„Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden“, reimte Wilhelm Busch. Das können viele Mieter nur bestätigen. Stundenlanges Klaviergeklimper nervt und ist rechtlich nicht anders zu bewerten als Techno-Sound vom Band.
Ob es sich um stümperhafte Fingerübungen oder virtuose Bach-Präludien handelt, spielt für die juristische Bewertung von Musikbeschallung im Mietshaus keine Rolle. Das musste unlängst ein Spandauer Vater erfahren, dessen – unbestritten begabte – Tochter sonntags Klavier zu spielen pflegte. Nachbarn zeigten die Familie an. Vor Gericht wurde die musikalische Familie wegen Verstoßes gegen das Immissionsschutzgesetz zu einer Geldbuße von 50 Euro verurteilt. Die Klaviermusik habe „erheblich störenden Charakter“, hieß es in der Urteilsbegründung.
Auch mietrechtlich ist nicht alles erlaubt, was gefällt. Grundsätzlich gilt aber: Ein völliges Musizierverbot in der Wohnung ist unwirksam. Das ist allenfalls zu Beginn des Mietverhältnisses als individuelle Vereinbarung möglich (Oberlandesgericht München, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1988, Seite 299). Die meisten Gerichte halten jedoch selbst eine solche Individualvereinbarung für unzulässig, denn Musizieren gehört zum „sozial üblichen“ Verhalten.
Zur Ruhezeit auch keine leisen Stücke
Der Mieter darf also in seiner Wohnung Klarinette, Cello oder Trompete spielen, allerdings darf er andere Mitbewohner dadurch nicht stören. Insbesondere müssen die Ruhezeiten eingehalten werden. Von 22 bis 6 Uhr gilt strikte Nachtruhe, darüber hinaus sieht die Hausordnung in der Regel eine Mittagsruhe von 13 bis 15 Uhr vor. Auch sonntags haben die Nachbarn ein Recht auf Ruhe. Das heißt nicht, dass Hausmusik in dieser Zeit komplett untersagt wäre. Solange Zimmerlautstärke eingehalten wird, gibt es kein Problem. Weil dies für Klavierspieler praktisch unmöglich ist, dürfen diese in den Ruhezeiten auch keine vermeintlich ruhigen Stücke, zum Beispiel Nocturnes von Chopin, spielen (Landgericht Frankfurt Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1990, Seite 287).
Auch die Frage, wie lange man musizieren darf, beschäftigt immer wieder die Gerichte – mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Steht im Mietvertrag oder in der Hausordnung „Musizieren erlaubt, höchstens vier Stunden am Tag“, so ist das verbindlich (Oberlandesgericht München, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1992, Seite 238). Ansonsten kommt es auf die Art und Lautstärke des Instruments an, auf die Lebensgewohnheiten der Nachbarn und natürlich darauf, wie hellhörig das Haus ist. Ein Schlagzeug ist nicht mit einer Blockflöte zu vergleichen und in einer Seniorenwohnanlage gelten andere Regeln als in einem Haus mit vielen jungen Leuten. Die meisten Gerichte halten zwei bis drei Stunden am Tag für zumutbar. Anders das Amtsgericht Frankfurt: Maximal 90 Minuten Klavierspiel inklusive 30 Minuten monotoner Fingerübungen seien das Äußerste, mehr sei rücksichtslos (AG Frankfurt, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1997, Seite 430). Probleme gibt es oft, wenn Berufsmusiker im Haus wohnen. So hatte sich in Frankfurt eine Klavierlehrerin im Mietvertrag ausdrücklich die Ausübung von Klavierunterricht genehmigen lassen. Auf eine Klage des Nachbarn hin erklärte das Landgericht Frankfurt (Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1990, Seite 287): Werktags könne zwischen 7 und 17 Uhr ohne Weiteres gespielt werden, da der klagende Mieter ohnehin nicht zu Hause sei. Zwischen 17 und 22 Uhr dürfe maximal drei Stunden musiziert werden und am Wochenende fünf Stunden täglich.
Beim Berliner Mieterverein empfiehlt man lärmgeplagten Mietern, zunächst einmal das Gespräch mit den Nachbarn zu suchen. Mit ein bisschen Kompromissbereitschaft ist es oft möglich, die Übungszeiten so zu legen, dass beide Seiten damit leben können.
Birgit Leiß
MieterMagazin 12/08
Musizieren gehört zum „sozial üblichen Verhalten“, doch im Mietshaus gibt es zeitliche Begrenzungen
Foto: Christian Muhrbeck
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Schallschlucker – gut für das Nervenkostüm der Nachbarn
Der Fachhandel bietet für Klaviere Schallschutzfüße aus Kunststoffschaum sowie spezielle Messinguntersetzer, die den Schall dämmen. Oft hilft es auch, dicke Schaumgummi- oder Styroporplatten auf den Fußboden zu legen oder an der Zimmerwand zu befestigen. Grundsätzlich sollten Klaviere ebenso wie das Schlagzeug nicht zu nah an der Wand stehen, sonst breitet sich der Schall über die Wände aus.
bl
22.05.2018