Leitsätze:
a) Die bei einer Mietsache für eine konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Einigung kommt nicht schon dadurch zustande, dass dem Vermieter eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung des Mieters bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680 Rn. 10; vom 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, WuM 2009, 659 Rn. 14).
b) Die in § 22 Abs. 1a BImSchG vorgesehene Privilegierung von Kinderlärm ist auch bei einer Bewertung von Lärmeinwirkungen als Mangel einer gemieteten Wohnung zu berücksichtigen.
c) Nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Insoweit hat der Wohnungsmieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teil (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680 Rn. 12; vom 23.9.2009 – VIII ZR 300/08, WuM 2009, 659 Rn. 15, 17).
BGH vom 29.4.2015 – VIII ZR 197/14 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 23 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieter mieteten vor vielen Jahren in Hamburg eine Erdgeschosswohnung nebst Terrasse. Das Wohngrundstück grenzt an eine Schule, auf deren Gelände im Jahr 2010 – zwanzig Meter von der Terrasse der Mieter entfernt – ein Bolzplatz errichtet wurde. Der Bolzplatz soll nach der vom Schulträger angebrachten Beschilderung Kindern im Alter bis zu 12 Jahren von Montag bis Freitag bis 18 Uhr zur Benutzung offenstehen. Ab Sommer 2010 rügten die Mieter gegenüber dem Vermieter Lärmbelästigungen durch Jugendliche, die auch außerhalb der genannten Zeiten auf dem Bolzplatz spielten, und minderten deshalb seit Oktober 2010 die Miete um 20 Prozent. Der Vermieter hielt die Mietminderung für unberechtigt und begehrte mit seiner Klage Zahlung der restlichen Miete sowie die Feststellung, dass die Mieter nicht berechtigt seien, wegen des Lärms die Miete zu mindern.
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts Hamburg, das den Mietern ein Mietminderungsrecht wegen Lärmbelästigungen zugesprochen hatte, auf. Bei sogenannten Umweltmängeln (Einwirkungen auf die Mietsache von außen) müsste bei Vertragsabschluss eine „Vereinbarung über die Beschaffenheit der Mietwohnung“ getroffen werden. Nur dann könnten Mieter wegen späterer Verschlechterungen oder nachträglichen Veränderungen eine Mietminderung beanspruchen. Fehle eine entsprechende Vereinbarung, muss die Frage, wie viel nachträglichen Lärm Mieter hinnehmen müssen, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unter Rückgriff auf die Verkehrsanschauung beantwortet werden. Das bedeute, der Mieter kann nur Ansprüche geltend machen, wenn der Vermieter/Eigentümer gegen den Geräuschanstieg vorgehen oder von dem störenden Dritten entsprechende Ausgleichszahlungen verlangen kann.
Im vorliegenden Fall waren Abwehr- oder Entschädigungsansprüche des Vermieters/Eigentümers ausgeschlossen, weil § 22 Bundesimmissionsschutzgesetz bestimmt, dass Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen, wie beispielsweise Ballspielplätzen, durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind.
Da aber noch Feststellungen zu der Frage fehlten, ob die Lärmbelästigungen von Kindern oder von Jugendlichen ausgehen, verwies der Bundesgerichtshof das Urteil zurück an das Landgericht Hamburg.
Fazit: Nach Abschluss des Mietvertrages auftretende Verschlechterungen des Wohnstandards, sogenannte Umweltmängel, werden künftig nur noch in Ausnahmefällen Mietminderungsansprüche auslösen können. Das ist ein Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung.
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07.06.2018