Die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt sei gar nicht so dramatisch. Die Mieten seien nicht so hoch wie in vielen Marktstudien angegeben, und sie würden langsamer steigen als die Einkommen. Das meint zumindest der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Aus seinem Marktmonitor zieht er den Schluss, dass der Mietendeckel unnötig und schädlich sei. Bei genauerer Betrachtung ist die Argumentation recht wacklig.
Wie jedes Jahr hat der BBU die Vermietungsdaten seiner 340 Mitgliedsunternehmen in Berlin und Brandenburg ausgewertet. In Berlin lag die durchschnittliche Neuvertragsmiete im Jahr 2019 bei 7,95 Euro pro Quadratmeter nettokalt. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 2,7 Prozent. Die Einkommen der Berliner sind gleichzeitig um 3,6 Prozent gestiegen, jedenfalls im Durchschnitt – davon hat nicht jeder im gleichen Maße profitiert.
Der BBU rühmt sich, die genannten Miethöhen seien tatsächlich gezahlte „Realmieten“. Im Gegensatz dazu beziehen viele Wohnungsmarktstudien ihre Daten aus Mietangeboten auf Immobilienportalen. Diese Angebotsmieten sind höher – „Immowelt“ beispielsweise nennt eine Durchschnittsmiete von 11,60 Euro pro Quadratmeter.
„Die von uns erhobenen Realmieten belegen, dass die Berliner Mieten sich deutlich moderater entwickeln, als landläufig immer wieder behauptet wird“, sagt BBU-Vorstand Maren Kern. Auch bei den Neubaumieten bemängelt sie erhebliche Differenzen gegenüber anderen Studien. Während die meisten Untersuchungen um die 14 Euro verzeichnen, liegt bei BBU-Unternehmen die Erstvermietungsmiete von Neubauten bei 10,58 Euro pro Quadratmeter.
Wie erklären sich die abweichenden Zahlen? Im BBU sind vor allem ehemals gemeinnützige Wohnungsunternehmen organisiert. Die Hälfte der knapp 700.000 Berliner Wohnungen der BBU-Mitgliedsunternehmen entfallen auf die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Dazu kommen zehntausende Wohnungen von Genossenschaften, die traditionell ohne Gewinnstreben ihren Mitgliedern günstige Wohnungen bieten. Die börsennotierte Deutsche Wohnen ist zwar mit 115.000 Wohnungen das größte Einzelunternehmen im BBU, doch die rein profitorientierten Firmen sind dort in der Minderheit.
Die BBU-Zahlen bilden den Wohnungsmarkt nicht ab
Die städtischen Gesellschaften sind durch Kooperationsvereinbarungen mit dem Berliner Senat zu einer sozialen Mietenpolitik verpflichtet. So sind Mieterhöhungen und Modernisierungsumlagen gekappt, und die Hälfte der Neubauwohnungen hat eine Mietpreis- und Belegungsbindung. Der Neubau von Sozialwohnungen wird fast ausschließlich von den städtischen Unternehmen gestemmt. Ein Großteil der BBU-Unternehmen hat also durch staatliche Maßnahmen ein geringeres Mietniveau.
Die Vermieter von 56 Prozent der Berliner Mietwohnungen sind nicht im BBU organisiert. Jene sind zum einen kleine Vermieter von wenigen Häusern oder einzelnen Eigentumswohnungen, zum anderen gewinnorientierte Unternehmen und Finanzinvestoren. Vor allem letztere unterwerfen sich keinen Kooperationsvereinbarungen oder Selbstbeschränkungen, sondern finden zahlreiche Tricks, um die Mietpreisbremse, den Mietendeckel sowie Umwandlungsverbote und Zweckentfremdungsverbote zu umgehen und das Mietniveau durch entsprechende Forderungen weit über der 10-Euro-Marke in die Höhe zu jagen.
Jens Sethmann
Auch „die Guten“ drohen mit Schattenmieten
Der Mietendeckel hat die BBU-Unternehmen nicht stark betroffen. Nur bei 12,4 Prozent ihrer Wohnungen musste die Miete abgesenkt werden. „Dass bei unseren Unternehmen nur für eine kleine Anzahl von Wohnungen Mietzahlungen abgesenkt werden mussten, zeigt unser moderates Mietenniveau und belegt einmal mehr: Wir sind die Guten“, kommentiert Maren Kern. Die meisten BBU-Vermieter unterlaufen den Mietendeckel allerdings mit Schattenmieten, die sie „Transparenzmieten“ oder „Mietsicherungsklauseln“ nennen. „Wohnungsunternehmen sind gesetzlich grundsätzlich gehalten, wirtschaftlich zu arbeiten. Dazu gehört auch die Absicherung mit Transparenzmieten“, erklärt Kern. Auch bei „den Guten“ ist also das Geld wichtiger als das Recht der Mieter.
bl
25.03.2021