Wohnungspolitik gehen müsste.
Philipp P. Metzger: Wohnkonzerne enteignen! Wie Deutsche Wohnen & Co. ein Grundbedürfnis zu Profit machen, Wien/Berlin 2021, 294 Seiten, 17 Euro
js
www.dwenteignen.de
26.10.2021