Zahlen Sie zuviel Miete?
Stand: 8/05
Anhand der folgenden Hinweise können Sie abschätzen, ob bei Ihnen eine Mietpreisüberhöhung nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) vorliegen könnte.
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
- Auf welche Wohnungen findet § 5 WiStG Anwendung?
- Welche Miethöhe ist nicht mehr erlaubt?
- Welche Miethöhen sind nach § 5 WiStG überprüfbar?
- Die 20-prozentige Wesentlichkeitsgrenze
- Ausnutzen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen
- Welche Folgen kann eine Mietpreisüberhöhung haben?
- Was soll man tun?
- Anzeige beim Wohnungsamt
Der Gesetzestext
§ 5 WiStG – Mietpreisüberhöhung
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
(2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind.
Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
1. Auf welche Wohnungen findet § 5 WiStG Anwendung?
Mietpreisüberhöhungen sind grundsätzlich bei jeder Art von Wohnraum ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Fertigstellung oder der Bezugsfertigkeit der Wohnräume oder des Abschlusses des Mietvertrages denkbar. Ausnahme: Bei preisgebundenem Neubauwohnraum, also sogenannten Sozialwohnungen, gilt § 5 WiStG nicht. § 5 WiStG erfasst ausdrücklich nur Wohnraum, also auch untervermietete Räume und Einfamilienhäuser – nicht aber Gewerberäume. Für solche kommt § 4 WiStG zur Anwendung.
2. Welche Miethöhe ist nicht mehr erlaubt?
§ 5 WiStG kommt dann zum Zuge, wenn die Miete „unangemessen hoch ist“. Dafür müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein.
Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 WiStG muss hierfür
- die ortsübliche Vergleichsmiete um 20 Prozent überschritten werden (sogenannte „20-prozentige Wesentlichkeitsgrenze“) und
- ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen ausgenutzt werden.
3. Welche Miethöhen sind nach § 5 WiStG überprüfbar?
§ 5 WiStG findet nicht nur bei der Mietzinsfestsetzung anlässlich des Vertragsabschlusses Anwendung. Grundsätzlich ist eine Mietpreisüberhöhung auch bei einer Mieterhöhung möglich. Das heißt letztlich, dass für die in Frage kommenden Wohnungen zu jedem Zeitpunkt eine Überprüfung nach § 5 WiStG vorgenommen werden kann, ganz gleich, ob der Vertrag gerade erst abgeschlossen wurde, ob eine Mieterhöhung verlangt wird oder die Miete bereits seit Jahren in unveränderter Höhe gezahlt wird.
Aber Achtung: Bei den sogenannten einvernehmlichen Mieterhöhungen während des laufenden Mietverhältnisses nach § 557 Abs. 1 BGB und nach §§ 558 ff. BGB wird man jedoch in der Regel davon auszugehen haben, dass diese nicht unter Ausnutzung eines geringen Angebotes zu Stande kamen (LG Berlin – ZK 65 – GE 02, 860). Anders ist es bei der einseitigen Mieterhöhung wegen Modernisierung (§ 559 BGB) und bei der Staffelmietvereinbarung (§ 557 a BGB).
4. Die 20-prozentige Wesentlichkeitsgrenze
Die erste Voraussetzung, nämlich die Überschreitung der einschlägigen ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent (20-prozentige Wesentlichkeitsgrenze), ist unschwer darzulegen.
Die ortsübliche Vergleichsmiete, deren wesentliche Überschreitung die Anwendung des § 5 WiStG möglich macht, lässt sich in Berlin für den überwiegend in Frage kommenden Wohnraum relativ einfach durch den jeweiligen Berliner Mietspiegel feststellen.
Ein Großteil der Amtsgerichtsabteilungen wie auch der Kammern des Berliner Landgerichts ermittelt die höchstzulässige Miete ebenfalls nach den jeweiligen Mietspiegelwerten. Ein Teil der Richter fordert jedoch zur Ermittlung der gemäß § 5 WiStG höchstzulässigen Miete besondere Sachverständigengutachten, deren Ergebnisse sich nicht vorhersagen lassen, da jeder Sachverständige über unterschiedliches Datenmaterial verfügt. In dieser gespaltenen Rechtsprechung liegt daher ein nicht unerhebliches Prozessrisiko.
Der Berliner Mietspiegel kommt für sämtliche nicht preisgebundenen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zur Anwendung. Der Mietspiegel gilt nicht für Wohnungen in Ein- oder Zweifamilienhäusern sowie für Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln erstellt worden sind. Der Mietspiegel ist auch dann nicht anwendbar, wenn das für die Wohnung maßgebliche Feld keine Daten aufweist. Wenn das maßgebliche Mietspiegelfeld mit einem oder zwei Sternchen versehen ist, verfügen die Werte nur über eine beschränkte Aussagefähigkeit. Zunächst ist vom Mittelwert des maßgeblichen Mietspiegelfeldes als der ortsüblichen Vergleichsmiete auszugehen. Daneben können die sogenannten Sondermerkmale zur Anwendung kommen. Sodann ist die Feineinordnung vorzunehmen, wie sie im Mietspiegel im Einzelnen beschrieben ist. Dazu ist eine Spanneneinordnung zur Abwägung der wohnwertmindernden und wohnwerterhöhenden Merkmale vorzunehmen. Wenn sich aus der Feineinordnung Zu- oder Abschläge auf den Mittelwert ergeben, ist das daraus gewonnene Ergebnis als ortsübliche Vergleichsmiete im Einzelfall anzusehen. Hierauf ist nun der 20-prozentige Zuschlag nach § 5 WiStG zu berechnen, da der Vermieter wie gesagt die ortsübliche Vergleichsmiete sanktionslos bis zu 20 Prozent überschreiten darf. Liegt die zu überprüfende Miete auch nach Hinzurechnung des 20-prozentigen Zuschlages noch über der errechneten Vergleichsmiete, dann ist das eine von den zwei Tatbestandsmerkmalen des § 5 WiStG erfüllt.
Liegt ein den Vermieter begünstigender Sonderfall vor?
Eine Überschreitung der 20-Prozent-Grenze kann gerechtfertigt sein, wenn der Vermieter durch Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung nachweisen kann, dass der überhöhte Mietzins zur Deckung der laufenden Aufwendungen notwendig ist, er also lediglich die sogenannte Kostenmiete verlangt. Trotz möglicherweise über der Wesentlichkeitsgrenze liegenden Aufwendungen darf die Mietpreisüberhöhung nach Ansicht der Rechtsprechung dann allerdings nicht mehr als 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, das heißt, auch die sogenannte Kostenmiete wird durch § 5 WiStG begrenzt.
5. Ausnutzen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen
Das Vorliegen der Voraussetzung „Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum“ wird von Vermietern zunehmend bestritten. Sie verweisen auf den angeblich entspannten Wohnungsmarkt und leiten daraus ab, dass ein „geringes Angebot“ im Sinne des § 5 WiStG nicht mehr vorliegt.
Der Bundesgerichtshof (v. 28.1.2004 – VIII ZR 190/03, GE 04, 540) hat dazu ausgeführt:
„Das Tatbestandsmerkmal der Ausnutzung eines geringen Angebots (§ 5 Abs. 2 WiStG) ist nur erfüllt, wenn die Mangellage auf dem Wohnungsmarkt für die Vereinbarung der Miete im Einzelfall ursächlich war. Dazu hat der Mieter darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, welche Bemühungen bei der Wohnungssuche er bisher unternommen hat, weshalb diese erfolglos geblieben sind und dass er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrages angewiesen war. …
Zwischen der Mangellage und der Vereinbarung der überhöhten Miete muss … ein Kausalzusammenhang bestehen; daran fehlt es unter anderem dann, wenn der Mieter unabhängig von der Lage auf dem Wohnungsmarkt bereit ist, eine verhältnismäßig hohe Miete zu bezahlen, etwa deshalb, weil er aus persönlichen Gründen – beispielsweise wegen einer von ihm bevorzugten Wohnlage – nur eine bestimmte und keine vergleichbare andere Wohnung beziehen will. Dasselbe gilt, wenn der Mieter die Wohnung mietet, ohne sich zuvor über ähnliche Objekte und die Höhe der üblichen Mieter erkundigt zu haben. In allen diesen Fällen bedarf der Mieter nicht des Schutzes, den das Gesetz demjenigen Wohnungssuchenden gewähren will, der sich auf die unangemessen hohe Miete nur deshalb einlässt, weil er sonst auf dem unausgewogenen Wohnungsmarkt keine seinen berechtigten Erwartungen entsprechende Wohnung zu finden vermag. … Nach diesen Grundsätzen ist eine Beweiserleichterung in Gestalt eines Anscheinsbeweises oder einer Vermutung zu Gunsten des Mieters weder geboten noch gerechtfertigt. … Für eine Beweiserleichterung oder sogar eine Beweislastumkehr besteht im Übrigen auch im Hinblick auf den Schutzzweck des § 5 WiStG kein Bedürfnis. …
Die Existenz eines Zweckentfremdungsverbots oder einer ähnlichen Verordnung kann nicht ausreichen, um ohne weitere tatsächliche Grundlagen das Merkmal der unzulässigen Ausnutzung einer Wohnungsmangellage zu bejahen. …“
Für Mieter ist es äußerst schwierig, den Beweis für das Vorliegen eines geringen Angebots zu führen. Aussagekräftig kann hier die Schilderung der eigenen Wohnungssuche sein. Die Darlegungslast kann es mit sich bringen, dass die Mieter, die vor der Anmietung der streitbefangenen Wohnung über Wohnraum verfügten, vortragen müssen, warum sie dort ausgezogen sind und wie viel Zeit sie für die Wohnungssuche hatten, was sie zum Ausfindigmachen der neuen Wohnung unternommen haben, ob sie bestimmte Vorstellungen über Lage und Ausstattung hatten oder nehmen mussten, was sich bot und insbesondere inwieweit der Vermieter die Vertragsbedingungen diktiert beziehungsweise zur Disposition gestellt hat.
Jüngst hat das LG Berlin hierzu entschieden: „Der Mieter, der sich darauf beruft, der Vermieter habe eine Mangellage im Sinne des § 5 WiStG ausgenutzt, muss Einzelheiten seiner Wohnungssuche darlegen. War diese auf bestimmte Stadtteile beschränkt, hat der Vermieter nicht die Mangellage ausgenutzt, sondern den Wunsch des Mieters, in einem von ihm bevorzugten Bezirk zu wohnen.“ (LG Berlin v. 5.11.2002 – 65 S 59/02 -, GE 03, 189). In diesem Sinne hat nunmehr auch der Bundesgerichtshof erneut entschieden: „Bei der Beantwortung der Frage, ob der Vermieter ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen ausgenutzt hat, ist auf das gesamte Gebiet der Gemeinde und nicht lediglich auf den Stadtteil abzustellen, in dem sich die Mietwohnung befindet. Das Tatbestandsmerkmal des „geringen Angebotes“ ist deshalb nicht erfüllt, wenn der Wohnungsmarkt für vergleichbare Wohnungen nur in dem betreffenden Stadtteil angespannt, im übrigen Stadtgebiet aber entspannt ist“ (BGH v. 13.4.2005 – VIII ZR 44/04).
6. Welche Folgen kann eine Mietpreisüberhöhung haben?
Wenn die Miete die 20-prozentige Grenze (in Ausnahmefällen 50 Prozent, siehe oben, Kostenmiete) übersteigt und ein geringes Angebot ausgenutzt wurde, ist die Mietzinsvereinbarung insoweit nichtig, als die Miete die Wesentlichkeitsgrenze übersteigt. Es besteht in diesem Fall nur ein Anspruch auf Senkung der Miete auf die Höhe der Wesentlichkeitsgrenze. Ein noch weitergehender Anspruch auf Reduzierung der Miete auf das ortsübliche Niveau besteht hingegen nicht.
Daneben hat der Mieter einen Anspruch auf Rückzahlung des in der Vergangenheit gezahlten, die Wesentlichkeitsgrenze übersteigenden Mietanteils. Dieser Rückzahlungsanspruch verjährt jedoch binnen drei Jahren.
7. Was soll man tun?
Es empfiehlt sich, in allen Fällen zunächst eine Einigung mit dem Vermieter zu suchen, nachdem man sich in der Rechtsberatung des Berliner Mieterverein e.V. sach- und rechtskundig gemacht hat.
Unabhängig von den geschilderten rechtlichen Schwierigkeiten und Risiken – die den Vermieter gleichermaßen betreffen – sollten Sie deshalb bei Überschreitung der 20-prozentigen Wesentlichkeitsgrenze auf jeden Fall gegenüber Ihrem Vermieter aktiv werden. Die Erfahrungen des Berliner Mieterverein e.V. in der Vergangenheit zeigen, dass – unabhängig von den Ansprüchen aus § 5 WiStG und den soeben erwähnten juristischen Problemen – der Vermieter gerade bei Verweis auf die überhöhte Miete und das Androhen einer Kündigung des Mietverhältnisses häufig zu einer Senkung der Miete bewegt werden kann.
8. Anzeige beim Wohnungsamt
§ 5 WiStG erlaubt nicht nur zivilrechtliche Ansprüche, vielmehr stellt ein Verstoß gegen diesen Paragraphen auch eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann. Anzeige kann jeder betroffene Mieter beim zuständigen bezirklichen Wohnungsamt erstatten. Das Vorliegen der Mietpreisüberhöhung ist mit geeigneten Mitteln (Kopien des Mietvertrags und der Mieterhöhungen) glaubhaft zu machen. Das Verfahren beim Wohnungsamt ist kostenlos, dauert aber relativ lange. Nur wenn der Mieter zugleich mit der Anzeige auch einen Antrag auf Abführung des Mehrerlöses stellt, der dem Vermieter durch die Preisüberhöhung zugeflossen ist, muss ihn die Behörde auch über den Ausgang des Verfahrens unterrichten – in der Regel wird der Anzeigende allerdings nicht über den Verlauf des Verfahrens informiert.
28.05.2018