Eine rückwirkende Mietminderung kann eine Familie gegenüber ihrem Vermieter, die Wohnungsbaugesellschaft GSW, geltend machen – so ein Urteil des Amtsgerichts Spandau. Die Familie war vor ihrem Einzug im Übergabeprotokoll nicht darauf hingewiesen worden, dass die beschädigten Fußbodenfliesen Asbest enthalten können.
Das Übergabeprotokoll vom Dezember 2012 verzeichnete einen PVC-Fußboden, der in einigen Räumen beschädigt war. Die Fliesen hatten Risse, und im Flur fehlten auch einige. Dass es sich bei dem Belag in der Wohnung um sogenannte Floor-Flex-Platten und damit um asbesthaltiges Material handelte, erfuhren die Mieter erst fünf Monate nach ihrem Einzug aus einem Informationsblatt der GSW. „Da hatten wir längst neuen Belag auf den alten gelegt, im Flur die fehlenden Stellen mit etwas Beton ausgeglichen und alles glatt geschliffen“, erklärt Sam Motors, der mit Frau und einem zweijährigen Kind in die Wohnung gezogen war.
Die Mieträume seien mit einem Mangel behaftet, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch einschränke, urteilte das Amtsgericht Spandau. Denn asbesthaltige Fußbodenfliesen, die beschädigt sind, stellen eine Gesundheitsgefährdung dar (Aktenzeichen: 6 C 539/14). Das Gericht verurteilte die Wohnungsbaugesellschaft auf Gewährung einer rückwirkenden Mietminderung von 25 Prozent.
Rechtsanwalt Sven Leistikow, der die Kläger und noch viele weitere Asbestbetroffene vertritt, sagt zahlreiche weitere Klagen vor Berliner Gerichten voraus, denn Floor-Flex-Platten dürften in Tausenden Berliner Mietwohnungen liegen. Sie waren vor allem in den 1960er-Jahren überall im Wohnungsbau und bei Sanierungen verlegt worden. In vielen Fällen hat sich der Bodenbelag über die Jahrzehnte abgenutzt oder ist beschädigt.
Die Sensibilität für das Problem Asbest wächst unter Mietern zunehmend. Sven Leistikow: „Nach diesem Urteil dürften auch viele Vermieter aufmerksamer werden und sehr viel genauer auf ihre Wohnungsübergabeprotokolle achten.“
Rosemarie Mieder
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14.06.2016