Leitsatz:
Hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gekündigt, hat er – zur Vermeidung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens – den Mieter auf einen späteren Wegfall des Eigenbedarfs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hinzuweisen. Dieser Zeitpunkt ist für das Bestehen einer Hinweispflicht grundsätzlich auch dann maßgebend, wenn die Parteien in einem (gerichtlichen) Räumungsvergleich einen späteren Auszugstermin des Mieters vereinbaren.
BGH vom 9.12.2020 – VIII ZR 238/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 15 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter klagte auf Schadensersatz wegen einer auf vorgetäuschten Eigenbedarf gestützten Kündigung. Der Vermieter hatte das Mietverhältnis zum 31.8.2012 gekündigt und machte geltend, die Wohnung werde für die Tochter benötigt. Der nachfolgenden Räumungsklage gab das Amtsgericht im Januar 2013 statt. In der Berufungsinstanz schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach sich der Mieter zur Räumung der Wohnung bis Ende Februar 2016 verpflichtete.
Die Tochter zog nicht in die Wohnung ein. Der Mieter machte nun (im Jahr 2017) geltend, der Eigenbedarf sei von Anfang an nur vorgetäuscht gewesen; zudem habe es der Vermieter jedenfalls versäumt, ihn darauf hinzuweisen, dass der Eigenbedarf entfallen sei.
Das Landgericht folgte der Ansicht des Mieters. Der Vermieter habe nicht substantiiert dargelegt, dass die Eigenbedarfslage zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der im Vergleich vereinbarten Räumungsfrist (29.2.2016) noch bestanden habe.
Dieser Rechtsansicht folgte der BGH jedoch nicht. Zwar sei es richtig, dass ein Vermieter seine vertraglichen Pflichten verletze und dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei, wenn er eine Kündigung des Mietvertrags schuldhaft auf einen in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarf stütze oder er den Mieter nicht über einen späteren Wegfall des geltend gemachten Eigenbedarfs informiere.
Jedoch löse der Wegfall des ursprünglich gegebenen Kündigungsgrundes des Eigenbedarfs nur dann eine Hinweispflicht des Vermieters aus, wenn er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eingetreten sei. Nur in einem solchen Fall sei der Vermieter mit Rücksicht auf das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) gehindert, sich angesichts des bei Wegfall des Kündigungsgrundes noch bestehenden Mietverhältnisses auf die Kündigung zu berufen. Diese zeitliche Eingrenzung bringe – wie das BVerfG bestätigt habe – die berechtigten Interessen von Mieter und Vermieter in einen angemessenen Ausgleich und sorge für Rechtssicherheit.
Der BGH habe schon im Jahr 2005 entschieden, dass es eine nachvertragliche Hinweispflicht des Vermieters nicht gebe, sondern eine solche nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bestehe. Dies habe er maßgebend darauf gestützt, dass eine zeitliche Ausdehnung der Hinweispflicht über das Ende des Mietverhältnisses hinaus mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und eines effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren wäre (BGH vom 9.11.2005 – VIII ZR 339/04).
Nach diesen Maßstäben musste der Vermieter den Mieter nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (31.8.2012) und nicht, wie vom Berufungsgericht angenommen, bis zum Ablauf der vergleichsweise vereinbarten Räumungsfrist (29.2.2016) über einen Wegfall des Eigenbedarfs unterrichten.
Allein die Vereinbarung eines Auszugszeitpunkts habe grundsätzlich keine Auswirkungen auf die mit dem Ablauf der Kündigungsfrist eingetretene Beendigung des Mietverhältnisses (§ 542 BGB). Zwar könne die durch eine wirksam erklärte Kündigung bewirkte Umgestaltung des Mietverhältnisses grundsätzlich durch ein rechtsgeschäftliches Zusammenwirken der Parteien rückgängig gemacht werden. Ein solcher Wille müsse sich jedoch aus dem Räumungsvergleich mit hinreichender Klarheit entnehmen lassen.
Dies sei vorliegend nicht der Fall. Es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass die Parteien hierdurch die Rechtswirkungen der Kündigung einvernehmlich rückgängig machen und damit zugleich die Hinweispflichten des Vermieters zeitlich ausdehnen wollten. Insbesondere sei für einen Willen des Vermieters, der von der Wirksamkeit seiner bereits einige Jahre zuvor ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung ausging, das Ende des Mietverhältnisses hinauszuschieben, nichts ersichtlich.
28.03.2022