Warndateien im Internet wollen Vermieter vor „Mietschädigungen“ schützen und ihnen zu solventen Mietern verhelfen. Dafür geben sie teils sensible Daten preis. Selbst vor verleumderischen Angaben können sich Mieter nur schwer schützen.
Mietnomaden, vorsätzliche Beschädigungen von Mietsachen, finanzielle Verluste in Milliardenhöhe – mit solchen Schlagworten sollen Vermieter dazu animiert werden, sich in Online-Datenbanken – etwa der „Deutschen Mieter Datenbank“ (www.demda.de), der „Zentralen Vermieterschutz Datenbank“ (www.zvsd-online.de) – über schlechte Erfahrungen mit Mietern auszutauschen. Hier werden zum Teil sensible Daten erhoben, gespeichert und übermittelt. „Wir geben Auskunft über die Bonität potenzieller Mieter anhand von Daten öffentlicher Schuldnerverzeichnisse sowie von Daten aus gerichtlichen und vorgerichtlichen Inkassoverfahren“, sagt Matthias Weigler, Geschäftsführer der Deutschen Mieter Datenbank.
Ergänzt werden die Bonitätsdaten durch Eintragungen von Vermietern zu Familienstand, Beruf und Arbeitsverhältnis des Mieters, aber auch zu Vertragsverstößen und zu seinem Verhalten: Wurde der Mieter in der Vergangenheit zu einer Wohnungsräumung verurteilt, hatte er Mietrückstände, in welchem Zustand befand sich die Wohnung nach seinem Auszug?
Der dritte Teil der Abfrage umfasst Daten zum Wohnumfeld und gibt zum Beispiel Auskunft über die Akademiker- oder die Erwerbslosendichte, Wohntypen und dominante Pkw-Marken, die Kaufkraft pro Haushalt und das statistische Risiko von Zahlungsausfällen. Wer in einem eher armen Viertel lebt, hat also womöglich schon mal allein dadurch die schlechteren Karten. Die Firma „IMODA24 GmbH“ (www.imoda24.de) verlässt sich nach ihren Angaben allein auf rechtskräftige Urteile und Titel gegen vertragsbrüchige Mieter. Eine Diskriminierung oder Diffamierung sei deshalb ausgeschlossen, meint Geschäftsführerin Maria Luise Erdell. Andere Auskunftsdienste sind da weniger zimperlich.
Die Betroffenen sind oft ahnungslos
So muss ein Eintrag auf der Seite www.vermieterinformationssystem.de einfach „nur der Wahrheit entsprechen“. Betroffene würden jedoch informiert und hätten die Möglichkeit einer Gegendarstellung, erklärt der Seitenbetreiber Bernd Köhl. „Diffamierende Einträge sind nicht gestattet.“
Während einige Auskunftsdienste gebührenfrei sind, kostet eine Einzelauskunft bei demda.de 15,90 Euro. „Große Wohnungsgesellschaften nehmen meist das „Mietercheck-Paket XL“ mit 1000 Auskünften für 2790 Euro“, so Weigler, der sich nach eigenen Angaben über 36.000 Kunden freuen kann.
Der Deutsche Mieterbund (DMB) lehnt derartige Online-Auskunftsdienste ab. „Dass Daten gesammelt werden, ist als solches natürlich nicht verboten“, so DMB-Sprecher Ulrich Ropertz. „Öffentliches Anprangern ist dagegen illegal.“ Veröffentlichte Daten müssten belegbar sein, doch das sei häufig nicht der Fall. Ropertz: „Die Betroffenen erfahren zudem oft gar nichts von Einträgen über sie.“ Entsprechend können sie sich auch nicht dagegen wehren.
Allerdings haben Mieter die Möglichkeit einer Selbstabfrage (siehe Kasten: „Wie Mieter sich schützen können“). Ein Eigenversuch bei der Deutschen Mieter Datenbank hat allerdings wenig Aufschlussreiches zu Tage gefördert: Bei den Bonitätsdaten wird auf zwei private Auskunfteien verwiesen und auch für die Wohnumfelddaten sei eine andere Firma zuständig. Vermieterdaten lägen keine vor. Die meisten Mieter kommen vermutlich gar nicht auf die Idee, dass über sie etwas gespeichert sein könnte – so wie auch kaum jemand ohne besonderen Grund bei Auskunfteien wie Schufa, Bürgel oder Creditreform eine Selbstauskunft einholt. Doch schon eine Mietkürzung, egal ob berechtigt oder nicht, kann einem bisweilen einen Negativeintrag bescheren.
Ein Fall für den Datenschutz?
Der Mieterbund hat inzwischen wegen demda.de und zvsd-online.de Datenschutzbeauftragte eingeschaltet – zuständig ist immer der Beauftragte des Bundeslandes, in dem das Unternehmen seinen Geschäftssitz hat. Im Falle der Mietnomaden-Datenbank hat der nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragte bereits erfolgreich eingegriffen. „Der Abruf von Daten eines Mietbetrügers oder von Mietnomaden wurde uns leider untersagt, weil man wohl diese Klientel schützen will und der Gesetzgeber in dieser Angelegenheit keine klare Linie findet“, heißt es nun auf der Internetseite. In einem Gästebuch können sich Vermieter aber weiterhin austauschen – mit der Bitte, keine „Mietnomaden“ namentlich zu nennen.
Erst seit der Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vom 1. September 2009 haben die Datenschutzbeauftragten bei „einer besonderen Gefährdung des Persönlichkeitsrechts“ überhaupt die Möglichkeit einer Untersagungsverfügung (§ 38, Abs. 5 BDSG). „Wir haben es hier mit einer großen Grauzone zu tun und arbeiten schon seit einiger Zeit an einer rechtlichen Klärung“, sagt Verena Meyer, Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten. Unklar sei zum Beispiel in vielen Fällen, wann tatsächlich ein berechtigtes Interesse an einer Weitergabe entsprechender Daten bestehe und wann nicht. Verstärkt gebe es deshalb auch Gespräche mit der Wohnungswirtschaft. Das betrifft nicht nur Online-Dienste, sondern generell Bonitätsauskünfte über Mietinteressenten.
Einschränkungen ohne Verpflichtung
Die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich haben Ende Oktober 2009 einen Beschluss gefasst, wonach solche Auskünfte nur eingeschränkt zulässig sind. So sollen Vermieter zum Beispiel erst dann eine Auskunft zu einem Mietinteressenten einholen dürfen, wenn der Abschluss des Mietvertrags mit diesem Bewerber nur noch vom positiven Ergebnis einer Bonitätsprüfung abhängt. Neben Informationen aus öffentlichen Schuldner- und Insolvenzverzeichnissen sollen nur Daten über negatives Zahlungsverhalten übermittelt werden dürfen, wenn die Forderung noch offen ist und eine Grenze von insgesamt 1500 Euro überschreitet. „Doch rechtlich bindend ist dieser Beschluss für die Wohnungswirtschaft nicht“, so Meyer.
Was die Mietnomaden betrifft, so handelt es sich dabei übrigens eher um einen Scheinriesen (MieterMagazin 1+2/10, Seite 14: Ein Phantom geht um). „Natürlich gibt es solche Betrüger, die vorsätzlich keine Miete zahlen, eine Wohnung oft noch verwüsten und dann in die nächste ziehen“, sagt Ropertz. „Aber das sind bundesweit gerade mal 1000 Fälle im Jahr.“ Bei knapp 22 Millionen Mieterhaushalten in Deutschland ist das eine verschwindend geringe Zahl. Außerdem fallen unter den Begriff auch solche, die ihre Hotelrechnung nicht bezahlen und türmen. Wer aber zum Beispiel arbeitslos wird und deshalb plötzlich Probleme hat, die Miete zu zahlen, ist noch lange kein Mietnomade.
Kristina Simons
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MieterMagazin 6/10
Daten sammeln ist nicht verboten –
öffentliches Anprangern dagegen schon
Illustration: Julia Gandras
Verbraucherzentrale Berlin,
Tel. 214 85 0,
E-Mail:
mail@verbraucherzentrale-berlin.de.
Rat und Tat
Wie Mieter sich schützen können
Seit dem 1. April 2010 können Interessierte einmal im Jahr kostenlos eine Selbstauskunft bei Schufa, Creditreform und Co. einholen (§ 34 BDSG). Ein entsprechendes Musterschreiben ist beim Berliner Mieterverein gegen Einreichung eines frankierten und adressierten Rückumschlages erhältlich. Verbraucher sollen wirksamer kontrollieren können, ob ihr Zahlungsverhalten im „Scoring“, also dem Bonitäts-Punkteverfahren, richtig bewertet wird. Bei fehlerhaften Bewertungen können sie Korrekturen verlangen. Doch ist dies in der Realität oft ein langwieriger und schwieriger Prozess.
ks
Fehlerquote riesig
„Klassische“ Auskunfteien wie Schufa, Bürgel oder Creditreform beschränken sich in der Regel darauf, die allgemeine Kreditwürdigkeit zu prüfen. Als Datengrundlage nutzen sie titulierte Forderungen. Doch hat eine Studie im Auftrag des Bundesverbraucher- schutzministeriums von Juni 2009 gezeigt, dass fast die Hälfte der von ihnen gespeicherten Daten fehlerhaft oder unvollständig sind.
ks
30.03.2024