Leitsatz:
Zahlt der Mieter die volle Miete trotz Mängelanzeige vorbehaltlos weiter an den Vermieter, kann er später die überzahlte Miete nicht mehr vom Vermieter zurückfordern. Denn in einem solchen Fall ist die Kenntnis des Mieters von seinem Mietminderungsrecht anzunehmen, weshalb eine Rückforderung geleisteter Mieten nach § 814 BGB ausgeschlossen ist.
Kammergericht vom 21.12.2012 – 8 U 286/11 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Kammergericht weist darauf hin, dass § 814 BGB zwar eine Kenntnis des Mieters vom Nichtbestehen der Mietforderung erfordere und dass Zweifel daran, dass diese Voraussetzung vorliege, zu Lasten des darlegungs- und beweispflichtigen Leistungsempfängers, also des Vermieters, gingen. Jedoch führe die übliche Rechtskenntnis in einschlägigen Kreisen zu einem Anscheinsbeweis. Dass im Regelfall beim heutigen Kenntnisstand der beteiligten (Mieter-)Kreise von deren Rechtskenntnis einer Minderungsbefugnis auszugehen sei und damit die Vorschrift des § 814 BGB anzuwenden sei, habe schon der BGH entschieden (Urteil vom 16.7.2003 – VIII ZR 274/02).
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Urteilstext
Gründe:
Die Berufung ist insoweit unzulässig und gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, als es für einige der Streitgegenstände an einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Berufungsbegründung fehlt. Soweit sie im Übrigen zulässig ist, ist sie durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
I. Zahlungsanspruch über 16.708,53 EUR ./. 518,87 EUR = 16.189,66 EUR
1) Anspruch gemäß §§ 812, 536 BGB (8.208,53 EUR ./. 518,87 EUR = 7.689,66 EUR)
a) Soweit das Landgericht der Klage für die Monate November 2010 bis Februar 2011 statt gegeben hat, und dabei eine (gestaffelte) Minderung von insgesamt lediglich 518,87 EUR anstatt der geforderten Minderung von 50 % x 1.367,23 EUR x 4 = 2.734,46 EUR anerkannt hat, fehlt es bezüglich der Differenz an einer Berufungsbegründung i.S. von § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO. Eine solche erfordert, dass der Berufungskläger sich mit der tragenden Begründung des angefochtenen Urteils konkret auseinander setzt und aufzeigt, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil in dem entsprechenden Punkt unrichtig ist (vgl. BGH, Beschl. v. 21.09.2010, VIII ZB 9/10, WuM 2010, 694, bei Juris Tz 10 m.N.). Die Berufungsbegründung greift die Schätzung des Landgerichts in Bezug auf die Minderungshöhe nicht an. Vielmehr wird diese Schätzung den weiteren Ausführungen (zu § 814 BGB, s.u.) zugrunde gelegt (Berufungsbegründung S. 2).
b) In Bezug auf die weitergehende Forderung hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
aa) Das Landgericht hat die Rückforderungsklage für die Monate September und Oktober 2010 zu Recht gemäß § 814 BGB abgewiesen, da die Klägerin – unstreitig – bei Zahlung der Miete einen Rückforderungsvorbehalt (noch) nicht erklärt hatte.
Zutreffend ist zwar, dass § 814 BGB eine Kenntnis des Bereicherungsgläubigers vom Nichtbestehen der Verbindlichkeit erfordert, und dass Zweifel daran, dass diese Voraussetzung vorliegt, zu Lasten des darlegungs- und beweispflichtigen Leistungsempfängers gehen (BGH, Urt. v. 17.10.2002 – III ZR 58/02, NJW 2002, 3772, 3773). Jedoch bedeutet dies nicht, dass die Berufung auf die Wirkung des § 814 BGB wegen der – zweitinstanzlichen – Behauptung der Klägerin, rechtsirrtümlich von einem Zustimmungserfordernis der Beklagten für die Minderung ausgegangen zu sein, unschlüssig wäre. Die übliche Rechtskenntnis in einschlägigen Kreisen führt zu einem Anscheinsbeweis (vgl. auch Sprau in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 814 Rn 11). Dass im Regelfall beim heutigen Kenntnisstand der beteiligten (Mieter-)Kreise von deren Rechtskenntnis einer Minderungsbefugnis auszugehen und damit die Vorschrift des § 814 BGB anzuwenden ist, entspricht der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 16.07.2003 – VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380 = NJW 2003, 2601, 2603).
bb) Zutreffend hat das Landgericht auch die Klage gemäß §§ 812, 536 BGB im Zeitraum Oktober 2009 bis August 2010 wegen eines angeblichen Wasserschadens vom Oktober 2009 abgewiesen.
Die Klägerin hat einen solchen Wasserschaden nicht hinreichend dargetan. Zwar trifft es zu, dass die Anforderungen an die Darlegung eines Mangels der Mietsache nicht überspannt werden dürfen, und das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung oder ein bestimmter Minderungsbetrag nicht vorgetragen werden muss. Dies ändert jedoch nichts daran, dass er eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen (Symptome) in dem betreffenden Minderungszeitraum vorzunehmen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11, NJW 2012, 382, 383 Tz 16). Daran fehlt es hier.
Hinsichtlich des Zeitraums Oktober 2009 bis zur Klagezustellung am 06.04.2011 kommt eine Minderung bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht darlegt und unter Beweis stellt, dass sie diesen Schadenfall der Beklagten angezeigt hat (§ 536 c Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB). Die vorgerichtlichen Schreiben vom 27.10. und 12.12.2010 sprechen nur von einem Rohrbruch im September 2010.
In Bezug auf den Zeitraum 07.04. bis 30.08.2011 ist nicht dargelegt, dass aus dem 2 Jahre zurückliegenden angeblichen Wasserschaden Beeinträchtigungen fortbestehen, die eine mehr als nur unerhebliche Minderung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch zur Folge haben und damit gemäß § 536 Abs. 1 S. 3 BGB eine Minderung rechtfertigen. Abgetrocknete Flecken in den Sanitärräumen sind als nur unerhebliche Beeinträchtigung zu bezeichnen. Im Übrigen spricht es gegen die Erheblichkeit, dass die Klägerin eine Mangelanzeige nicht vornahm.
cc) Auch die Rückforderungsklage für den Zeitraum März bis August 2011 wegen des – unstreitigen – Wasserschadens vom September 2010 ist nicht begründet. Die Klägerin trägt nicht substantiiert zum Fortbestand einer aktuellen Beeinträchtigungen vor, nachdem im Februar 2011 unstreitig eine malermäßige Instandsetzung der Räume erfolgt ist.
Äußerlich sind Mangelerscheinungen (Flecken; Geruch) offenbar nicht mehr wahrzunehmen, denn die Klägerin setzt sich mit dem unter Vorlage von Fotos substantiiert gehaltenen Vortrag der Beklagten, die Mängel seien beseitigt, nicht auseinander. Erforderlich wäre gewesen, etwa fortbestehende Schadensstellen konkret nach Lage und Größe zu benennen.
Soweit die Klägerin meint, dass „keine fachgerechten Trocknungsarbeiten“ ausgeführt worden seien, und daher nur der Putz trocken sei, während im Mauerwerk Feuchtigkeit fortbestehe, ist ein Mangel i.S. von § 536 BGB nicht schlüssig dargelegt. Fraglich ist bereits, weshalb vorliegend ein Austrocknenlassen nicht hinreichend gewesen sein soll, und warum „Trocknungsarbeiten“, also offenbar das Aufstellen von Geräten, erforderlich gewesen sein sollen. Auf welche Weise der Vermieter einen Mangel beseitigt, liegt in seinem Ermessen. Jedenfalls fehlt es an der Angabe fortbestehender Mangelsymptome. Für die behauptete Gefahr von erneuter Schimmelbildung fehlen konkrete Anhaltspunkte, so dass von einem gegenwärtigen, eine Minderung rechtfertigenden Mangel nicht ausgegangen werden kann.
2) Schadensersatz in Höhe von 8.500 EUR
a) Bereits dem Grunde nach ist ein Anspruch nach § 536 a Abs. 1 Alt. 2 BGB nicht dargetan. Der Vermieter haftet auf Schadensersatz nur, wenn der Mangel Folge einer von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung ist. Der bloße Umstand eines Rohrbruchs genügt insoweit nicht. Ob sich etwas anderes daraus ergeben könnte, dass der Beklagten durch einen früheren Rohrbruch bekannt war, dass das Leitungssystem „verrottet“ war und akuter Reparaturbedarf bestand, kann dahin stehen. Denn die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der Beklagten der behauptete Schadensfall vom Oktober 2009 bekannt war.
b) Ferner ist ein Schaden (3.000 EUR für verdorbene Lebensmittel und Ladeneinrichtung; 5.500 EUR entgangener Gewinn) schon dem Grunde nach nicht schlüssig dargetan.
Die Schätzung eines „Mindestschadens“ gemäß § 287 ZPO kommt erst in Betracht, wenn jedenfalls in irgendeiner Höhe ein Schaden eingetreten ist, nicht aber, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre (BGH, Urt. v. 14.07.2010 – VIII ZR 45/09, NJW 2010, 3434, 3435 Tz 19). Letzteres ist hier jedoch der Fall, da die Klägerin die angeblich beschädigten Gegenstände nicht ansatzweise bezeichnet und den behaupteten Gewinnentgang nicht annähernd rechnerisch ermittelt und einem bestimmten Zeitraum zugeordnet hat.
II. Anspruch auf Mangelbeseitigung:
1) In Bezug auf den Antrag zu 2 c) (Instandsetzung des Leitungswassersystems..) fehlt es bereits an einer Berufungsbegründung. Das Landgericht hat die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen, weil es an der erforderlichen Bestimmtheit des Begehrens fehle (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), ohne dass die Berufungsbegründung darauf eingeht.
2) Die Anträge zu 2 a) und b) sind unbegründet. Sie setzen fortbestehende Mangelsymptome voraus, an denen es fehlt (s.o.).
III. Feststellung der Minderung ab Oktober 2009:
1) Das Landgericht hat die Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresses (§ 256 Abs. 1 ZPO) für den Zeitraum November 2010 bis Februar 2011 als unzulässig abgewiesen. Mangels Berufungsangriffs hiergegen ist die Berufung insoweit unzulässig.
2) Unzulässig ist die Berufung mangels Begründung auch insoweit, als das Landgericht für Oktober 2010 der Klage teilweise stattgegeben hat (Feststellung Minderung auf 1.141,64 EUR anstatt auf 50 % x 1.367,23 EUR = 683,61 EUR). Denn die Berufungsbegründung greift die zugesprochene Minderungshöhe nicht konkret an.
3) Auch für September 2010 ist die Berufung unzulässig. Das Landgericht hat die Schätzung einer Minderung (§ 287 ZPO) bereits mangels Angabe des Zeitpunkts des Schadensfalles abgelehnt, ohne dass die Berufungsbegründung auf diesen tragenden Abweisungsgrund eingeht.
4) Für den Zeitraum Oktober 2009 bis August 2010 und ab März 2011 ist die Berufung unbegründet, da das Landgericht zutreffend die Darlegung von Umständen vermisst hat, die eine Minderung begründen würden (s.o.).
IV. Rechtsanwaltskosten:
Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind von der Beklagten weder nach § 286 BGB zu tragen – insoweit wird das Urteil des Landgerichts auch nicht angegriffen -, noch nach § 536 a Abs. 1 Alt. 2 BGB. Es ist nicht schlüssig dargetan, dass die Beklagte den Schadenseintritt im September 2010 schuldhaft verursacht hätte.
V. Es wird angeregt, die Fortführung der Berufung aus Gründen der Kostenersparnis zu überdenken.
30.06.2017