Leitsätze:
1. Ob ein Zweitwohnungsbedarf des Vermieters ein berechtigtes Interesse und damit einen Eigenbedarf i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB begründen kann, ist unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
2. An vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen fehlt es nicht bereits deshalb, weil der Vermieter im gleichen Mehrfamilienhaus bereits eine Zweitwohnung für sich vorhält und seinen Zweitwohnungsbedarf lediglich durch Umzug in eine hellere und größere Wohnung verbessern möchte.
3. Auch der Umstand, dass die Vermieter 2006 in eine kleinere Zweitwohnung gezogen sind, hindert diese nicht, zehn Jahre später Eigenbedarf an einer größeren Wohnung geltend zu machen.
BGH vom 23.10.2018 – VIII ZR 61/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 10 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Schon wieder ein Urteil zur Eigenbedarfskündigung wegen beabsichtigter Zweitwohnungsnutzung (siehe zuletzt BGH vom 21.8.2018 – VIII ZR 186/17 –, MM 12/2018, Seite 27). Hier kündigten die 79-jährige Vermieterin und ihr 80-jähriger Ehemann ein seit 2009 bestehendes Mietverhältnis über eine 78 Quadratmeter große 3-Zimmer-Wohnung in München. Die Vermieter, die ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, zwei Stunden von München entfernt, bewohnten im gleichen Haus, in dem auch die gekündigte Mieterwohnung liegt, bis 2006 eine 3-Zimmer-Wohnung im 1. OG als Zweitwohnung und zogen dann in eine 45 Quadratmeter große 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss des gleichen Hauses. Diese Zweitwohnung nutzten sie für Besuche in München zu kulturellen und familiären Zwecken sowie zu Besuchen von Heimspielen des FC Bayern. Dann kündigten sie die Mieterwohnung wegen Eigenbedarfs. Ihre 45 Quadratmeter große Zweitwohnung sei zu klein, außerdem relativ dunkel. Man wolle künftig wieder stärker am Kulturleben in München teilnehmen und die familiären Kontakte stärken. Während das Amtsgericht nach Anhörung der Vermieter, ihrer Tochter und des Schwiegersohnes die Eigenbedarfskündigung für rechtmäßig hielt, entschied das Landgericht zugunsten der Mieter. Angesichts des Alters der Vermieter, der Entfernung zum Hauptwohnsitz und des zeitlichen Umfangs der Nutzung von lediglich 1 bis 2 Tagen ein- bis zweimal monatlich sei die Kündigung unvernünftig, sachfremd und willkürlich. Außerdem seien die Vermieter bereits 2006 freiwillig von der größeren in die kleinere Zweitwohnung umgezogen, der Vermieter habe die Dauerkarte für den FC Bayern zurückgegeben, die Hausverwaltung für das Haus abgegeben und die Vorstellung, die Besuche in München zu intensivieren sei angesichts des fortgeschrittenen Alters und der beschwerlichen Anreise nicht nachvollziehbar. Der Bundesgerichtshof hingegen hob die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht. Der Umstand, dass die Vermieter 2006 in eine kleinere Zweitwohnung gezogen seien, hindere diese aber nicht, 10 Jahre später Eigenbedarf an einer größeren Wohnung geltend zu machen. Die von den Vermietern geltend gemachten Gründe für den Nutzungswunsch seien vernünftig und nachvollziehbar. Entscheidend sei aber, ob die Vermieter tatsächlich nachweisen könnten, dass dieser Nutzungswunsch besteht und ernsthaft verfolgt wird, und dass es nicht darum gehe, einen unliebsamen Mieter aus der Wohnung zu entfernen. Wenn das Landgericht zu dem Ergebnis käme, dass der Nutzungswunsch der Beklagten nicht realisierbar sei, dann sei wegen fehlender Ernsthaftigkeit des Eigennutzungswunsches die Eigenbedarfskündigung abzuweisen und dann läge unter Umständen rechtsmissbräuchliches Verhalten vor.
28.03.2022