Seit einem halben Jahr liegt die von der Bundesregierung geplante Mietrechtsnovelle auf Eis. Vor allem der wichtigste Bestandteil der Neuerungen, die Mietpreisbremse, ist zwischen den Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD umstritten. Nach dem Referentenentwurf, den Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im März vorlegte, sollen Vermieter künftig nach einem Mieterwechsel höchstens zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete fordern dürfen. Dies gilt nur in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf, die von den Bundesländern festgelegt werden müssen. Die Erstvermietung von Neubauten und umfassend sanierten Wohnungen soll ausgenommen werden. Mieten, die bereits höher sind, würden unangetastet bleiben. Die Lobbyverbände der Eigentümer und Vermieter machen Druck gegen die mietbeschränkenden Regelungen – zum Teil mit unsachlichen Argumenten. Das MieterMagazin unterzieht diese Argumente einem Faktencheck.
„Die Mietpreisbremse trägt nicht zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt bei.“
Das trifft insofern zu, als die Mietpreisbremse nicht zum Neubau von zusätzlichen Wohnungen führt. Das ist aber auch gar nicht der Zweck des Gesetzes. Zur Entspannung des Wohnungsmarktes trägt die Mietpreisbremse dennoch bei: Sie drosselt den von hohen Wiedervermietungsmieten massiv angeheizten Mietenanstieg und hält somit mehr Wohnungen preislich in einem Rahmen, der auch für Mieter mit einem geringeren Einkommen bezahlbar ist. In der Folge wirkt das auch dämpfend auf den nächsten Mietspiegel.
„Die Mietpreisbremse verhindert Neubau und schadet dadurch den Mietern. Mietpreisregulierungen verewigen Wohnungsknappheit.“
Diese These geht ins Leere, weil die Erstvermietung von Neubauwohnungen nicht von der Mietpreisbremse betroffen ist. Auch bei späteren Wiedervermietungen darf weiterhin diese Miete verlangt werden, auch wenn sie über der Grenze liegt, die die Mietpreisbremse vorgibt. Vermieter von Neubauten verlangen generell den aus betriebswirtschaftlicher Sicht „notwendigen“ Mietpreis. In ihre Kalkulation fließt auch ein, dass sich Neubaumieten auch auf einem unregulierten Wohnungsmarkt in den ersten Jahren nach der Fertigstellung erfahrungsgemäß nicht weiter erhöhen lassen.
„Die Mietpreisbremse ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie stellt eine kalte Enteignung der Immobilieneigentümer dar.“
Moniert wird damit ein Eingriff in die Eigentumsrechte, die Artikel 14, Absatz 1 des Grundgesetzes garantiert. Das Grundgesetz schützt aber nicht die höchstmögliche Rendite. Die Mietpreisbindung der Bundesrepublik, die in West-Berlin bis 1987 beziehungsweise bis Ende 1990 galt, und das bis 1995 im Osten geltende Mietenüberleitungsgesetz waren weit tiefere Eingriffe in das Eigentumsrecht, und sie hielten verfassungsrechtlichen Überprüfungen stand. Eine Begrenzung der Wiedervermietungsmiete auf einen Wert über dem Ortsüblichen dürfte wohl kaum die auskömmliche Bewirtschaftung der Immobilie gefährden.
„Die Mietpreisbremse ist unsozial. Von ihr profitieren nur reiche Mieter. Arme werden zusätzlich benachteiligt, weil Vermieter zukünftig verstärkt im unteren Marktsegment Mieten anheben.“
Dieser These liegt die falsche Annahme zugrunde, dass im unteren Marktsegment die ortsübliche Vergleichsmiete nicht ausgeschöpft wird. Dass durch die Mietpreisbremse wohlhabendere Wohnungssuchende sich verstärkt in weniger begehrten Stadtlagen umsehen und den ärmeren mehr Konkurrenz machen, ist nicht zu erwarten. Arbeitslose, Sozialhilfe- und Grundsicherungsempfänger werden nach wie vor – auch unabhängig von der Miethöhe – bei der Wohnungssuche benachteiligt. Daher sind neben der Mietpreisbremse weitere Instrumente zur Wohnraumversorgung gefragt, zum Beispiel der Ankauf von Belegungsrechten oder stärkere Verpflichtungen für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften.
„Die Mietpreisbremse wird die Investitionstätigkeit in die Modernisierung lenken und damit zu massiven Mietsteigerungen in Bestandsmietverhältnissen führen.“
Spezielle Vermietertypen, die es darauf anlegen, Wohnungen frei zu bekommen, um sie anschließend teuer neu zu vermieten, könnten nach Inkrafttreten der Mietpreisbremse stattdessen versuchen, über kostspielige Modernisierungsmaßnahmen höhere Mieteinnahmen zu erzielen. Dem entgegen wirkt allerdings die gleichzeitig geplante Kappung der Modernisierungsumlage auf zehn Prozent und deren Befristung bis zur Amortisation der Baukosten. Ob Vermieter stärker in die Modernisierung investieren werden, bleibt spekulativ, denn im Unterschied zu den leistungslosen Mehreinnahmen bei der Vermietung von Wohnraum können modernisierungsbedingte Mietsteigerungen nur mit finanziellem und organisatorischem Aufwand erzielt werden.
„Die Mietpreisbremse wird zu einem negativen Qualitätseffekt im Wohnungsbestand führen.“
Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Wohnqualität leidet, wenn die Preise bei der Wiedervermietung begrenzt werden. Selbst in Städten mit extrem hohem Mietniveau – in der Regel entstanden durch die hohen Mieten bei Wiedervermietung – ist die Wohnungsqualität nicht besser als in Orten mit durchschnittlichem Mietniveau. Kein Wunder: Mehreinnahmen aus Wiedervermietung stecken Vermieter nicht zwingend in eine Standardverbesserung. Das zuweilen an die Wand gemalte Schreckbild von verfallenden Städten, weil die Eigentümer aufgrund der Mietpreisbremse ihre Häuser nicht mehr instandhalten können, ist nichts als Panikmache.
„Die Mietpreisbremse ist nicht erforderlich, weil die Mieten gar nicht überproportional ansteigen.“
Diese falsche Einschätzung beruht auf dem Bundesmietenindex, der einen Durchschnitt aller Mieten in Deutschland abbildet. Darin sind auch ländliche Gemeinden und schrumpfende Städte erfasst. Die Mietpreisbremse soll aber nur in Orten mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten. Das sind vor allem die Groß- und Universitätsstädte. Dass dort die Mieten übermäßig stark ansteigen, ist einwandfrei nachzuweisen.
„Die Mietpreisbremse wird dazu führen, dass Wohnraum wieder gehortet wird und Abstandszahlungen für Möbel bei Wiedervermietung stark zunehmen werden.“
Diese Phänomene werden nicht durch die Mietpreisbremse, sondern durch die Wohnungsknappheit verursacht. Das Horten, also das Bleiben in einer für den Mieter eigentlich zu großen Wohnung, weil die Neuanmietung einer kleineren Wohnung nicht günstiger ist, wird mit der Mietpreisbremse zurückgehen. Wenn der Unterschied zwischen alter und neuer Miete nicht mehr so hoch ist, werden Umzugshemmnisse abgebaut, und es gelangt mehr verfügbarer Wohnraum auf den Markt. Bei Knappheit nehmen Sonderzahlungen an Makler und Vermieter sowie Abstandsgeschäfte des Vormieters zu. Abstandsforderungen des Vermieters sind nicht zulässig. Wenn die Verbände der Wohnungswirtschaft mit einer Zunahme von Abstandszahlungen drohen, dann lässt dies auf ein nicht akzeptables Rechtsverständnis schließen.
„Die Einführung der Mietpreisbremse ist der Willkür von Ländern und Kommunen ausgesetzt.“
Es gibt keine Willkür. Was als angespannter Wohnungsmarkt gilt, ist eindeutig festgelegt. Ein Wohnungsmarkt ist angespannt, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Diese Definition gilt auch schon als Voraussetzung für die Kappung von Mieterhöhungen, die Verlängerung des Kündigungsschutzes und das Verbot der Zweckentfremdung.
„Die Mietpreisbremse wird für die Vertragspartner Mieter und Vermieter zu einer Belastung des beginnenden Mietverhältnisses, weil die unklare Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete enormes Streitpotential bietet.“
Die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist klar geregelt, in fast allen Städten durch einen Mietspiegel. Streitträchtig ist aber der vorgesehene Bestandsschutz für überhöhte Mieten. Bei Vertragsunterzeichnung kann der Mieter im Grunde nie genau wissen, ob die geforderte Miete berechtigt ist, denn in aller Regel kennt er nicht die Miethöhe des Vormieters. Ihm bleibt dann nur ein Auskunftsanspruch und eine unmittelbare Rüge gegen den Vermieter, um keine Rückzahlungsansprüche zu verlieren. Weniger konfliktträchtig wäre, auf den Bestandsschutz für überhöhte Mieten zu verzichten.
„Mit der Mietpreisbremse ist die Verfolgung der Mietpreisüberhöhung nach Paragraph 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes überflüssig.“
Falsch. Nach Paragraph 5 ist „Mietpreiswucher“ eine Ordnungswidrigkeit. Vermieter werden verpflichtet, zu Unrecht kassierte Mieten zurückzuzahlen. In der Mietpreisbremse ist hingegen erst dann eine Reduzierung der Miete vorgesehen, wenn der Mieter eine zu hohe Miete rügt – und nicht rückwirkend. Justizminister Maas hat deshalb auch angekündigt, am Paragraph 5 festzuhalten. Die extremen Hürden, die der Mieter überwinden muss, um einen Mietpreiswucher zu beweisen, müssen allerdings auf ein praktikables Maß gesenkt werden.
Jens Sethmann
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MieterMagazin 10/14
Illustrationen: Julia Gandras
Vor ausschließlich profitorientierten Modernisierungsmaßmahnen schützt eine verstärkte Kappung der Kostenumlage
Das Bild von der „kalten Enteignung“ ist maßlos überzeichnet: Die Wohnungspolitik der Bundesrepublik hat schon mit deutlicheren Eingriffen Marktauswüchse begrenzt
Überzogene Abstandszahlungen sind ein Symptom der Wohnungsnot – nicht einer etwaigen Mietpreisbremse
Keine Sorge vor Streitereien um die Miethöhe: Mithilfe des Mietspiegels kann die Miete am Anfang eines Vertragsverhältnisses klar berechnet werden
Der Faktencheck noch ausführlicher im Internet unter
www.berliner-mieterverein.de/aktuell/
faktencheck-mietpreisbremse.htm
27.11.2016