Noch immer tickt in den Fußböden von mehr als 60.000 Berliner Wohnungen eine „Zeitbombe“. Aus asbesthaltigen Fußbodenplatten können bei Beschädigung oder Sanierung Asbestfasern leicht in die Raumluft gelangen. Jetzt haben Mieter erstmalig einen rechtlichen Anspruch auf Schadenersatz.
Den Wohnungsbaugesellschaften ist das Problem bekannt. Sie bieten eine Beratung zu Asbestgefahren an – ohne jedoch die Mieter in den betroffenen Wohnungen von sich aus zu warnen. Nicht nur die quadratischen Platten aus Vinylasbest sind gefährlich, auch die schwarzbraunen, bitumenhaltigen Klebstoffe können Asbest enthalten. Die Entfernung der Platten muss deshalb durch eine Fachfirma mit entsprechender Sachkunde erfolgen.
In einer Wohnung des Wohnungsbauunternehmens Gewobag in der Seelingstraße in Charlottenburg wurden beschädigte Vinylasbestplatten ohne besondere Staubschutzvorkehrungen mit Spachtel und Hammer entfernt. Die Mieter wurden über die Gefahren nicht informiert.
Bei einer solchen Verfahrensweise kann nicht ausgeschlossen werden, dass Asbestfasern in das Gewebe der Lunge oder des Rippenfells von Bewohnern gelangt sind. Bereits eine einzelne Faser kann die tödliche „Asbestose“ auslösen.
Bisher führte die lange Inkubationszeit von 20 bis 30 Jahren dazu, dass Ansprüche des Mieters an den Verursacher bei einer Geltendmachung verjährt waren. Mit seinem Urteil vom 21. Dezember 2012 (Az 65 S 200/12, mehr dazu auf Seite 30 dieser Ausgabe des MieterMagazin) hat das Landgericht Berlin nun festgestellt, dass der Vermieter den Klägern alle Schäden zu ersetzen hat, die ihnen aus der Gesundheitsgefährdung durch den Asbestkontakt in den Mieträumen entstanden sind und auch als Spätfolgen möglicherweise noch entstehen werden.
Rechtsanwalt Leistikow-Schreyeck, der das Urteil erstritten hat, fordert die Vermieter auf, ihren ehemaligen und derzeitigen Mietern schriftlich die Sicherung ihrer Rechte aus allen zukünftigen Schäden zuzusagen, damit nicht jeder Mieter einzeln prozessieren muss. Auch sollten die Vermieter einen Geldbetrag für die Ansprüche Asbestgeschädigter insolvenzsicher zurückstellen.
Rainer Bratfisch
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