Mit ihren energetischen Sanierungen im Prenzlauer Berg handelt sich die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag regelmäßig heftigen Mieterprotest ein. Neuester Fall: das Gebäude Schliemannstraße 36/Raumerstraße 9.
Noch sind die Mieten in dem Eckhaus am Helmholtzplatz bezahlbar. Doch im Februar dieses Jahres kam eine Modernisierungsankündigung, die es in sich hatte. Um bis zu 130 Prozent sollten die Mieten steigen. Mit mindestens eineinhalb Jahren Bauzeit ist zu rechnen – in dieser Zeit müssen die Mieter zwischenumgesetzt werden. Von den 26 Mietparteien sind mittlerweile sechs ausgezogen oder haben eine Vereinbarung mit der Gewobag getroffen. Der Rest wehrt sich und hat Presse und Bezirkspolitiker eingeschaltet.
Die Mieter kritisieren die geplanten Maßnahmen als teilweise überflüssig und wirtschaftlich unsinnig. „Ein Balkon wäre ganz schön, aber ansonsten kann ich keine Wohnwertverbesserung erkennen“, meint eine Mieterin. Abgelehnt wird vor allem die Dämmung der hofseitigen Altbaufassade, die nach Auffassung der Mieter keinerlei End-Energieeinsparung bringe und zudem mit 300 Euro pro Quadratmeter extrem teuer sei. „Wir haben eine Gasetagenheizung und zahlen derzeit 89 Euro im Monat für Heizung und Warmwasser – nach der energetischen Sanierung sollen es 115 Euro sein“, ärgert sich ein Mieter.
Auf Widerstand stößt auch der geplante Einbau zweier Fahrstühle. Sie halten nur auf halber Treppe, so dass von Barrierefreiheit keine Rede sein kann. Dafür treiben die Aufzüge die Nebenkosten in die Höhe. Notwendig werden sie in erster Linie, weil im Dachgeschoss neue Wohnungen gebaut werden. In einem anderen umstrittenen Modernisierungsvorhaben der Gewobag in der Raumerstraße 11 werden diese Dachgeschosswohnungen für 15 bis 18 Euro pro Quadratmeter vermietet. „Wieso sollen wir Altmieter diese Luxuswohnungen auch noch mitfinanzieren? Und was hat das mit dem sozialen Auftrag einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft zu tun?“, empört sich Martin Stahlke aus dem Haus.
Eine gute Frage, auf die die Gewobag in ihrer Stellungnahme an das MieterMagazin nicht eingeht. Dafür wurde den Mietern Mitte August plötzlich eine Kappung der Umlage auf 1,97 Euro angeboten. „Bei Härtefällen kann diese sogar darunter liegen“, so Pressesprecherin Josiette Honnef.
Offenbar hatte mittlerweile aber auch der Senat ein Machtwort gesprochen. Man habe die Gewobag gebeten, ihre Haltung bei der Modernisierung noch einmal zu überdenken, sagte Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup (SPD) Anfang August der Tageszeitung „taz“. In Politik und Verwaltung setzt sich offenbar allmählich die Erkenntnis durch, dass energetische Sanierungen nicht um jeden Preis sinnvoll sind.
Birgit Leiß
01.01.2018