Pressemitteilung 16/2016
Zum 1‐jährigen Geburtstag der Mietpreisbremse in Berlin zieht der Berliner Mieterverein e.V. Bilanz. Am 1. Juni 2015 ist im gesamten Stadtgebiet Berlins die Mietpreisbremse in Kraft getreten, mit der bei Wiedervermietung die Miethöhe auf bis zu 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt ist. „Nach zwölf Monaten ist die Bilanz ernüchternd“, erklärt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Die Erwartungen an die Mietpreisbremse haben sich nicht erfüllt. Zwei Expertisen der Forschungsinstitute RegioKontext und Institut Für Soziale Stadtentwicklung (IFSS) zeigen ebenso wie eine Analyse der Beratungspraxis des Berliner Mietervereins, dass die Mietpreisbremse keinen nennenswerten Einfluss auf die Höhe der Mieten bei Wiedervermietung hat. Die Angebotsmieten lagen um 31% über der Mietpreisbremsenkappung. Die Mietpreisbremse wird offenkundig von einem großen Teil vor allem privater Wohnungsunternehmen und Vermieter missachtet. „Wir fordern daher den Bundesgesetzgeber auf, mit dem zweiten Mietrechtsänderungspaket auch eine Nachbesserung der Mietpreisbremse noch in dieser Legislaturperiode des Bundestags vorzunehmen“, so Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins und Vorstandsmitglied des Deutschen Mieterbundes.
Grundlage der Mietpreisbremse ist das Mietrechtsnovellierungsgesetz (BGBl. 2015, Seite 610). Mit der Landesverordnung (Mietenbegrenzungsverordnung, GVBl 2015, Seite 101), die der Berliner Senat frühzeitig erlassen hat, konnte die Mietpreisbremse in Berlin zum 1. Juni 2015 in Kraft treten.
1.Was regelt die Mietpreisbremse?
- Bei der Wiedervermietung einer Wohnung darf der Vermieter als zulässige Miete höchstens die ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 Prozent fordern (§ 556 d Abs. 1 BGB).
Beispiel: Laut Mietspiegel beträgt die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung 6,50 Euro/qm nettokalt im Monat. Nach einem Mieterwechsel darf die Miete für den neuen Mieter höchstens auf 7,15 Euro/qm steigen. - Alternativ darf der Vermieter auch die bisherige Miete weiter fordern, wenn diese schon über der Grenze „Vergleichsmiete plus 10 Prozent“ lag (§ 556 e Abs. 1 BGB).
Beispiel: Die Vergleichsmiete beträgt 6,50 Euro/qm nettokalt. Der Vormieter hat bisher schon 7,50 Euro/qm bezahlt. Bei der Wiedervermietung der Wohnung muss er die Miete nicht auf 7,15 Euro/qm senken. Er darf auch in dem neuen Mietvertrag weiter 7,50 Euro/ qm vereinbaren, aber auch nicht mehr. - Hat der Vermieter während des vorherigen Mietverhältnisses modernisiert, die mögliche Mieterhöhung aber nicht geltend gemacht, oder modernisiert der Vermieter zwischen Beendigung des bisherigen und Beginn des neuen Mietverhältnisses, gilt nach § 556 e Abs. 2 BGB: Der Vermieter darf die ortsübliche Vergleichsmiete für die nicht modernisierte Wohnung plus 10 Prozent fordern zuzüglich des Betrages der modernisierungsbedingten Mieterhöhung, wie sie auch in einem laufenden Mietverhältnis gezahlt werden müsste (11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete). Etwas anderes gilt jedoch für umfassende Modernisierungen (siehe unten: die Ausnahmen).
Beispiel: Die bisherige Miete und Vergleichsmiete beträgt 5 Euro/qm nettokalt. Nach Auszug des Mieters wird modernisiert, die anteiligen Modernisierungskosten für die 60 Quadratmeter große Wohnung betragen 6.000 Euro. Das würde einen Modernisierungszuschlag von 0,92 Euro/qm (11% der Investitionskosten jährlich) rechtfertigen. Bei einer Wiedervermietung darf die Miete auf 6,42 Euro/qm steigen (5 Euro plus 10 Prozent plus 0,92 Euro/qm). - Die Mietpreisbremse gilt nicht für Neubauwohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet werden (§ 556 f Satz 1 BGB), und nicht für Wohnungen, die erstmals nach einer umfassenden Modernisierung vermietet werden (§ 556 f Satz 2 BGB). Gemeint sind hier Fälle, in denen Modernisierungsinvestitionen mehr als ein Drittel des notwendigen Aufwandes für eine vergleichbare Neubauwohnung betragen.
2. Warum Mietpreisbremse?
Bisher konnte der Vermieter beim Abschluss eines Mietvertrages – anders, als in bestehenden Mietverhältnissen – praktisch an Miete fordern, was er wollte. Eine wirksame gesetzliche Begrenzung gab es selbst mit den Regelungen des Wirtschaftsstrafgesetzes und Strafgesetzbuches nicht. Konsequenz war, dass die Mieten bei Wiedervermietung teilweise exorbitant stiegen, weil die Nachfrage das Angebot an Wohnraum erheblich übersteigt. Die Mieten bei Wiedervermietung (Angebotsmieten) liegen in Berlin teilweise 40 Prozent über den Mieten, die in bestehenden Mietverhältnissen gezahlt werden. Die Mietbelastung steigt für die umziehenden Mieter deutlich an. Wer sich die hohen Mieten bei neuen Verträgen nicht leisten kann oder will, verbleibt in der bisherigen Wohnung, unter welchen Bedingungen auch immer. Die Fluktuationsrate oder auch Mieterwechselrate ist dramatisch gesunken, was wiederum zum Nachteil des Wohnungsmarktes wird. Deshalb sollte diese Mietpreisentwicklung mittels einer neuen Kappungsgrenze gebremst werden.
3. Was die Mietpreisbremse in Berlin hätte leisten können
Um die möglichen Wirkungen der Mietpreisbremse auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu ermitteln, hatte der Berliner Mieterverein schon im Januar 2015 die Ergebnisse einer Expertise des Forschungsinstituts RegioKontext bekannt gegeben. In der Untersuchung waren die Miethöhen bei Wiedervermietung von im Internetportal Immobilienscout24 im Jahr 2013 angebotenen Mietwohnungen mit den im Mietspiegel 2013 dargestellten ortsüblichen Mieten verglichen worden. Das Ergebnis hatte die Notwendigkeit, eine Kappung der Mieten bei Wiedervermietung einzuführen, unterstrichen. Denn rund 87% der Angebotsmieten bei Immobilienscout24 überschritten damals die ortsüblichen Vergleichsmieten um im Schnitt 2,50 €/qm/mtl. bzw. 47,6%, zum Beispiel um rund 55% bei den bis 1918 bezugsfertig gewordenen Altbauten. Von den Wiedervermietungsangeboten auf dem Internetportal im Jahr 2013, für die ein Vergleich möglich war, überschritten 74,48% die mit der Mietpreisbremse vorgesehene Kappung von 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete. In 50.524 Fällen von 67.837 Angebotsmieten wurde diese Kappungsgrenze (Mietpreisbremse) um durchschnittlich 2,31 €/qm im Monat bzw. 37,9% überschritten. Seit 2010 sind die Angebotsmieten um rund 50% gestiegen. Die Mietpreisbremse hätte also zu einer tatsächlichen Dämpfung der Mietpreisentwicklung beitragen können, zumal die gekappten Mieten im Mietspiegel wiederum Einfluss auf die ortsübliche Vergleichsmiete hätten ausüben können. Wegen der zahlreichen Ausnahmeregelungen bei der Mietpreisbremse unterfallen jedoch nach Schätzungen des Berliner Mietervereins ca. ein Drittel aller Wiedervermietungen während der 5–jährigen Dauer der Rechtsverordnung der Mietpreisbremse nicht.
4. Methodische Probleme der empirischen Untersuchungen zur Wirksamkeit der Mietpreisbreme
Die heute vorgestellten Expertisen sind nach Kenntnis des Mietervereins die bundesweit einzigen empirischen Erhebungen zur Wirksamkeit der Mietpreisbremse. Bei den sonstigen Untersuchungen, meist durchgeführt von Wirtschaftsforschern, handelt es sich um Modellrechnungen mit sehr begrenzter Aussagekraft. Gleichwohl soll hier auch auf drei Problempunkte der empirischen Untersuchungen hingewiesen werden:
Auswahl der überprüften Mieten:
Die Angebotsmieten können empirisch ohne unverhältnismäßigen Aufwand nur über die Immobilienportale ermittelt werden. Diverse Anbieter inserieren dort aber nicht. Daher haben wir ergänzend in der Studie des IFSS auch die Internetseiten einzelner, vor allem städtischer Wohnungsunternehmen in die Untersuchung einbezogen. Die Auswertung der „Aktion Mietpreisüberprüfung“ des Berliner Mietervereins nimmt nicht Bezug auf Angebotsmieten, sondern wertet tatsächliche Mietvertragsabschlüsse aus, unabhängig von der Frage, wo und wie die Wohnung angeboten wurde. Das Ergebnis bestätigt jedoch die beiden Expertisen der Forschungsinstitute.
Ermittlung der konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete:
Aus den Inseraten der Internetportale wie auch der einzelnen Internetseiten von Wohnungsunternehmen kann flächendeckend keine konkrete Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete, wie es nach dem Berliner Mietspiegel möglich ist, für die mehr als 50.000 Fälle vorgenommen werden, da die dafür notwendigen Informationen im Netz nicht ausreichend vorliegen. Hinsichtlich der Überschreitung der Mietpreisbremse haben wir daher vereinfachend den Mittelwert der Mietspiegelfelder zzgl. 10% zugrunde gelegt. In der Auswertung der „Aktion Mietpreisüberprüfung“ des Berliner Mietervereins konnten hingegen die Angebotsmieten auf die konkret über den Mietspiegel ermittelten ortsüblichen Vergleichsmieten bezogen werden, weil hier die notwendigen Informationen vorlagen. Hinsichtlich der Abweichung der Angebotsmieten von der Mietpreisbremse ergibt sich dabei jedoch kein Unterschied zu den beiden Expertisen der Forschungsinstitute, die vom Mittelwert ausgehen.
Die Mietpreisbremsenausnahmen Vormiete und „normale“ Modernisierung
Während Neubauten und umfassende Modernisierungen in allen drei Expertisen bzw. Untersuchungen weitgehend herausgefiltert werden konnten, können den Inseraten der Portale oder der Vermieter‐Internetseiten die Ausnahmen von der Mietpreisbremse (Vormiete und normale Modernisierung) nicht entnommen werden. Selbst in der Auswertung der Beratungspraxis des Berliner Mietervereins war dies kaum möglich, weil ohne gerichtliche Klärung diese Informationen offenbar kaum zu erhalten ist. Für die Frage, in wieviel Fällen preisrechtlich die Mietpreisbremse überschritten wird, muss daher auf Schätzungen zurückgegriffen werden. Der Berliner Mieterverein geht davon aus, dass bei ca. ein Drittel der Wiedervermietungen die vier Ausnahmeregelungen von der 10%‐Kappung vorzufinden sind.
Nähere Informationen zu dieser Schätzung unter
http://www.berliner‐mieterverein.de/presse/pressearchiv/pm1503.htm
5. Bewertung der Expertisen der Forschungsinstitute RegioKontext und IFSS
Das Forschungsinstitut RegioKontext war vom Berliner Mieterverein mit der Untersuchung der Fragestellung beauftragt worden, ob sich die Wiedervermietungsmieten aus Wohnungsinseraten des Immobilienportals Immobilienscout24 seit Einführung der Mietpreisbremse erkennbar an deren Vorgaben ausrichten. Hierzu wurden zunächst aus allen Angeboten von Juni 2015 bis März 2016 die Neubauten wie auch die erkennbar umfassend modernisierten Wohnungen herausgenommen, weil diese Angebote durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz nicht der Mietpreisbremse unterfallen. Die verbleibenden Wiedervermietungen (mehr als 50.000 Fälle) wurden den jeweiligen Mietspiegelfeldern zugeordnet (Tabelle 5 mit der Anzahl der Fälle mit Überschreitungen der Mietpreisbremse). In den älteren Baujahrgängen ist das Ausmaß der Überschreitung an allen Angebotsmieten mit mehr als 90% besonders hoch. Bei Wohnungen jüngeren Baualters, die in der Regel ein deutlich höheres Mietniveau (Ausnahme Plattenbauten Ost) als die älteren Wohnungen haben, sinkt das Ausmaß der Überschreitung deutlich ab. Daraus kann der Schluss gezogen, dass Berlins Vermieter, soweit sie auf den Immobilienportalen inserieren, in den innerstädtischen Quartieren einen Mietpreis von 8,‐ bis 9,‐ im Schnitt für durchsetzbar halten, unabhängig von der Mietpreisbremse, dem Baualter und der Wohnlage. Die durchschnittliche Angebotsmiete im Jahr 2015 betrug ohne die Angebote mit den Ausnahmen (Neubau und umfassende Modernisierung) 8,67 €/qm im Monat. Die Mietpreisbremse wurde im Schnitt um 2,18 €/qm/mtl. überschritten, legt man den Mittelwert des Mietspiegels 2015 (Stichtag 1.9.2014: 5,84 €/qm/mtl.) zzgl. 10% zugrunde. Das ist eine Überschreitung um 35%. Unterstellt man von 2014 auf 2015 die in den letzten Jahren übliche Anhebung der Mietspiegelmieten (Stichtag 2015: 6,00 €/qm/mtl.) beträgt die Überschreitung der durchschnittlichen Mietpreisbremse 31% im Jahre 2015. Besonders eklatant ist die Überschreitung mit 3,32 €/qm im Monat bei den Altbauten vor 1918.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die Angebotsmieten im Schnitt seit Ende 2014 weitgehend stabil bei rund 8,70 €/qm im Monat liegen. Wegen der um rund 2,20 € niedriger liegenden Mietpreisbremsenkappung hätte aber seit Juni 2015 ein erheblicher Einbruch bei den Angebotsmieten erfolgen müssen, selbst wenn man unterstellt, dass bei einem Drittel der Angebotsmieten eine Ausnahmeregelung zum Tragen kommt.
Die Expertise des IFSS beinhaltet eine Untersuchung der Inserate von Immobilienscout24 an einem Stichtag im März 2016. Diese Daten wurden ergänzt um die Untersuchung der Angebotsmieten von den sechs städtischen Wohnungsunternehmen, soweit sie auf deren Internetseiten inseriert wurden. Dabei wurde eine Auswahl von sechs Berliner Bezirken vorgenommen. Wie erwartet werden durfte, lag die Überschreitung der Angebotsmieten aller Vermieter zur Mietpreisbremse in den Bezirken Friedrichshain‐Kreuzberg mit 3,64 €/qm/mtl. und in Charlottenburg‐Wilmersdorf mit 3,10 €/qm/mtl. besonders hoch. Auch die Expertise des IFSS belegt, dass die Überschreitung der Angebotsmieten in der Baualtersgruppe bis 1918 mit 3,27 €/qm/mtl. besonders dramatisch ist. Innerhalb der Vermieterschaft gibt es erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Überschreitens der Mietpreisbremse. Während bei städtischen Wohnungsunternehmen die Überschreitung mit 0,39 €/qm/mtl. noch weitgehend moderat ist, lassen die Überschreitungen bei privaten Vermietern (3,08 €/qm/mtl.) bzw. privaten Wohnungsunternehmen (2,35 €/qm/mtl.) eine systematische Missachtung der Mietpreisbremse vermuten.
6. Analyse der Beratungspraxis des Berliner Mietervereins: „Aktion Mietpreisüberprüfung“
Die seit Juni 2015 laufende „Aktion Mietpreisüberprüfung“ des Berliner Mietervereins nutzten bis Ende Mai 2016 nur 58 Mieter zur Kontrolle ihrer Miethöhe nach Abschluss eines neuen Mietvertrages, obwohl pro Jahr in Berlin mindestens 100.000 neue Mietverträge abgeschlossen werden. Im Unterschied zu den Expertisen der Forschungsinstitute konnte hier in den Einzelfällen die geforderte Miete mit der ganz konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete für die Wohnungen in Bezug gebracht werden. In 95% der Fälle überstieg die geforderte Nettokaltmiete die konkrete ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich 10% (Mietpreisbremse), und zwar um 2,34 €/qm monatlich bzw. 31,7%. Bei einem Viertel dieser Fälle wurde die Mietpreisbremse sogar um mehr als 50% überschritten. Die geforderte Miete betrug im Durchschnitt 9,71 €/qm monatlich, die konkrete Mietpreisbremsenmiete im Schnitt 7,37 €/qm im Monat.
In etwa die Hälfte aller Überschreitungen betrafen Wohnungen in einfacher Wohnlage und mit Baualter bis 1918. Die meisten Überprüfungen wurden – wie nicht anders zu erwarten war – für Wohnungen in den innerstädtischen Wohnquartieren (83,6%) vorgenommen.
Die Ermittlung möglicher Ausnahmetatbestände war auch im Rahmen der Aktion Mietpreisüberprüfung schwierig. In 6 Fällen konnten Mieter durch Nachforschungen die Vormiete selbst ermitteln, sie betrug 8,99 €/qm mtl. im Durchschnitt. In 5 von 6 Fällen überstieg die geforderte Miete die Miete des Vormieters. In 5 von 55 Fällen (9,1%) hat der Vermieter behauptet, die geforderte Miete sei die Vormiete. In einem Fall wurde dies durch Mieterrecherche bestätigt, in einem anderen Fall wurde dies durch Mieterrecherche widerlegt.
Eine Bewertung der mietrechtlichen Auseinandersetzungen ist noch nicht möglich. In jeweils nur 2 Fällen wurde Auskunftsklage bzw. Zahlungsklage erhoben.
Die gesamte Auswertung der „Aktion Mietpreisüberprüfung“ (Fallgestaltung Wiedervermietung im preisfreien Wohnungsbau) ist dieser Pressemitteilung als Anlage beigefügt.
7. Ursachen der Erfolglosigkeit
- Bei Vertragsabschluss hat der Mieter keine Kenntnis darüber, ob der geforderte Mietzins preisrechtlich zulässig ist. Daraus folgt, dass sich der Mieter bei Überschreiten der Mietpreisbremse auf jeden Fall in eine Auseinandersetzung mit dem Vermieter begeben muss. Diese Auseinandersetzung fällt aber bei Mietvertragsabschluss auch deshalb schwer, weil es den Mietern als unlauter erscheint, den mit eigener Unterschrift „besiegelten“ Mietpreis unmittelbar nach Vertragsabschluss bzw. Beginn des Mietverhältnisses wieder in Frage zu stellen. Nach Erfahrung des Berliner Mietervereins ist es wenig erfolgversprechend, in einem Dauerschuldverhältnis quasi obligatorisch ein Auskunftsbegehren des Mieters vorauszusetzen, wenn die Kappungsgrenze überschritten ist.
- Der Mieter ist im eigenen Interesse gehalten, einen etwaigen Verstoß gegen die Mietpreisbremse unmittelbar zu Beginn des Mietverhältnisses oder jedenfalls so früh wie möglich zu rügen, um seine Rückforderungsansprüche zu wahren. Diese Rügepflicht zur vollen Wahrung der materiellen Ansprüche des Mieters ist aber aus den oben genannten Gründen ebenfalls problematisch. Die Rüge wird in der Regel erfolgt vor Erfüllung des Auskunftsanspruchs erfolgen. In der Praxis wird mit der Rüge erst ein Auskunftsbegehren gestellt. Wegen der zahlreichen Ausnahmen von der Mietpreisbremse liegt die Wahrscheinlichkeit, aus Sicht des Mieters „zu Recht“ gerügt zu haben, bei 60% – 70%. Auch deshalb scheuen sich Mieter vor einer Belastung des neuen Mietverhältnisses.
- Die fehlende Transparenz bei Vertragsabschluss über die preisrechtlich zulässige Miete bezieht sich auch auf die Ausnahmen zur Miethöhe nach Modernisierung. Vielfach wird den Mietern lapidar erklärt, die Wohnung sei „modernisiert“ und deshalb gelte die Mietpreisbremse nicht.
- Mit Hinweis auf den Streit um den rechtlichen Status der Berliner Mietspiegel wird behauptet, der Mietspiegel sei nicht für die Darstellung der ortsüblichen Mieten geeignet. Vermieter argumentieren, dass der Mietspiegel schon deshalb nicht die ortsübliche Vergleichsmiete darstellen könne, weil die bisherigen Mietspiegel zum weit überwiegenden Teil Mietwerte aus bestehenden Mietverhältnissen beinhalteten und es jetzt bei Wiedervermietung nur um die Vergleichbarkeit mit Miethöhen bei Vertragsabschluss gehen könne. Zuweilen finden sich in Mietverträgen auch Klauseln, nach denen sich die vereinbarte Miete wie auch künftige Mieterhöhungen nach Vergleichswohnungen richten. Auch wenn dies nach Rechtsauffassung des BMV falsch ist und die Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete abbilden, verbleibt bei den Mietern ein Restrisiko, welches die Bereitschaft zur Wahrung der Ansprüche beeinflusst.
8. Änderungsvorschläge des Berliner Mietervereins zur Mietpreisbremse
- Grundsätzlich muss der Mieter den Anspruch erhalten, eine die Mietpreisbremse übersteigende Miete ab dem Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses zurückerstattet zu bekommen.
- Die Ausnahmeregelung für gegenüber der Mietpreisbremse überhöhte Mieten des Vormieters führt dazu, dass auch alle Mieten ohne „Modernisierungszuschlag“, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rechtsverordnung mehr als 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, Bestandsschutz genießen. Der renditeorientierte Vermieter wird damit gegenüber dem „behutsam“ agierenden Vermieter bevorzugt. Dafür gibt es weder aus wohnungswirtschaftlicher noch aus rechtlicher Sicht eine Notwendigkeit. Diese Bestandsschutzregelung „zwingt“ den Mieter zu einer problematischen Ausforschung. Aus datenschutzrechtlichen und organisatorischen Gründen wird es vorprozessual kaum möglich sein, für den Mieter nachvollziehbare Beweise über die vom vorherigen Mieter gezahlte Miete zu erhalten. Insoweit birgt diese Berücksichtigung der Vormiete erhebliches Streit potenzial bei der Ermittlung der preisrechtlich zulässigen Miete. Auch eine Gesetzesänderung, die bei Vertragsabschluss zur Angabe des Vormietermietzinses verpflichtet, wäre zwar eine Verbesserung, würde aber das Beweisproblem nicht lösen. Die Ausnahmeregelung der Vormiete soll daher gestrichen werden.
- Im Mietvertrag hat der Vermieter dem Mieter bei Abschluss des Vertrages nachprüfbare Hinweise zur Überschreitung der Mietpreisbremse wegen Modernisierung zu geben. Es sind Angaben zum Zeitpunkt der Modernisierung sowie zum wohnungsbezogenen Umfang der Maßnahmen und Kosten unter Berücksichtigung des Abzugs fälliger Instandsetzungen zu machen.
- In Ergänzung zu Mietpreisbremse soll die Verfolgung der Mietpreisüberhöhung durch eine Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes wieder wirksam werden, weil im Rahmen des Wirtschaftsstrafgesetzes auch Bußgelder bei Überschreiten einer Wesentlichkeitsgrenze (hier als Vorschlag: 15% über der ortsüblichen Vergleichsmiete) durch die Ordnungsbehörden verhängt werden können. Von dieser Regelung würden auch Mieter in Städten profitieren, für die die Landesregierungen die Mietpreisbremse nicht erlassen haben.
- Die Befristung der Mietpreisbremse auf 5 Jahre muss aufgehoben werden, weil auch nach Ablauf von 5 Jahren noch Marktanspannungen vorliegen werden. Zudem ist eine dauerhafte Mietenkappung bei Wiedervermietung unschädlich, sollten in Folge veränderter Marktverhältnisse die Mietpreise bei Wiedervermietung die ortsübliche Vergleichsmiete weniger als 10% überschreiten.
Die Stellungnahme des Berliner Mieterverein e.V. zur Nachbesserung des Mietrechtsnovellierungsgesetzes (MietNovG, BGBl. 2015,610) ist dieser Pressemitteilung als Anlage beigefügt.
Der Berliner Mieterverein hat seine Änderungsvorschläge auch dem Berliner Senat unterbreitet, der eine Bundesratsinitiative zur Nachbesserung der Mietpreisbremse plant. Nachdem der rechtspolitische Sprecher der SPD‐Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, wie auch jüngst Bundesjustizminister Maas eine Prüfung der Mietervereinsforderungen angekündigt haben, fordert der Berliner Mieterverein auch von der CDU/CSU die Bereitschaft zur Nachbesserung.
Anlagen:
1. RegioKontext (A.v.Bodelschwingh, M.Dettmann. H.Schlichting): Kurzanalyse „Wiedervermietungsmieten und Mietpreisbremse in Berlin“, Berlin, Mai 2016
2. Institut Für Soziale Stadtentwicklung (Dr. A.Hentschel, J.Hopfenmüller): Kurzgutachten „Mietpreisbremse Berlin – Zwischenbilanz 2016“; Berlin, Mai 2016
3. Berliner Mieterverein e.V. (Wibke Werner, Reiner Wild): Auswertung der „Aktion Mietpreisüberprüfung“ (Fallgestaltung Wiedervermietung im preisfreien Wohnungsbau), Berlin, 30. Mai 2016
4. Berliner Mieterverein e.V. (Reiner Wild): Stellungnahme Nachbesserung des Mietrechtsnovellierungsgesetzes (MietNovG, BGBl. 2015,610), Berlin, 25. Mai 2016
5. Berliner Mieterverein e.V. : Infoblatt 169 „Die Mietpreisbremse“, Stand 5/2015
- Aktion Mietpreisüberprüfung des Berliner Mietervereins
- BMV-Info 169: Die Mietpreisbremse bei Wiedervermietung -
mit Musterbrief zur qualifizierten Rüge - MietCheck – Überprüfung von Miethöhen bei neuen Mietverträgen
- 10 Fragen zum Mietrechtsnovellierungsgesetz:
Was Sie über die Mietpreisbremse wissen müssen - Mietspiegelwert-Berechnung: www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/
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03.06.2016