Die Auskunftei Schufa speichert Informationen über 68 Millionen Menschen und hat mit ihren Bonitätsauskünften einen riesigen Einfluss zum Beispiel darauf, wer einen Mietvertrag bekommt. Doch das Geschäftsmodell der Privatfirma, mit den Daten von Menschen Geld zu verdienen, bekommt zunehmend Gegenwind.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Dezember 2023 der Schufa – Marktführerin unter den deutschen Auskunfteien – deutliche Grenzen gesetzt: Das automatisierte Scoring – also die Berechnung der Bonität nach einem geheimen Algorithmus – darf nicht maßgeblich dafür sein, ob jemand einen Kredit, Mobilfunkvertrag oder eine Mietwohnung bekommt. In der Praxis hat man mit einem schlechten Scoring keine Chance. Konsequent umgesetzt wäre mit dem EuGH-Urteil das Geschäftsmodell der Auskunfteien stark eingeschränkt.
Die Schufa will von ihren Kunden aber erfahren haben, dass die Schufa-Scores „für sie zwar wichtig, aber in aller Regel nicht allein entscheidend für einen Vertragsabschluss sind“, so Schufa-Vorstandsmitglied Ole Schröder. „Deshalb wird die große Mehrheit unserer Kunden Schufa-Scores weiterhin ohne Anpassung ihrer Prozesse nutzen können.“ Und damit die Schufa auch künftig weitermachen kann wie gehabt, drängt sie darauf, das Bundesdatenschutzgesetz in der anstehenden Neufassung „klarstellend anzupassen“.
Im Februar ist die Schufa zudem vom Datenschutzverein NOYB („None of your business“) angezeigt worden. NOYB kritisiert, dass die Schufa den von ihr erfassten Menschen keine vollständige und kostenlose Auskunft über deren eigene Daten erteilt – ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Wohnungssuchenden empfiehlt die Schufa die „BonitätsAuskunft“ und den „BonitätsCheck“, die je 29,95 Euro kosten. Die kostenlose Auskunft nennt die Schufa hingegen verschleiernd „Datenkopie“, von deren Weitergabe an Dritte sie ausdrücklich abrät.
„Die DSGVO verlangt, dass Unternehmen alle Daten sofort, kostenlos, leicht zugänglich und transparent zur Verfügung stellen“, sagt NOYB-Jurist Martin Baumann. „Diese Anforderungen stehen im deutlichen Widerspruch zur aktuellen Geschäftspraxis, betroffenen Personen ihre eigenen Daten zu verkaufen.“
Verwirrendes Angebot an Auskünften
Die Schufa weist die Vorwürfe zurück. Die „Datenkopie“ enthalte nur einen Basisscore, der „keine Bedeutung für die Entscheidungsfindung durch den Vermieter haben“ sollte, sagt das Unternehmen. Die kostenpflichtige „BonitätsAuskunft“ zeige hingegen tagesaktuelle branchenspezifische Scores an und sei „der anerkannte Bonitätsnachweis, zum Beispiel für Vermieter“. Zum gleichen Zweck bietet die Schufa den ebenso teuren „BonitätsCheck“ an, der wiederum gar keine Scores ausweist, sondern „ganz spezifisch nur die Informationen für Vermieter:innen“ enthalte.
Jens Sethmann
Die Bonitätsberechnung ist eine Geheimwissenschaft
Nach welchen Maßstäben die Auskunfteien die Kreditwürdigkeit eines Menschen bewerten, ist ihr streng gehütetes Geschäftsgeheimnis. Durch wachsende Kritik in der Defensive, hat die Schufa kürzlich ihre „13 wichtigsten Scoring-Faktoren“ veröffentlicht. Deren Aussagekraft ist allerdings recht zweifelhaft. So bekommt einen schlechteren Wert, wer an der aktuellen Adresse noch nicht lange wohnt, wer das Girokonto gewechselt hat, wer mehr als zwei Kreditkarten hat – oder aber gar keine nutzt – und wer viel online auf Rechnung kauft. Irrtümer können weitreichende Folgen haben. Buchungsfehler beim Telefonanbieter lassen einen schnell als säumigen Schuldner dastehen. Wer zufällig so heißt wie ein Mafiaboss, steht unter Umständen mit einem sehr schlechten Score da – und muss selbst für Aufklärung sorgen.
js
Schufa:
www.schufa.de
Datenschutzverein NOYB:
noyb.eu/de
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30.03.2024