Die Bundesregierung lobt sich für ihre Wohnraumoffensive selber über den grünen Klee. Doch unzufriedene Mieter- und Sozialverbände fordern nun einen bundesweiten sechsjährigen Mietenstopp.
Vor zweieinhalb Jahren hat die Bundesregierung entdeckt, dass „die Wohnungsfrage die soziale Frage unserer Zeit“ ist. Nach dem Wohngipfel im September 2018 hat sie eine Wohnraumoffensive beschlossen, die Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) nun als „außergewöhnlich erfolgreich“ bilanziert: „Wir haben 1,2 Millionen neue Wohnungen geschaffen – das ist ein gigantisches Wohnungsbauprogramm.“ Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ergänzt: „Der Bund fördert den Sozialen Wohnungsbau mit viel Geld, unterstützt junge Familien mit dem Baukindergeld dabei, die eigenen vier Wände zu erwerben, geht entschlossen gegen Bodenspekulationen vor und schützt Mieterinnen und Mieter.“ Gerade in den Großstädten sei bei den Angebotsmieten ein „deutlich dämpfender Effekt“ zu erkennen.
Harsche Kritik von Opposition und Verbänden
Mit ihrer rosigen Bilanz steht die Bundesregierung ziemlich allein da. Harsche Kritik üben sowohl die Opposition als auch Mieter- und Sozialverbände. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter nennt die Bilanz einen „Schlag ins Gesicht all der Menschen, die verzweifelt eine bezahlbare Wohnung suchen“. „Die Bundesregierung lässt Mieterinnen und Mieter komplett im Regen stehen“, stellt die Linken-Wohnungspolitikerin Caren Lay fest. „Die Maßnahmen der Bundesregierung führten nicht spürbar zu einer Verbesserung auf den angespannten Wohnungsmärkten deutscher Großstädte“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV).
Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes (DMB) ist die Wohnraumoffensive der Bundesregierung „trotz guter Ansätze verpufft“. Die Mängelliste des DMB ist lang: Es werden viel zu wenig Sozialwohnungen gebaut, die Sonderabschreibung im Mietwohnungsbau ist wirkungslos, das Baukindergeld bringt keine neuen Wohnungen dort, wo sie gebraucht werden, und die Baulandpreise explodieren. Die Mieten steigen ungebremst, es werden unbegrenzt Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt, das Vorkaufsrecht der Kommunen ist zahnlos, und steuervermeidende Share Deals im Immobilienhandel werden nicht eingedämmt. „Solange es hier keine sichtbaren Erfolge gibt, ist ein bundesweiter und flächendeckender Mietenstopp unbedingt erforderlich“, erklärt DMB-Präsident Lukas Siebenkotten.
Angesichts der schlechten Bilanz startete ein breites Bündnis aus Mieter- und Sozialverbänden, Stadtteilinitiativen und Gewerkschaften eine Kampagne für einen sechsjährigen Mietenstopp. „Kleine Stellschrauben zu drehen, reicht längst nicht mehr“, so Lorena Jonas von der Initiative „23 Häuser sagen Nein“. Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband klagt: „Der Wohnungsmarkt macht unsere soziale Arbeit unmöglich. Man kann es sich kaum vorstellen, was es für einen pflegebedürftigen Menschen bedeutet, in einen anderen Stadtteil ziehen zu müssen.“
Die Kampagne geht zurück auf das bayerische Mietenstopp-Volksbegehren, das vom dortigen Verfassungsgericht untersagt wurde, weil das Bundesland dafür nicht zuständig sei. „Deshalb wollen wir das jetzt auf Bundesebene durchsetzen“, erklärt DMB-Präsident Siebenkotten und mahnt zur Eile: „Die jetzige Bundesregierung muss noch vor der Wahl handeln.“
Jens Sethmann
Forderungen der Kampagne Mietenstopp
Bundesweit sollen die Mieten sechs Jahre lang nicht erhöht werden. „Fairen Vermietern“ wie Genossenschaften werden jährliche Mieterhöhungen von zwei Prozent zugestanden, sofern bestimmte Obergrenzen nicht überschritten werden. Damit Modernisierungsmieterhöhungen nicht den Mietenstopp aushebeln, soll es für energetische Modernisierungen dauerhaft eine bessere Förderung geben. Außerdem fordert die Kampagne eine Bodenreform, um die explodierenden Grundstückspreise zu bekämpfen, eine neue Gemeinnützigkeit für Wohnungsunternehmen, strengere Regeln für Eigenbedarfskündigungen und Umwandlungen sowie deutlich mehr Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen.
js
28.03.2022